«Das muss ein guter Tag für den FCB werden»

Yann Sommer, Goalie des FC Basel, über das ungewohnte Gefühl des Verlierens, Vitamin-D-Mangel, seinen Besuch bei FCB-Legende Marcel Kunz und über das Spiel heute (16.15 Uhr) bei GC: «Am besten», sagt der 24-Jährige, «machen wir die Meisterschaft am Sonntag klar.»

Basel's goalkeeper Yann Sommer cheers after the first goal of his team during the Super League soccer match between FC Basel and FC Lausanne-Sport at the St. Jakob-Park stadium in Basel, Switzerland, on Thursday, May 16, 2013. (KEYSTONE/Georgios Kefalas) (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Yann Sommer, Goalie des FC Basel, über das ungewohnte Gefühl des Verlierens, Vitamin-D-Mangel, seinen Besuch bei FCB-Legende Marcel Kunz und über das Spiel heute (16.15 Uhr) bei GC: «Am besten», sagt der 24-Jährige, «machen wir die Meisterschaft am Sonntag klar.»

Yann Sommer, wieso haben Sie im Cupfinal gegen GC eigentlich keinen Penalty gehalten?
Das habe ich mich auch gefragt. Sie haben sehr gut geschossen, das muss man ihnen lassen. Jetzt war das Glück eben mal auf der anderen Seite.

Sie haben auf Faxen beim Elfmeterschiessen verzichtet.
Das hat zweimal gut funktioniert, gegen Luzern im Cupfinal vor einem Jahr, in der Europa League. Aber das wirkt sehr schnell lächerlich, die Spieler nehmen dich mit der Zeit nicht mehr ernst und es kann sich ins Negative kehren. Das mit dem Zunge rausstrecken mache ich nicht mehr.

Dragovic in der BaZ

«Ich binn bestimmt kein Skandalboy», sagt FCB-Verteidiger Aleksandar Dragovic im Interview mit der «Basler Zeitung».

Wie tief sitzt die Enttäuschung?
Wir wollten unbedingt das Double verteidigen. Und wir wollten nicht, dass GC den Cup holt. Ich war extrem enttäuscht und hässig. Es ist nie schön, wenn man in die Garderobe kommt und hört die anderen singen. Das sind wir beim FCB nicht gewohnt, das kommt noch dazu. Ich wusste ja gar nicht, wie ich mich verhalten soll, wenn ich die Silbermedaille bekomme. Aber vielleicht ist es auch gut, dass es wieder einmal passiert ist.

«Es ist nie schön, wenn man in die Garderobe kommt und hört die anderen singen.»

Wo liegt die Silbermedaille jetzt?
Daheim, am gleichen Platz wie die anderen, die Siegermedaillen. Da mache ich keinen Unterschied. Ein zweiter Platz im Cup ist ein zweiter Platz. Aber eine Silbermedaille zu tragen, darf nie angenehm werden. Das ist abgehakt. Jetzt wollen wir Meister werden.

Die Müdigkeit, die der Mannschaft im Cupfinal anzumerken war, konnte die vertrieben werden?
GC hat es uns auch nicht einfach gemacht in diesem Match – und am Ende verdient gewonnen, darüber müssen wir gar nicht mehr diskutieren. Wir haben zu wenig Chancen gehabt, zu wenig Druck nach vorne. Es war alles…

…im gleichbleibenden Tempo einer Sanduhr.
Das ist so. Auch ein bisschen langweilig.

Was hätte man besser machen können?
Nach dem Führungstor, das ja auch etwas glücklich zustande kam, hätten wir es wie GC machen sollen: dichtmachen, abwarten, schauen, was der Gegner unternimmt und dann auf Konter spielen. Dann wäre wahrscheinlich nicht mehr viel passiert. Aber im Nachhinein ist es immer einfach.

Es kam jetzt häufiger vor, dass die Mannschaft in kitzligen Situationen nicht die richtige Entscheidung getroffen hat: Daheim gegen Chelsea nicht mit dem Ausgleich kurz vor Schluss zufrieden gewesen, dann in Zürich nicht versucht, einen Punkt mit nach Hause zu nehmen, jetzt der Cupfinal…
Da wollen wir einfach zu viel, das sind auch die Anweisungen, die von Aussen kommen. Gegen Chelsea hatte der Staff wohl das Gefühl, da könnte noch mehr gehen.

«Das ist die Philosophie des Clubs: Da wird nicht abgewartet, sondern da greift man weiter an.»

Hat das auch etwas mit Alter der Mannschaft zu tun? Nimmt man Streller oder Philipp Degen weg, ist Markus Steinhöfer der Älteste mit 27 Jahren.
Na ja, GC hat auch eine sehr junge Mannschaft. Ich glaube eher, dass man sich beim FCB nicht gewöhnt ist, auf Unentschieden zu spielen. Da geht man nach dem ersten Tor weiter vorne drauf, und wenn man den Ausgleich gemacht hat auch. Das ist die Philosophie des Clubs: Da wird nicht abgewartet, sondern da greift man weiter an.

Welche Rolle kann ein Torhüter in so einem Moment übernehmen? Sehen Sie das Unheil dann kommen?
Wenn man gegen einen Gegner spielt, der einen guten Tag hat, so wie der FCZ, wo dann Schönbächler reinkommt und unheimlich Druck macht, dann bekommt man bald einmal ein ungutes Gefühl. Aber für den Torhüter ist es aus dem Spiel heraus schwierig, das Kommando zum Rückzug zu geben. Das muss dann eher von Aussen oder von zentraleren Spielern kommen. Aber im Cupfinal hätte ich das schon versuchen können. Beim Einwurf vor dem Ausgleich sind wir schlecht gestanden, da hätte ich versuchen müssen zu korrigieren.

Und die Frische? Kann die Mannschaft nach fünf Tagen Pause in Zürich wieder mehr in die Waagschale werfen?
Wann hatten wir in diesem Frühjahr zum letzten Mal fünf Tage lang kein Spiel? Die Pause hat gut getan. Ein Tag war frei, dann haben wir einen Tag lang etwas Alternatives, Polysportives unternommen – und das Training auf dem Platz ist reduziert. Ich glaube, für den Kopf hat das etwas gebracht. Und wir wissen: Der Cup ist weg, die Europa League ist vorbei – und jetzt gibt es nur noch den Meistertitel. Dafür müssen wir noch eine Woche durchziehen – und das werden wir tun.

Wie haben Sie die Stimmung in der Mannschaft in den letzten Tagen empfunden?
Gut, das Ziel ist klar. Die Spieler, die das schon einmal miterlebt haben, wissen um was es geht. Und bei den anderen ist ein bisschen Nervosität und eine gewisse Unsicherheit zu spüren. Aber das ist ganz normal.

«Ich sehe blass aus? Also wenn sie darauf hinaus wollen: Solarium ist für mich kein Thema.»

Okay, lassen Sie uns über das Wetter reden.
Was soll man da gross sagen?

Ist das Wetter in der Kabine ein Thema?
Natürlich. Ich finde es schlimm, wenn man jeden Morgen bei grauem Himmel aufwacht – und das im Mai. Mit dem Fussball, mit unserem Job hat das zwar nichts zu tun – aber es ist schon etwas anders, bei Sonnenschein zu trainieren. Der Regen macht momentan gar nicht so viel aus, die Plätze sind auch wieder besser – mühsam sind die Temperaturschwankungen. Ein Spieler nach dem anderen hat eine kleine Erkältung.

Spüren sie den Vitamin-D-Mangel?
Da haben wir Ersatz bekommen. Das muss sein bei so wenig Sonne.

Selbst Sie mit Ihrem dunklen Teint sehen auch ein bisschen blass aus.
Wirklich? Also wenn sie darauf hinaus wollen: Solarium ist für mich kein Thema.

Dafür haben Sie ja jetzt einen Sponsorvertrag, wo Ihnen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geholfen werden kann.
(lacht) Sieht man das nicht?

Das müssen Sie jetzt sagen. Wie körperbewusst muss man als Fussballprofi sein? Ein eingewachsener Zehennagel, der zur Entzündung führt und vielleicht sogar zu Ausfallzeiten – solche Nachlässigkeiten gab es ja alles schon.
Das ist dann einfach unprofessionell. Körperpflege muss nicht übertrieben sein, aber die Füsse – und die Hände bei einem Goalie –, die sind einfach das Kapital, und auf die muss man bei der Pflege schon schauen.

«Vor GC müssen wir auf der Hut sein. Wir dürfen einfach überhaupt keine Diskussionen mehr aufkommen lassen.»

Herr Sommer, Sportler beschäftigen sich ungern mit Negativszenarien. Das machen eher Journalisten, die vorrechnen, dass es bei einer neuerlichen Niederlage gegen GC noch einmal eng wird. Weil danach – wie vor sieben Jahren schon einmal – das vorletzte Spiel in Bern folgt, das dann verloren ging. Und in der letzten Runde verspielte der FCB dann daheim in der Nachspielzeit noch die Meisterschaft. Jetzt werden sie entgegnen: Das interessiert mich nicht.
Nicht ganz richtig. Was ich mir überlege, ist, dass GC noch die Möglichkeit hat, den Titel zu holen. Das müssen wir ernst nehmen. Die Grasshoppers sind kein Gegner, über den wir sagen können: Jetzt haben wir mal einen Cupfinal gegen sie verloren – das war eine einmalige Sache. GC hat eine gute Mannschaft, sie spielen einen guten Fussball, und sie sind gefährlich. Wir müssen auf der Hut sein. Aber ich glaube auch nicht, dass der FCB drei Spiele verliert – wir müssen einfach schauen, dass überhaupt keine Diskussionen mehr aufkommen.

Wenn es der FCB jetzt noch aus der Hand geben würde, keines der letzten drei Spiele gewinnt, dann müsste man – aufregende Saison hin oder her – auch sagen, dass er es nicht verdient hat.
Das ist so. Die Europa League war toll, alles waren begeistert, und doch war dieses Gefühl ständig dabei, diese Furcht, nichts in den Händen zu halten. Vom Halbfinal können wir uns nichts kaufen, der Cup ist weg – und deshalb wollen wir jetzt diesen Meistertitel unbedingt. Und am besten machen wir das am Sonntag klar.

Der vierte Titel in Folge – für den Club hätte er historische Dimension, weil es das in der Schweiz erst einmal und das vor einem halben Jahrhundert gegeben hat. Was würde diese Meisterschaft Ihnen bedeuten?
Extrem viel. Es wäre eine Bestätigung für das letzte Jahr. Ich bin jetzt die zweite Saison die Nummer 1 im Tor und die mit dem dritten Titel abzuschliessen wäre grossartig. Ausserdem würde ich mich freuen für die neuen, jungen Spieler wie Fabian Schär oder Mohamed Salah, die eine tolle Saison gespielt haben und die es verdient hätten, den Pokal in die Höhe zu stemmen. Und für den Club hat das natürlich eine riesige Bedeutung – vier mal in Folge Meister zu werden zeigt, wer die Nummer 1 der Schweiz ist.

«Der vierte Titel in Folge hätte eine riesige Bedeutung, für den Club, für junge Spieler wie Schär oder Salah und für mich.»

Kann man sich mit allen diesen Vorzeichen am Abend vor dem Spiel eigentlich noch in aller Gemütslage einen Champions-League-Final anschauen?
Das geht schon. Am Tag zuvor sind die Gedanken zwar schon bei unserem Spiel, aber wir sind noch nicht gross angespannt. Wir werden auch relaxed ins Spiel in Zürich gehen, wissen allerdings: Das muss ein guter Tag für den FCB werden.

Wem gönnen Sie denn den Champions-League-Titel?
Schwierig zu sagen. Xherdan Shaqiri spielt bei den Bayern, das ist die eine Sympathie, die ich habe. Er hat eine tolle erste Saison in München gehabt, und ich würde es ihm gönnen, dies mit dem Triple abzuschliessen. Aber auch Dortmund empfinde ich als einen sympathischen Verein mit einem tollen Trainer, so wie ich das von Aussen einschätzen kann.

So wie Shaqiri, so gelten auch Sie als Torhüter als Ausnahmetalent. Ist Shaqiris Weg nicht auch für Sie Ermutigung, bald einmal die Möglichkeiten für einen Wechsel ins Ausland zu checken? Haben Sie einen Karriereplan?
Den kann man so eigentlich gar nicht machen. Bis zum Zeitpunkt, als ich beim FCB die Nummer 1 geworden bin, habe ich einen gehabt. Aber jetzt wird es schwierig. Klar ist: Kommt ein Club und will Yann Sommer unbedingt, und das ist dann ein Club, bei dem es auch für mich stimmt – dann darf man nicht lange überlegen. Das weiss der FCB, und das ist in der Vergangenheit auch bei anderen Spielern so gewesen. Aber als Schweizer Profi steht man nicht so im Fokus, die grossen Clubs kommen nicht einfach so auf dich zu. Ich bin glücklich in Basel, will jetzt erst einmal Meister werden, und im Fussball weiss man sowieso nicht, was passiert. Das kann sehr schnell gehen.

Klingt so, als ob Sie sich aktuell nicht den Kopf zerbrechen müssen über Angebote?
Nein, und wenn es so wäre, würden das andere Leute für mich übernehmen, mein Vater, ein Anwalt, der ein Jugendfreund meines Vaters ist, sowie Wolfgang Vöge und seine Agentur. Ich will mich damit nicht befasssen, weil es Energieverschwendung wäre.

«Marcel Kunz erzählt, dass er damals 400 Franken vom Club bekommen und nebenher gearbeitet hat»

Am Freitag haben Sie es sich nicht nehmen lassen und bei Marcel Kunz vorbeigeschaut, um ihm zum 70. Geburtstag zu gratulieren.
Er ist eine Torhüterlegende in Basel. Ich bin 1988 geboren, habe seinen Namen zwar gekannt, aber von der Zeit natürlich nichts mitbekommen. Deshalb war es spannend, sich mit ihm zu unterhalten.

Marcel Kunz war von 1963 bis 1975 Torhüter beim FCB. Zwölf Jahre bei einem Club – heute nicht mehr vorstellbar, oder?
Er hat mir erzählt, dass er damals 400 Franken vom Club bekommen hat und nebenher gearbeitet hat. Da hat sich vieles verändert.

Zum Beispiel das Spiel des Torhüters, der heute auch ein guter Fussballer sein muss.
Wir haben vor allem über die Handschuhe geredet. Damals hat man gar keine getragen. Marcel Kunz hat sich die Innenseite der Hände mit Wachs eingerieben, womit der Ball wie an den Händen klebte. Das war eigentlich nicht erlaubt. Und wenn es geregnet hat, trug man Wollhandschuhe. Aber die Goalieposition ist heutzutage eine ganz andere. Wenn man nicht mit dem Ball am Fuss umgehen kann, hat man keine Chance mehr. Meine Generation hat das schon als Knirps gelernt.

«Es sind mir wenig Böcke so wie in Lausanne unterlaufen, aber das wird es immer wieder geben.»

Sie bestreiten am Sonntag – Länderspiele inklusive – ihre 59. Partie der Saison. Auch diese Beanspruchung ist nicht mehr vergleichbar. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Es waren viele Spiele, viele Reisen, aber eine tolle Saison. Und es ist mir gelungen, relativ konstant zu spielen.

Gab es Gegentore, bei denen Sie sich Vorwürfe machen?
Vorwürfe nicht, weil Fehler zum Spiel gehören. Es sind mir wenig Böcke so wie in Lausanne unterlaufen, aber das wird es immer wieder geben, gerade, wenn man noch ein junger Goalie ist. Und es gibt Tore, wo man sich hinterher sagt: Hm, den hätte ich auch halten können. So wie der Freistoss, mit dem Chelsea in Basel gewonnen hat. Aber ich kann so etwas abhaken. Man muss sich jedes Mal wieder auf hohem Niveau konzentrieren – dann passieren auch wenig Fehler.

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