Das Hooligan-Konkordat bestraft alle Besucher

Tagelang wurde der «Petarden-Trottel» durch den «Blick» geschleift. Der junge Mann hatte im letzten Herbst in einem Fussballsta­dion eine Petarde vom Boden aufgehoben. Diese explodierte in seiner Hand, riss ihm drei Fin­ger weg. Am Ende wusste die ganze Schweiz, was der FCZ-Fan ass, wo er wohnte, wo er arbeitete. Die Geschichte des «Petarden-Trottels» zeigt zweierlei: […]

Tagelang wurde der «Petarden-Trottel» durch den «Blick» geschleift. Der junge Mann hatte im letzten Herbst in einem Fussballsta­dion eine Petarde vom Boden aufgehoben. Diese explodierte in seiner Hand, riss ihm drei Fin­ger weg. Am Ende wusste die ganze Schweiz, was der FCZ-Fan ass, wo er wohnte, wo er arbeitete.

Die Geschichte des «Petarden-Trottels» zeigt zweierlei: zum einen die Funktionsweise des Boulevardjournalismus, der Sachverhalte brutal verkürzt und Menschen schamlos diffamiert. Zum anderen, wie sich der Fokus in der Sicherheitsdebatte verstärkt auf pyrotech­nische Ar­ti­kel richtet. Galten Fackeln in Stadien noch vor wenigen Jahren als Symbole «süd­län­­di­scher Lebensfreude», werden sie heute mit Gewalt gleichgesetzt und die sie tragenden Fans gerne pauschal als «Chaoten» abgestempelt.

Keine Frage: «Pyros» sind gefährlich, vor allem wenn sie als Waffen missbraucht werden. Das passiert zum Glück selten. Fast immer sind pyrotechnische Artikel aber Anlass für Scharmützel bei Kontrollen an Stadioneingängen.

Die Situation vor Fussballspielen könnte sich künftig sogar noch verschärfen. Denn das neue «Hooligankonkordat», mit dem die Kantone die Gewalt an Sportanlässen eindämmen wollen, sieht vor, dass Fans bei konkretem Verdacht einer Intimkontrolle unterzogen werden dürfen. Eine Massnahme, die nicht nur für noch mehr Ärger bei den Eingangskontrollen sorgen ­könnte, sondern auch juristisch heikel ist. So warnte etwa der einstige Basler Polizeikommandant Markus Mohler, dass solche Kontrollen übertrieben seien und sogar Grundrechte verletzen könnten.

Doch nicht nur diese Eingriffe stossen Kritikern auf. Zur Bewilligungspflicht von Fussball­spielen gehört nach den Plänen des Konkordats künftig auch, dass die Behörden die An- und Abreise der Fans bestimmen können: etwa dass Gäste nur noch mit Kombitickets transportiert werden dürfen – für Mohler eine unzumutbare Einschränkung der persönlichen Freiheit.

Bevor diese strengen Auflagen in Kraft treten können, muss das Konkordat von den Kantons­parlamenten durch­gewinkt werden. Hier ist mit Widerstand zu rechnen. Auch in Basel, wie unsere Titel­geschichte zeigt. Denn das geplante Kontrollregime geht zu weit, weil es alle Fans über einen Kamm schert und kollektiv bestraft.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 10.02.12

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