Red Bull Salzburg gelingt das Wunder, die österreichische Schmach gegen die Färöer Inseln von 1990 vergessen zu machen. Der Millionen-Club scheidet in der Qualifikation zur Champions League gegen die Luxemburger des F91 Düdelingen aus. Red-Bull-Sportdirektor Ralf Rangnick erklärt nun den FC Basel zum Vorbild.
Dietrich Mateschitz zog sich fluchtartig in den feudalen VIP-Klub der Bullen-Arena von Salzburg zurück. Dabei hatte der Big Boss von Red Bull, der ein riesiges Sportimperium (Formel 1, Eishockey, etc.), einen privaten Fernsehsender und nebenbei auch noch die eine oder andere Milliarde sein eigen nennen darf, ein Lächeln auf den Lippen. Ein ungläubiges Lächeln, ein gequältes Lächeln.
Da verschlägt es den bekennenden Benzinbruder und passionierten PS-Liebhaber ausnahmsweise einmal ins Fussballstadion, und dann wird er gleich Augenzeuge der grössten Peinlichkeit, die der österreichische Clubfussball je erlebt hat: Aus in der zweiten Runde der Qualifikation zur Champions League, Aus gegen den allseits bekannten F91 Düdelingen, gegen jenen Grossclub aus dem Grossherzogtum Luxemburg, der in seiner Vereinshistorie noch nie zwei Runden im Europacup überstanden hatte.
Das ging für Red Bull völlig in die Dose.
Wer gedacht hatte, dass die 0:1-Blamage im Hinspiel vor einer Woche nur ein einmaliger Ausrutscher und der absolute Tiefpunkt gewesen wäre, der wurde von den Salzburgern eines Schlechteren belehrt: Denn die wahre Demütigung sollte erst im Rückspiel im leeren Stadion (6600 Zuschauer) stattfinden, wo der österreichische Double-Gewinner in der luxemburgischen Nummer 1 seinen Meister fand.
In Salzburg wird geklotzt, nicht gekleckert
«Wir haben es in Summe der beiden Spiele nicht verdient, uns durchzusetzen», musste sich Salzburg-Coach Roger Schmidt nach dem 4:3-Heimsieg eingestehen. Ein Eingeständnis wie ein Armutszeugnis für die Millionentruppe aus dem Bullenstall, deren Jahresetat (40 Millionen Euro) jenen von F91 Düdelingen um das Zehnfache übersteigt.
Dabei wird in Salzburg der Protz sonst gerne zur Schau gestellt. Der FC Red Bull Salzburg hat das trendigste Stadion des Landes, die grössten VIP-Buffets, die feudalste Kabinenlandschaft, den luxuriösesten Mannschaftsbus und die hübschesten Hostessen. Die Spieler trainieren auf dem modernsten Trainingsgelände, fahren die dicksten Autos, erhalten die besten Gehälter im rot-weiss-roten Fussball und werden praktisch rund um die Uhr von zahlreichen Heinzelmännchen gehegt und gepflegt.
Red Bull ist ein einziger Superlativ, Auffallen um jeden Preis heisst das Motto – zumindest das dürfte den Salzburger Fussballern mit der Schmach gegen Düdelingen gelungen sein.
Die Kommentare: «Sportlicher Bankrott», «Lachnummer»
Kaum eine deutschsprachige Zeitung, der das peinliche Aus des «FC Bayern» aus Österreich keine Schlagzeilen wert war. Und zwischen den Zeilen war neben dem Spott auch allerorts jede Menge Schadenfreude zu lesen. Die Kronenzeitung schrieb vom «Sportlichen Bankrott des reichsten Clubs der Liga», für den «Kurier» ist Salzburg schlichtweg die «Lachnummer Europas».
Alle Experten und Kommentatoren des Landes waren sich einig: Nun müsse die österreichische Fussball-Geschichte umgeschrieben werden. Ab sofort gilt nicht mehr die Niederlage der Nationalmannschaft auf den Färöer-Inseln (1990) als schwärzeste Stunde des österreichischen Kicks, sondern die Blamage von Red Bull Salzburg.
So weit hat’s Red Bull also im Fussball gebracht.
Als Dietrich Mateschitz im Jahr 2005 erklärt hatte, mit Red Bull dem Salzburger Traditionsverein Flügel zu verleihen, schwebten alle noch auf Wolke sieben. Man träumte von der österreichischen Antwort auf den FC Bayern, von Toren und Triumphen und einem Stammplatz in der Champions League.
Salzburg kostet viel – und erreicht wenig
Nach sieben fetten Jahren – zumindest finanziell – bleibt übrig: Ausser Spesen nichts gewesen. Weit mehr als eine Viertelmilliarde Euro wurden seit 2005 verpulvert. Die Champions League kennen die Salzburger trotzdem nur vom Hörensagen, auch in der heimischen Liga sind die Serientitel ausgeblieben.
Und mittlerweile laufen dem Verein, der durch die Hyperinszenierung oft allzu steril und seelenlos wirkt, auch die Zuschauer davon. Seit dem Einstieg von Red Bull im Jahr 2005 ist der Zuschauerschnitt von 16’500 Fans auf 9800 (2011/12) gesunken. Tendenz fallend.
So wenig auf den Tribünen in der Bullen-Arena los ist, so turbulent geht’s hinter den Kulissen zu. Spieler kommen, Spieler gehen, Trainer werden angeheuert und entlassen, Manager wechseln im Jahrestakt. Die fehlende Kontinuität ist seit 2005 die grösste Konstante beim Salzburger Fussballverein. Und längst haben auch die Fans den Überblick verloren, wer, wann, wo, wie, was gemacht hat beim FC Red Bull.
Der Neustart ist die einzige Konstante
Der Neustart ist Programm, alle Jahre wieder dürfen neue Trainer und Sportdirektoren ihre Strategien entwickeln und Zukunftsszenarien entwerfen, die dann doch rasch wieder über den Haufen geworfen werden. Roger Schmidt, der im Sommer aus Paderborn nach Salzburg wechselte, ist nach Kurt Jara, Giovanni Trapattoni, Co Adriaanse, Huub Stevens und Ricardo Moniz bereits der sechste Trainer in den vergangenen sieben Jahren.
Die Liste der Sportdirektoren (vom ex-Basler Oliver Kreuzer über Thomas Linke bis hin zu Dietmar Beiersdorfer) ist nur unwesentlich kürzer. Seit wenigen Wochen ist auf dieser Position Ralf Rangnick am Ball, und weil offenbar ein Experte zu wenig ist, hat Dietrich Mateschitz gleich auch noch Gerard Houllier verpflichtet. Als graue Eminenz sagt der Franzose von Paris aus, wo’s lang gehen soll bei den Red Bull-Fussballvereinen in Salzburg, Leipzig und New York.
Rangnick nimmt den FC Basel zum Vorbild
Der Erfolg lässt sich freilich nicht kaufen. Was für Red Bull in der Formel 1 funktionierte – Sebastian Vettel wurde Doppel-Weltmeister – , floppte im Fussball bislang gewaltig. Auch deshalb mahnt nun Ralf Rangnick zur Ruhe und zur Kontinuität.
Statt ergrauter Stars setzt er auf hungrige Talente und verweist auf den Weg des FC Basel. «Wir reden über Nachhaltigkeit für die nächsten drei Jahre», hatte er vor dem Rückspiel gegen Düdelingen gemeint. «Das hängt nicht davon ab, ob wir in den nächsten Runden ausscheiden.» Nachsatz: «Wenn wir ausscheiden, war es einfach nicht gut genug.»