Das historische Freiburger Hoch

Der SC Freiburg feiert im DFB-Pokal den bisher grössten Erfolg seiner Clubgeschichte: Mit einer nicht mehr für möglich gehaltenen Rückkehr nach einem 0:2-Rückstand setzten sich die Südbadener in Mainz mit 3:2 in der Verlängerung durch und stehen damit in den Halfinals.

epa03601991 Freiburg's Daniel Caligiuri (L) celebrate after scoring the 3-2 with Max Kruse during the DFB Cup match between FSV Mainz and SC Freiburg at Coface Arena in Mainz, Germany, 26 February 2013... ..(ATTENTION: The DFB prohibits the utilisation an (Bild: Keystone/FREDRIK VON ERICHSEN)

Der SC Freiburg feiert im DFB-Pokal den bisher grössten Erfolg seiner Clubgeschichte: Mit einer nicht mehr für möglich gehaltenen Rückkehr nach einem 0:2-Rückstand setzten sich die Südbadener in Mainz mit 3:2 in der Verlängerung durch und stehen damit in den Halfinals.

Der DFB-Pokal nimmt in den Büchern des SC Freiburg nur einen unbedeutenden Platz ein. Bis Anfang der Neunziger Jahre, als Zweitligist, war nicht viel zu erwarten, später als Ertligist unter Trainer Volker Finke, genoss der K.o.-Wettbewerb weniger Bedeutung als das nächste Punktspiel und  die Zugehörigkeit der Südbadener zur Bundesliga.

In Mainz stand der Sportclub am Dienstag zum sechsten Mal in der Runde der letzten Acht, und es hatte, da waren noch keine vier Minuten vorüber, nach einem weiteren vergeblichen Anlauf ausgesehen. Mainz führte 2:0 und Freiburgs Trainer Christian Streich korrigierte eine Fehlbesetzung: Der Norweger Vegar Hedenstad hatte bei beiden Gegentreffern schlecht ausgesehen und machte Jonathan Schmid Platz, einem der von Streich selbst grossgezogenen jungen Wilden aus der Freiburger Nachwuchsschule.

Tuchels Tirade gegen die Schiedsrichter

Für den ersten Knalleffekt hatte der Mainzer Trainer Thomas Tuchel schon einen Tag zuvor gesorgt. Seine krude, vom Deutschen Fussball-Bund aber nicht rechtlich bewertete Attacke auf die angeblich gegen ihn verschworenen Unparteiischen («das Schiedsrichterwesen hat ein Problem mit mir») und die daraus abgeleitete abenteuerliche Schlussfolgerung («hier wird eine Mannschaft für ihren Trainer bestraft») war kaum verhallt, da schlugen die zuletzt durch Fehlentscheidungen angeblich um acht Punkte gebrachten Rheinhessen auch schon zurück.

Der zweifelsfrei gegen niemand gerichtete Spielanpfiff durch Deniz Aytekin – Donnerstag voriger Woche ein dem FC Basel gut gesinnter Schiedsrichter in Dnipropetrowsk –  war am frühen Dienstagabend kaum verklungen, da stand es bereits 1:0 für die zuletzt in vier Rückrundenheimspielen sieglos gebliebenen Tuchel-Schüler.

Ab der 65. Minute Mainzer Unterzahl

Den heftigsten Widerstand gegen die drohende Niederlage leistete lange Streich, oft genug ähnlich emotional wie Tuchel gegen echte und vermeintliche Ungerechtigkeiten im Fussball kämpfend. Streich echauffierte sich vornehmlich in der ersten Hälfte darüber, dass Mainzer Härtemomente seiner Meinung nach nicht konsequent genug unterbunden wurden.

Doch der Referee hielt sich lange souverän an das Regelbuch, ehe er in wachsender Hektik und Härte des Geschehens minütlich nachliess. In der 65. Minute hielt der Referee dem Mainzer Pospech nach dessen zweitem Foul binnen kurzem die Gelb-Rote Karte vor Augen, wogegen sich auch bei dem sonst oft genug wild gestikulierenden und schimpfenden Tuchel kein Protest erhob.

Die glückliche Hand mit Santini

In dieser Phase war es längst ein packender Pokalfight. Und Christian Streich, der bei seinem Einstand als Trainer des SC Freiburg vor Jahresfrist das erste Auswärtsspiel in Mainz 1:3 verloren und dabei mit seinem Team nach 17 Minuten 0:3 hinten gelegen hatte, war eine glückliche Hand beschieden: Er wechselte Ivan Santini ein, der ihm den Anschlusstreffer in der 86. Minute bescherte und in der Nachspielzeit elfmeterreif gefoult wurde.

Ivan Santini, ein 23-jähriger kroatischer Juniorennationlspieler, der einst bei Ingolstadt unter Thorsten Fink stürmte und zu dessen Zeit als FCB-Trainer in Basel gewogen und für zu leicht befunden worden war. Auch in Freiburg hat es Santini noch nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinaus gebracht; sein Tor in Mainz war das erste im SC-Trikot.

Der umworbene Matchwinner Caligiuri

Den Elfmeter in der 93. Minute verwandelte Daniel Caligiuri. Und der Deutsch-Italiener aus Villingen-Schwenningen, dessen Bruder Marco bei Mainz tätig ist und eingewechselt wurde, bestätigte mit seinem Torriecher, warum er zu den ersten Kandidaten gehört, die dem in der Liga auf dem fünften Zwischenrang platzierten SC Freiburg von der finanziell besser gestellten Konkurrenz gerade abspenstig gemacht wird: Der 26-Jährige war in der 108. Minute zu Stelle, um den Siegtreffer abzustauben – im elften Auswärtsspiel des SC Freiburg im Pokalwettbewerb in Folge.

«Der Trainer hat in der Halbzeit ein paar Sachen umgestellt und zu uns gesagt: Mit einem Tor ist alles wieder offen», erzählte Caligiuri, «deshalb wollten wir den Anschluss so schnell wie möglich schaffen.» Es dauerte dann ziemlich lange und vier Pfosten- und Lattentreffer, bis die Anstrengungen belohnt wurden.

Ausdruck Freiburger Mentalität

In einem Doppel-Interview hatte Caligiuri seinem Bruder noch angeflachst: «Du wirst mich um Karten fürs Finale anbetteln.» Noch ist es nicht soweit, aber Daniel Caligiuri gibt sich für den Fall der Fälle schon mal grosszügig: «Er bekommt die Karten.»

«Wir haben den Anfang völlig verpennt», räumte SC-Torhüter Oliver Baumann ein, «das darf eigentlich nicht passieren. Aber wir haben uns extrem reingekämpft, und dass es so ein glückliches Ende nimmt, sagt auch etwas über unsere Mentalität.» An der feilt Christian Streich im Breisgau tagtäglich mit verblüffendem Erfolg. «Diese Jungs hören nicht auf, sie verzweifeln nicht», sagte der Trainer nach Schlusspfiff ganz gefasst.

«Fussball ist auch Trösten»

Streich, der mit den Freiburger A-Junioren dreimal Pokalsieger geworden ist, erklärte in seiner unverstellten Art auch noch, warum er sich nach Spielschluss auf dem Platz um Mainzer Spieler gekümmert hatte: «Der Gewinner nimmt eben nicht immer alles. Fussball ist auch Trösten.»

Während der VfL Wolfsburg mit Nationalkepper Diego Benaglio ein mehr oder weniger souveränes 2:1 beim Drittligisten Kickers Offenbach erreichte und damit der von Trainer Dieter Hecking ausgerufenen Schadensbegrenzung einer verkorksten Saison («Wir wollen den Pokal») in einem ersten Schritt nachgekommen ist, ermitteln heute Stuttgart und Bochum sowie die Bayern und Dortmund im Schlagerspiel die weiteren Halbfinalisten.

DFB-Pokal, Viertelfinals

FSV Mainz 05–SC Freiburg 2:3 n.V (2:2, 0:2)
Coface Arena. – 23’517 Zuschauer – SR: Deniz Aytekin.
Tore: 2. Parker 1:0 (nach Ecke und Flanke Ede), 4. Zimling 2:0 (abgefälschter Schuss aus 18 Metern), 86. Santini 2:1 (Abstauber nach Pfostenschuss Ginter), 90.+3 D. Caligiuri (Foulpenalty, Svensson an Santini), 108. D. Caligiuiri 2:3 (staubt abgelenkte Flanke von Kruse ab).
Mainz: Müller; Pospech, Svensson, Noveski, Zabavnik; Baumgartlinger, Zimling (63. M. Caligiuri); Müller, Ede (72. Ivanschitz); Szalai, Parker (70. Junior Diaz).
Freiburg: Baumann; Hedenstad (13. Schmid), Ginter, Krmas, Sorg; Schuster, Makiadi; D. Caligiuri, Kruse; Rosenthal (84. Santini), Flum (62. Guede). Bemerkungen: 65. gelb-rote Karte Pospech. – Vier Aluminiumtreffer der Freiburger.

Kickers Offenbach (3. Liga)–VfL Wolfsburg 1:2
Sparda-Bank-Hessen-Stadion. – 18’700 Zuschauer. – SR: Stark
Tore: 50. Olic 0:1, 71. Dost 0:2, 81. Stadel 1:2.

Mittwoch:
19.30: VfB Stuttgart–VfL Bochum (2. Liga)
20.30: Bayern München–Borussia -Dortmund (live, ARD)

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