Die Konferenz der Polizei- und Justizdirektoren kämpft mit aller Härte für das neue Hooligan-Konkordat. Und scheut dabei auch nicht davor zurück, Unwahrheiten zu verbreiten.
Hans-Jürg Käser, Präsident der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), hat sich in den vergangenen Wochen zur eigentlichen Galionsfigur gegen Gewalt im Sport emporgewuchtet. Er ist der Kopf hinter dem Hooligan-Konkordat und als solcher hat er schon bessere Zeiten erlebt. Eine Gruppe von Fussballfans rund um den Basler SP-Grossrat Tobit Schäfer hat beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht. Die Luzerner Regierung setzt das Konkordat bis zu einem Entscheid des Bundesgerichts nicht um. In Bern haben sich sämtliche relevanten Sportclubs gegen eine Verschärfung des bestehenden Konkordats ausgesprochen, und dann ist da noch die Öffentlichkeit. Und die meint es nicht gut mit Herrn Käser. An einem Podium in der Aula der Uni Basel musste er kürzlich gegen die Referenten auf dem Podium und 450 Fussballfans im Publikum ankämpfen. Er machte eine nicht besonders glückliche Figur.
Das Wunderargument
Selbst sein Wunderargument vermochte die Anwesenden nicht zu überzeugen. Man sei doch nicht blauäugig vorgegangen, sagte Käser, «wir haben die Konkordatspapiere prüfen lassen und haben vom Bundesamt für Justiz die Einschätzung erhalten, dass keine Grundrechte verletzt werden.»
Nicht zum ersten Mal bemüht der Berner Polizeidirektor das Bundesamt für Justiz (BJ), um für das Hooligan-Konkordat und gegen die Beschwerde am Bundesgericht zu weibeln. Am 15. Februar sagte er der «Neuen Luzerner Zeitung»: «Wir haben die Massnahmen vorgängig vom Bundesamt für Justiz verfassungsrechtlich überprüfen lassen.» (online nicht verfügbar)
Nur rudimentäre Gutachten
Tatsächlich? Eine Nachfrage beim Bundesamt für Justiz ergibt ein leicht anderes Bild. Das Bundesamt für Justiz hat insgesamt drei Stellungnahmen zum Hooligan-Konkordat abgegeben (Dokumente auf der Rückseite des Artikels). Eine allgemeine Einschätzung im Rahmen der breiten Vernehmlassung («Das BJ weist darauf hin, dass ein Gericht solche Kontrollen – in Bezug auf Waffen und Pyros – als unverhältnismässig beurteilen könnte.») und zwei detaillierte Rechtsgutachten, die öffentlich auf der Homepage der KKJPD einsehbar sind. Das eine Gutachten behandelt die Frage der Intimkontrollen, das andere die Verhältnismässigkeit der Meldepflicht.
Ein vollständiges Gutachten über alle geplanten Massnahmen des Hooligan-Konkordates existiert nicht. Auf Anfrage der TagesWoche schreibt Monique Cossali Sauvain, Chefin im Fachbereich Rechtsetzungsprojekte und -methodik des BJ: «Wir wurden nicht angefragt, ein umfassendes Gutachten zu erstellen, und planen auch nicht, in Zukunft ein solches zu erstellen. Ich möchte auch präzisieren, dass das Gutachten über körperliche Untersuchungen auf Anfrage des VBS und nicht der KKJPD verfasst wurde.»
Die Aussagen von Käser möchte Cossali Sauvain nicht kommentieren: «Unsere Gutachten sind allen zugänglich und jeder kann sich seine Meinung bilden.» Die Zusammenarbeit mit der KKJPD sei gut, schreibt Cossali Sauvain. Und deren Job schwierig: «Es ist im Bereich des Hooliganismus keine einfache Aufgabe, Massnahmen zu treffen, die gleichzeitig wirksam sind und nicht übermässig in die Grundrechte eingreifen.»
«Er lügt»
Naturgemäss mehr Lust, den Widerspruch zu kommentieren zwischen dem von Käser verkündeten grundsätzlichen Okay des BJ und den tatsächlichen Gegebenheiten, hat Tobit Schäfer, der Beschwerdeführer gegen das Hooligan-Konkordat. «Streng genommen lügt Käser. Das zeigt, wie wenig die KKJPD ihren eigenen Argumenten traut.» Entscheidende Punkte in der Beschwerdeschrift gegen das Konkordat seien vom Bundesamt für Justiz nicht thematisiert worden. Die Ausweitung des Gewaltbegriffs auf Bagatelldelikte beispielsweise oder die Einschränkung der Bewegungsfreiheit mit den Bestimmungen zur An- und Rückreise der Gästefans.
«Problematisch»
Auch hat die KKJPD die Anregungen des Bundesamts für Justiz nur teilweise übernommen. Im Bereich der Intimkontrollen gab es nach dem Rechtsgutachten eine Anpassung im Konkordatstext, Intimkontrollen können nur noch auf Verdacht hin und von der Polizei durchgeführt werden. Aber: Private Sicherheitsfirmen bleiben weiterhin ermächtigt, ohne einen konkreten Verdacht Ganzkörperkontrollen durchzuführen. «Die Übertragung solcher Kompetenzen an Private ist höchst umstritten. Das Bundesamt für Justiz lässt diese Frage aber letztlich offen», sagt der Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer. Das zweite Gutachten des BJ – zur Meldepflicht – bleibe sehr vage. Es halte im Wesentlichen fest, dass die Verhältnismässigkeit im Einzelfall abzuklären sei.
«Das ist nicht der Punkt»
Nach der Lektüre von beiden Texten hält Schefer fest: «Es wurden dem Bundesamt nur punktuelle Fragen gestellt; und nur diese werden beantwortet. Nicht das Konkordat als Ganzes wird behandelt.» Ein Grundproblem des Konkordats sei die Ausweitung des Gewaltbegriffes. «Dieser verliert im Konkordats-Text jegliche Kontur. Und dazu sagt das Bundesamt für Justiz nichts.»
Hans-Jürg Käser selber zeigt sich nicht besonders irritiert ob der Kritik an seinen Aussagen. Am Telefon wiederholt er zuerst seinen Standardsatz: «Wir haben abklären lassen, ob die Bestimmungen grundrechtskonform sind.» Auf die Frage, ob die KKJPD alle Massnahmen habe abklären lassen, sagt er: «Das ist doch nicht der Punkt. Lassen wir das Bundesgericht entscheiden, und dann haben wir Klarheit.» Die Einschätzung der KKJPD sei, dass das Konkordat grundrechtskonform sei, sagt Käser. «Und das macht nicht allen Freude.» Beispielsweise Tobit Schäfer. Wie nonchalant die KKJPD mit dem Thema Freiheitsrechte umgehe, sei erschreckend: «Unabhängig davon, wer vor Bundesgericht recht erhält.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 15.03.13