Von gleich sechs Spielern will der SC Freiburg, Tabellenletzter der Bundesliga, nach der Winterpause nichts mehr wissen. Darunter Felix Bastians, der in der Schweiz bei YB spielte, und völlig unerwartet auch Teamcaptain Heiko Butscher.
Die grösste Irritation beim Grossreinemachen im Breisgauer Profifussballbetrieb löst die fristlose Kündigung für Yacine Abdessadki aus. Er muss sich vor dem letzten Auswärtsspiel in einem Kölner Hotel etwas zuschulden kommen lassen haben, was der Club als nicht hinnehmbar bezeichnet. Ohne genauer darauf einzugehen, sagt SC-Sportdirektor in einer Verlautbarung des Vereins: «Es sind Dinge geschehen, die wir einem Profi mit Vorbildfunktion nicht durchgehen lassen können.»
Es soll sich dabei dem Vernehmen nach nicht um eine Zimmermädchenaffäre gehandelt haben, sondern eher um eine Art Sammelleidenschaft Abdessadkis. Unter anderem kursiert die Geschichte, der Spieler habe Seifenspender in Hotelzimmern abmontiert. Der 30-jährige Franzose mit marokkanischen Wurzeln war beim SC Freiburg schon einmal in Ungnade gefallen und der Mittelfeldspieler zum Saisonende 2010 als Abgang gemeldet worden. Ein paar Wochen später wurde sein Vertrag doch wieder erneuert.
Fehleinkäufe und Missverständnisse
Abdessadki spielte zum Ende der Vorrunde wie die meisten anderen Ausgemusterten keine grosse Rolle mehr (11 Einsätze, sechsmal eingewechselt). Maximilian Nicu (29 Jahre), einst bei Hertha Berlin als grosses Versprechen gehandelt, spielte nur viermal, und der Japaner Kisho Yano gilt als eines der grösseren Missverständnisse in der Transferhistorie des Sportclub.
Hinter der Nummer 1 im Tor, U21-Nationaltorhüter Oliver Baumann, nimmt der SC eine interne Rochade vor: Manuel Salz wird zur U23 in die viertklassige Regionalliga versetzt und von dort steigt U20-Nationalkeeper Alexander Schwolow auf.
Ein bisschen überraschend kommt, dass der SC Freiburg Linksverteidiger Felix Bastians nahelegt, sich sofort einen neuen Verein zu suchen. Der 23-Jährige, der 2008/09 für die Young Boys spielte (21 Spiele/2 Tore) hat sich offenbar intern unbeliebt gemacht, als er eine Verlängerung seines im nächsten Sommer auslaufenden Vertrags ablehnte.
Laufpass für einen Liebling der Fans
Völlig überraschend ist, zumindest nach aussen hin, dass der SC seinem langjährigen Captain Heiko Butscher ebenfalls den Laufpass gibt. Butscher kam nach der Trennung von Trainer Volker Finke 2007 und galt seither – auch wenn sportlich nicht immer über jeden Zweifel erhaben – als grosse Integrationsfigur beim Sportclub und dessen Fans.
Auf Butschers Position in der Innenverteidigung, wo seit Sommer auch Beg Ferati (ex FC Basel) um einen Platz kämpft, sucht der Sportclub ganz dezidiert nach weiteren zentralen Abwehrspielern. Angeblich haben Agenten auch nicht davor zurückgeschreckt, dem Bundesligisten David Abraham anzubieten, dessen Vertrag beim FC Basel Ende Saison ausläuft.
Als Butscher zuletzt spürte, dass er bei der sportlichen Führung nicht mehr über genügend Rückhalt verfügt, bat er um eine klare Ansage. Die hat der 31-Jährige, dessen Vertrag sich bei Klassenerhalt automatisch verlängern würde, nun erhalten.
Schlusslicht des Kalenderjahres
Marcus Sorg, im Sommer nach Robin Dutts Abgang zu Bayer Leverkusen intern vom U23-Trainer zum Chefcoach avanciert, ist die treibende Kraft bei der Inventur des Kaders. Das legt zumindest die Mitteilung des Vereins nahe, in der es heisst, dass Sorg am Montag ein Gespräch mit dem geschäftsführenden Vorstand und dem Sportdirektor initiiert habe. Dort wurde das Vorgehen festgelegt und die betroffenen Spieler am Dienstag darüber informiert. Schon gegen Mitternacht von Dienstag auf Mittwoch hatte der SC Freiburg auf seinem Facebook-Auftritt die einschneidenden Massnahmen bestätigt.
«Wir wollten nicht bis zum Trainingsauftakt am 2. Januar warten», sagt Marcus Sorg laut offiziellem Communiqué, «sondern die fünf Spieler gleich darüber in Kenntnis setzen, dass wir ihnen keine Steine in den Weg legen werden.»
Mit dem personellen Umbruch will Sorg «Perspektiven für die Rückrunde und darüber hinaus schaffen». Die Bestandsaufnahme ist ernüchternd: Mit 13 Punkten sind die Südbadener zwar noch nicht abgeschlagen Letzter, die Tendenz weist jedoch nicht erst seit dieser Saison steil nach unten. Nach famoser Vorrunde in der Vorsaison mit 28 Punkten, steckt die Mannschaft seit Jahresbeginn mehr oder weniger in einer Ergebniskrise. Bis Mai kamen die Freiburger nur noch auf 16 Punkte, waren Letzter der Rückrundentabelle und sind auch Bundesliga-Schlusslicht über das Kalenderjahr betrachtet.
Cissé-Transfer stockt
Wie Freiburg personell reagieren kann, ist offen. Grössere finanzielle Sprünge gehören nicht zum Geschäftsmodell des stets umsichtig wirtschaftenden Sportclub. Handlungsspielraum würde ihnen wohl nur entstehen, wenn es zu dem Transfer kommt, von dem schon die Rede ist, seit Papiss Demba Cissé seine ersten Tore im Breisgau erzielt hatte. Doch die zwölf Millionen Euro, die der Sportclub für seine Stürmertrouvaille (37 Tore in 64 Spielen seit der Rückrunde 09/10) aufgerufen hat, war bisher noch niemand bereit zu bezahlen.
Dennoch lehnte sich der Sportclub als Vorgriff auf einen bevorstehenden Geldregen für seine Verhältnisse weit aus dem Fenster und verpflichtete für die Rekordsumme von rund 2,3 Millionen Euro den malischen Nationalspieler Garra Dembélé von Levski Sofia. Und ob sich für den durchaus abwanderungswilligen Cissé in der demnächst beginnenden Transferperiode tatsächlich ein Käufer findet, scheint so sicher nicht. Vom 21. Januar bis 12. Februar spielt der 26-Jährige für Senegal beim Africa Cup (in Äquatorialguinea und Gabun), die Bundesliga-Rückrunde beginnt am 20. Januar und die anderen grossen Ligen spielen durchgehend.
Artikelgeschichte
Um 13 Uhr mit der Pressemitteilung des SC Freiburg ergänzt.