Das Herz wird bluten

Eine grosse Identifikationsfigur des Fussballs in Basel tritt am Freitag ab: Marco Streller ist nicht nur ein fabelhafter Stürmer, er ist ein Teamplayer, ein Captain wie aus dem Bilderbuch und ein feiner Kerl obendrein – mit der leichten Neigung zum Hypochonder.

Basel, 01.10.2014, Fussball Champions League, FC basel - Liverpool FC, Basels Marco Streller jubelt nach seinem Tor zum 1:0 (Pascal Muller/EQ Images) (Bild: Pascal Muller/EQ Images)

Eine grosse Identifikationsfigur des Fussballs in Basel tritt ab: Marco Streller ist nicht nur ein fabelhafter Stürmer, er ist ein Teamplayer, ein Captain wie aus dem Bilderbuch und ein feiner Kerl obendrein – mit der leichten Neigung zum Hypochonder.

Eines Tages wird man diesen Zeitabschnitt verklären, als der FC Basel die verlorenen Söhne heimgeholt hat. Alle noch im Saft stehend und voller Tatendurst. Marco Streller, Benjamin Huggel, Alex Frei. Ein Dreigestirn, das dem Basler Monolog in der Schweizer Liga von 2009 an den Grundtenor verlieh und bei den internationalen Höhenflügen das Fortissimo dirigierte. 

Nun tritt der letzte dieser drei ab, der Sonnyboy. Und Marco Streller wird für viele Jahre den Status des grössten FCB-Spielers aller Zeiten haben, nach Seppe Hügi und Karli Odermatt. Die haben zu ihrer Zeit die Basler Fussballseele gewärmt, und irgendwann wird einer kommen, der sich neben die drei stellen wird.

Drei grosse FCBler: Seppe Hügi (1930-1995), der heute 72-jährige Karl Odermatt und der junge Marco Streller von 2002.

Drei grosse FCBler: Seppe Hügi (1930-1995), der heute 72-jährige Karl Odermatt und der junge Marco Streller von 2002.

Die Person Marco Streller und das Ende seiner Spielerkarriere haben in den vergangenen Tagen manche Überhöhung erfahren. Die «Basler Zeitung» etwa feiert ihn als «König von Basel». Dabei ist Marco Streller nichts weiter als ein Fussballspieler, der aus seinem Talent etwas gemacht hat und mit seiner Leidenschaft viel Ruhm und Geld verdient hat. Ein feiner Mensch ist er dazu. Nicht mehr, und nicht weniger.

Dazu reifte er in den Jahren als Endzwanziger, als er sich die Hörner abgestossen und die Flausen abgelegt hatte, als er zum FCB heimkehrte, als er zum ersten Mal Vater wurde, als er in Thorsten Fink einen Trainer hatte, der ihn aus dem taktischen Korsett befreite. So bekam Basel mit etwas Verspätung noch den besten Streller und einen zauberhaften linken Fuss zu sehen. Und die Captainbinde wurde zum äusseren Zeichen der Identifikationskraft, die Streller ausstrahlt.

Ein Krieger, ein Teamplayer, ein Sportsmann und ein feiner Mensch obendrein.

Ohne Fehl und Tadel ist auch er nicht, kein Fussballstar ist die Überfigur, zu der ihn das Unterhaltungsbusiness Sport macht. An der Fasnacht trank Marco Streller sein Bier, manchmal auch nach den drei schönsten Tagen, und eine Zigarette hielt er stets so, dass es nicht jeder sehen musste.

Eine Hommage von TripleNine an den scheidenden Captain.
 

Natürlich hat auch Marco Streller Macken. Eine schöne Geschichte ist die von seiner Neigung zum Hypochonder. Es war nämlich so, vor allem im Spätherbst seiner Karriere: Fehlte Streller am Montag im Training und man fragte besorgt nach, was das für das nächste Spiel bedeuten könnte, dann erntete man nicht selten ein Achselzucken. Wird schon, hiess es dann.

Marco Streller erzählt das so: «Sie sagen im Club, dass ich am besten spiele, wenn ich etwas habe. Wenn ich vor dem Match sage, dass ich Kopfschmerzen habe, dass es sticht, dann denken sie: ‹Hoffentlich sticht es auf der anderen Seite auch, dann macht er wieder zwei Tore.› Einmal, auswärts in der Champions League, da sagte ich, ich fühle mich super. Und dann haben wir bei den Bayern 0:7 verloren.»

Er wird mit seinen langen Gräten den Ball behaupten und etwas Gescheites machen. Das Herz wird bluten.

So ist Marco Streller: Vor allem ein unkomplizierter, sehr kommunikativer Mensch, einer, der gute Laune verbreitet, anständig im Umgang mit seinen Mitmenschen. Und auf dem Fussballplatz war er ein grosser Spieler, ein Krieger auch. Dabei nicht nur der kaltblütige Vollstrecker im Strafraum des Gegners. Es pulsierte nicht nur der Egoismus im Stürmerblut, er hat nicht nur hinreissende Tore erzielt, er war auch ein famoser Teamplayer, einer, der den aussichtsreichen lauernden Nebenspieler sah. Ein fairer Sportsmann ist er obendrein.

Und so wird es am nächsten Freitagabend sein, wenn Basel seinem «Pipi» zum letzten Mal in Rotblau unten auf dem Rasen des Joggeli applaudiert, vielleicht auch noch einmal eine Woche später im Cupfinal am gleichen Ort: Er wird mit seinen langen Gräten zwischen den Füssen des Gegners fummeln, wird sich um ihn herum winden, den Ball behaupten und etwas Gescheites mit ihm machen. Das Herz wird bluten.

Abschied in zwei Etappen

Am Freitag, 29. Mai, geht die Meisterschaft für den FC Basel zu Ende. Das Heimspiel gegen den FC St. Gallen (Anpfiff 20.30 Uhr) werden der FCB und die Fans nutzten, um Marco Streller im St.-Jakob-Park die grosse Abschiedsbühne zu bereiten. Neun Tage später, am Sonntag, 7. Juni, findet an selber Stelle der Cupfinal zwischen dem FC Basel und dem FC Sion (14.00 Uhr) statt. Ist Streller einsatzbereit, wird dies sein allerletztes Spiel werden. Da es sich um eine Veranstaltung des Schweizerischen Fussballverbandes handelt und das Joggeli (mindestens) zur Hälfte mit Walliser Fans gefüllt sein wird, liegt es auf der Hand, dass der FCB die Partie gegen St. Gallen als den geeigneten Anlass betrachtet, seinem phänomenalen Stürmer und Captain Adieu zu sagen.

» «Es hat sich gelohnt» – das ausführliche Interview von Marco Streller mit der TagesWoche  

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