Nach Olympia-Gold, drei Weltcup-Gesamtsiegen und als dreifacher Tour-de-Ski-Gewinner erreichte Langläufer Dario Cologna (26) bei seinem ersten Einsatz an den Weltmeisterschaften im Val di Fiemme sein erklärtes Ziel auf Anhieb und gewann den Titel im Skiathlon. Ein Gespräch nach dem Rennen am Lago di Tesero.
Dario Cologna, Sie zeigten unmittelbar nach dem Überqueren der Ziellinie für Sie ungewöhnliche Emotionen. Was ging in Ihnen vor?
Das war das perfekte Gefühl. In diesem Moment spürte ich eine enorme Freude. Eine Freude, die einfach plötzlich da war. Das bewirkte bei mir die Emotionen, Gefühlsäusserungen, Gesten wie ich sie kaum je zeige.
Ohne Dario Cologna hätte Norwegen einen schier historischen WM-Triumph gefeiert bei den ersten Langdistanz-Rennen dieser Weltmeisterschaften im Val di Fiemme. Mit einem Vierfach-Sieg warteten die Frauen im Skiathlon über 7,5 km Klassisch und 7,5 km Skating auf – und zwar durch: Marit Björgen – sie gewann nach dem Sprint bereits ihr zweites Gold -, durch Therese Johaug, Heidi Weng und die unglückliche vierte Kirstin Stoermer Steira Und bei den Männern folgten hinter Dario Cologna nach den je 15 km mit Martin Johnsrud Sundby, Sjur Roethe und Petter Northug ebenfalls drei Norweger. Lediglich durch 3,4 Sekunden waren sie getrennt, während sich Cologna mit seinem eindrücklichen Finish 1,8 Sekunden von seinem ersten Verfolger abgesetzt hatte. Lehr gingen die beiden Russen Maxim Wylegschanin (5.) und Alexander Legkow (6.) aus, die beiden grossen Widersacher Colognas an der diesjährigen Tour de Ski. Mit dem 14. Platz, nur 16,6 Sekunden hinter Cologna zeigte der zweite Schweizer Curdin Perl wohl sein bestes Saisonrennen.
Wieso?
Dieser Titel war mir enorm wichtig gewesen. Ihn wollte ich unbedingt, und ich spürte, welche Erwartungen die Fans, die Öffentlichkeit aufgebaut hatten. Mir schien, dieser Weltmeistertitel war fast erwartet worden. Das sorgte auch für gehörig viel Druck. Und hinzu kam die Art des Sieglaufes. Das war ein Superrennen, in dem alles aufging.
Bis auf den Schreckmoment…
(Lacht) Den Sturz hatte ich natürlich nicht vorgesehen. Ich rutschte im Aufstieg leicht aus und lag nach vier Rennminuten am Boden. Das war nicht harmlos. Ich kam nur schlecht wieder auf die Beine, wurde überlaufen und hatte mich von weit hinten wieder nach vorne zu arbeiten. Aber dieses Intermezzo warf mich nicht aus der Bahn. Ich blieb ruhig und bügelte den Fauxpas innert kurzer Zeit wieder aus – ohne unnötig Kraft zu verpuffen.
Sodann waren Sie der Chef im Feld.
Das kann man schon so sagen. Ich fühlte mich ausgezeichnet und war auch sicher. Nach dem Wechsel auf die Skating-Ski sah ich bei einem kurzen Tempforcing, dass meine Perspektiven hervorragend sind. Weil aber niemand bei einer Vorentscheidung mithelfen wollte, brach ich das Vorhaben wieder ab.
Und es kam zu einer heiklen Phase, als der Norweger Martin Johnsrud Sundby sich lösen konnte und unter den Verfolgern Ratlosigkeit zu herrschen schien. Wie haben Sie diese Minuten erlebt?
Das mit der Ratlosigkeit war so und das war merkwürdig. Da schauten sich die Protagonisten ins Gesicht, die Norweger drosselten teamtaktisch den Rhythmus und niemand schien zu reagieren. Die Passivität der Russen, aber auch anderer Medaillenanwärter erstaunte mich.
Hatten die Norweger mit diesem Rennszenario einen Überraschungscoup gelandet?
Das glaube ich weniger. Vielmehr hat sich dies so ergeben.
«Wollte um Gold fighten und nicht um Silber»
Und Sie ergriffen nun selber die Initiative.
Zwangsmässig, und nicht darum, weil mich alle anschauten, als wollten sie sagen: «Los Dario, schliesse diese Lücke.» Aber mir blieb nichts anderes übrig, schliesslich wollte ich um Gold fighten und nicht um Silber.
Sie strahlten in der Schlusphase des Rennens eine immense Sicherheit aus.
Das stimmt, aber es ist nicht so, dass ich mir vor dem Rennen eine genaue Taktik zurechtgelegt hatte und alles einfach nach Plan verlief. Vielmehr war ich auf verschiedene Möglichkeiten vorbereitet, blieb aufmerksam und vertraute auf meine Intuition. Auf den entscheidenden letzten drei Kilometern, attackierte ich. Aber ich gab nie hundert Prozent. Das was immer kontrolliert, bis zum letzten Aufstieg. Über dessen Bedeutung war ich mir voll bewusst. Ich forcierte mit aller Kraft und oben war ich mir der Lücke bewusst.
«Ich vertraute auf meine Intuition.»
Der Einlauf ins Stadion wurde zum Schaulaufen?
Nein, ich machte weiter Druck, denn beim Blick auf der Grossleinwand hatte ich das Gefühl, die Verfolger seien sogleich wieder dran. Erst als ich mich umschaute, stellte ich fest, dass der Vorsprung ziemlich beruhigend war.
Sie haben auf die erste Entscheidung, den Sprint, verzichtet und lassen nun heute auch den Team-Sprint sausen, obwohl Sie zusammen mit Curdin Perl – starker 14. im Skiathlon – ebenso zu den Medaillenkandidaten gehört hätten. Wie begründen Sie dies?
Ich besprach mit unmittelbar nach dem Rennen mit Trainerin Guri Hetland, und der Entscheid war delikat. Mit dem Nein zum Teamsprint raubte ich auch Curdin Perl die Möglichkeit zu einem möglichen Grosserfolg. Aber die Argumente für ein Nein überwogen: die kurze Erholung zwischen Skiathlon-Ende und Team-Sprint-Qualifikation von nur gut 17 Stunden, das vollgepferchte Abendprogramm mit den Siegesehrungen und dem Feiern, die hohen Anforderungen und den Energieaufwand, den dieser Team-Sprint erfordert, die schwer einzuschätzenden Erfolgsaussichten in dieser Prüfung sowie die Konzentration auf die weiteren Langdistanz-Rennen. Ich möchte sowohl über 15 km Skating (am Mittwoch) wie über 50 km Klassisch (am Sonntag) nochmals angreifen.
«Es ist bis jetzt alles aufgegangen.»
Noch fokussierter als in andern Jahren sind sie auch in diese Saison gestiegen. Ist diese die Erklärung dieser Goldmedaille?
Auch, ja. Die Form-Steuerung und die klare Definition, des Schwergewichts auf diese Weltmeisterschaften, hat sich bezahlt gemacht. Es ist bis jetzt wirklich alles aufgegangen. Nicht zuletzt gelang es mir aufzuzeigen, dass ich auch Einzelrennen gewinnen kann und nicht einfach ein kompletter Allrounder bin.
Und die Verbundenheit mit dem Val di Fiemme hat sich weiter gefestigt?
Das kann man bestimmt so sagen. Hier errang ich mit meinem ersten Tour-de-Ski-Sieg 2009 meinen ersten Grosserfolg. Eine solche Erinnerung prägt. Und hier bestreite ich schier Heimrennen, weil das Münstertal nicht fern liegt. Da sind meine Familie, meine Fans vor Ort. Das beflügelt.