Das Glas halbvoll – jetzt will Petkovic nachfüllen

Mit dem verpassten Sieg beim 1:1 gegen Rumänien hadern die Schweizer und sie trauern ihren Chancen nach. Aber sie sehen sich auf dem richtigen Weg und wollen am Sonntag Frankreich den Gruppensieg streitig machen.

Football Soccer - Romania v Switzerland - EURO 2016 - Group A - Parc des Princes, Paris, France - 15/6/16 Switzerland's Admir Mehmedi celebrates with Blerim Dzemaili after scoring their first goal REUTERS/Charles Platiau Livepic

(Bild: Reuters/Charles Platiau)

Mit dem verpassten Sieg beim 1:1 gegen Rumänien hadern die Schweizer und sie trauern ihren Chancen nach. Aber sie sehen sich auf dem richtigen Weg und wollen am Sonntag Frankreich den Gruppensieg streitig machen.

Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es ein guter Auftritt der Schweizer war – dieses zweite Spiel an der Euro 2016. Manche Nationalmannschaftsbegleiter haben im Parc des Princes sogar den besten Match unter der Regie von Vladimir Petkovic gesehen. Nicht vom Ergebnis her, aber von der Ausstrahlung des Teams.

Die Schweiz dominierte einen Gegner weitgehend, der sich mit seiner Mischung aus Physis und Technik im Eröffnungsspiel gegen Frankreich Respekt verschafft hatte, und sie konnte, obwohl die Rumänen einen Tag mehr Regenerationszeit hatten und obwohl Anghel Iordanescu vier frische Spieler aufgestellt hatte, mehr zusetzen.

Es war eine Steigerung gegenüber dem Albanien-Spiel. Ein abgeklärtes Spiel, nicht brillant, aber taktisch überlegt, weil dem Gegner nicht viele Räume geboten wurden. Und es wurde das läuferische Investment geleistet, das erforderlich war. «Wir haben mit befreitem Kopf gezeigt, dass wir besser spielen können», hielt Vladimir Petkovic aus seiner Warte fest. Und das nach dem 1:0 gegen Albanien, dessen Bewertung dem Nationaltrainer einmal mehr «zu viel Negativität» beinhaltete.



epa05367694 Switzerland's coach Vladimir Petkovic (C) applauds supporters at the end of the UEFA EURO 2016 group A preliminary round match between Romania and Switzerland at Parc de Princes in Paris, France, 15 June 2016.....(RESTRICTIONS APPLY: For editorial news reporting purposes only. Not used for commercial or marketing purposes without prior written approval of UEFA. Images must appear as still images and must not emulate match action video footage. Photographs published in online publications (whether via the Internet or otherwise) shall have an interval of at least 20 seconds between the posting.) EPA/FILIP SINGER EDITORIAL USE ONLY

Auf Kurs: Vladimir Petkovic und die Schweizer Nationalmannschaft. (Bild: Keystone/FILIP SINGER)

Diese Schweizer Mannschaft, in Paris wieder von gut und gerne 15’000 Fans unter den offiziell 43’576 Zuschauern unterstützt, ringt daheim nach wie vor um die grosse Anerkennung und einen Euphorieschub und ist doch ihrem ersten Ziel – dem Sprung in die K.o.-Runde – ein gutes Stück näher gekommen. Es müsste nach Frankreichs spätem 2:0-Sieg gegen Albanien nun schon mit dem Teufel zugehen, wenn die bereits angehäuften vier Schweizer Punkte nicht reichen sollten.

Lichtsteiner findet, dass sein Foul nicht für einen Penalty reicht

Dass es gegen Rumänien nur ein 1:1-Remis wurde, lag zum einen am Gegentreffer aus dem Nichts. Ein Foulpenalty, dessen Berechtigung Stephan Lichtsteiner in Abrede stellte, diese Ansicht jedoch ziemlich exklusiv hatte. Es sei denn, man trug an diesem Mittwoch ein Schweizer Kreuz auf der Brust.

Es war ein läppisches Zupfen am Trikot, ein unnötiges obendrein. «Klar, ich ziehe am Leibchen, aber das reicht nicht für einen Penalty», verteidigte sich der Captain und erhielt Support von seinem Trainer: «Dann müssten in einem Spiel viele solcher Elfmeter gepfiffen werden.»

So geriet die Mannschaft in Frankreich erstmals in Rückstand, und wieder hatte sie, wie schon im Startspiel, etliche gute Chance liegen lassen. Wieder war es Blerim Dzemaili, der sündigte, und vor allem war es erneut Haris Seferovic, der nun schon auf die stattliche Zahl von sechs versiebten Grosschancen kommt.

Seferovic läuft einem Tor hinterher und schweigt

Wortlos und mit grimmiger Miene stapfte Seferovic aus dem Prinzenpark. In der 63. Minute ausgewechselt, könnte für ihn Paris vorerst das Ende markieren. Der Mittelstürmer ist zwar fleissig, Petkovic muss aber in Rechnung stellen, dass dem Wahl-Frankfurter jegliche Fortune abgeht.

«Jeder Stürmer ist verzweifelt, wenn er die Chancen nicht macht», weiss Xherdan Shaqiri, der selbst enttäuscht war über seine eigenen, schlecht ruhenden Bälle, «aber wir stehen zu Haris.»

Was sagt der Torschütze Admir Mehmedi im Interview? «Der Mehmedi hat seinen Job gemacht»

Die Zukunft an diesem Turnier dürfte jedoch Breel Embolo gehören, der nach 63 Minuten für Seferovic kam. Schon nach sieben Minuten stimmte die Schweizer Kurve ihren neuen Song auf Embolo an (frei nach «The Lion Sleeps Tonight»), die Fangemeinde musste sich aber gedulden.

In der 57. Minute streifte sich Embolo das Trikot über und erhielt Instruktionen von Petkovic. Ein Wechsel mit Admir Mehmedi zeichnete sich ab auf bei der Suche nach dem Ausgleich. Dann flog noch ein Corner von Ricardo Rodriguez zur Mitte, Johan Djourou warf sich ins Getümmel und den Prellball wuchtete Mehmedi mit seiner perfekten Schusstechnik mit links volley und diagonal zum 1:1 ins Netz.

«Es wäre die falsche Entscheidung des Trainers gewesen»

Dass er um ein Haar schon gar nicht mehr im Spiel gewesen wäre, registrierte Mehmedi erst später und kommentierte das auf seine verschmitzte Art: «Ich glaube, es wäre die falsche Entscheidung des Trainers gewesen.»

Der hatte das Tor gar nicht gesehen. «Ich hatte mich gerade weggedreht, um die Auswechslung vorzubreiten», sagte Petkovic, und nach den ersten Fernsehbildern meinte er: «Ein sehr schönes Tor, ein verdientes Tor und sicherlich nicht unser letztes Tor an diesem Turnier.»

Petkovic darf sich also glücklich schätzen und freut sich über das, was er in der zweiten Halbzeit gesehen hat: «Es ist eine unserer Stärken, dass wir eine Antwort geben können. Und dabei haben wir einen klaren Kopf bewahrt.»

Für Yann Sommer, weitaus weniger beschäftigt als noch gegen Albanien, sieht der Schweizer Steigerungslauf so aus: «Wir haben bessere Ballstafetten gehabt, haben uns gute Chancen herausgespielt. Defensiv sind wir besser gestanden, wir waren konzentriert und haben dem Gegner fast nichts zugestanden. Es gibt sehr viele positive Punkte in diesem Spiel, und jetzt müssen wir uns gegen Frankreich noch einmal steigern.»

Ob diese Gruppe indes wirklich dazu fähig ist, einen ganz grossen Wurf zu schaffen, darüber lässt sie die Fussball-Nation weiterhin im Unklaren. 

Das abgeklärte Schweizer Spiel spricht für eine gewisse Reife  

Dass die Schweizer in Paris am Ende nicht auf Teufel komm raus auf einen durchaus verdienten Sieg aus waren in einem Spiel, in dem sich beide Seiten nichts schenkten, spricht jedoch nicht gegen diese Mannschaft, sondern durchaus für eine gewisse Reife.



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Admir Mehmedis Schusstechnik: Dieser Volley bringt der Schweiz den Ausgleich gegen Rumänien. (Bild: Reuters/Charles Platiau)

Gewinnt Rumänien nun gegen Albanien mit mehr als einem Tor Unterschied und verliert die Schweiz gegen Gastgeber Frankreich, wäre es Platz 3 und dann ein Rechenexempel, ob es unter die vier besten Gruppendritten reicht.

Die vier Punkte sind für Lichtsteiner jedenfalls schon einmal «ein grosser Schritt Richtung Achtelfinal», Granit Xhaka dagegen ist nicht zufrieden mit der Ausbeute: «Jetzt wollen wir gegen Frankreich gewinnen.»

Erneut war Xhaka der Schweizer Spieler mit den meisten Ballkontakten sowie den meisten abgespulten Kilometern und wurde deshalb bereits zum zweiten Mal zum «Man of the Match» bestimmt. Das interessiert ihn aber nicht sonderlich: «Ich will Spiele gewinnen.»

Petkovic: «Jetzt müssen wir das Glas nachfüllen»

Das sieht Petkovic natürlich genauso. Schlägt die Schweiz den Gastgeber am Sonntag in Lille (21.00 Uhr) tatsächlich, trifft sie in den Achtelfinals auf einen Dritten aus der Deutschland-, Spanien- oder Italien-Gruppe. Als Zweiter blüht ihr der Zweite aus Gruppe C, also höchstwahrscheinlich Deutschland oder Polen.

Petkovic‘ Zwischenfazit ist gleichzeitig eine kleine Kampfansage an die Franzosen: «Das Glas ist halbvoll. Jetzt müssen wir es aber nachfüllen.»

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