Das opportune Geschäft mit dem talentierten Jean-Paul Boëtius

Nachdem Jean-Paul Boëtius seine Unterschrift unter das Basler Arbeitspapier gesetzt hat, fragen sich viele, warum ein talentierter holländischer Nationalspieler in die Schweizer Liga wechselt. Die möglichen Antworten sind zahlreich.

FC Basel's new plaer Jean-Paul Boetius during a training session in the St. Jakob-Park training area in Basel, Switzerland, on Tuesday, August 4, 2015. Switzerland's FC Basel 1893 is scheduled to play against Poland's KKS Lech Poznan in an UEFA Champions League third qualifying round second leg soccer match on Wednesday, August 5, 2015. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

(Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Nachdem Jean-Paul Boëtius seine Unterschrift unter das Basler Arbeitspapier gesetzt hat, fragen sich viele, warum ein talentierter holländischer Nationalspieler in die Schweizer Liga wechselt. Die möglichen Antworten sind zahlreich.

Dreissig Minuten hatte Jean-Paul Boëtius am Mittwoch Zeit, sich ein erstes Mal zu präsentieren. Im Playoff-Hinspiel gegen Maccabi Tel Aviv kam der Neuzugang des FC Basel für Matias Delgado auf den Rasen des St.-Jakob-Parks – in einem Spiel, in dessen Vorfeld die Flügel als Urs Fischers Problemzone ausgemacht worden waren.

Die Akteure in den Couloirs laufen ihrer Form hinterher (Shkelzen Gashi und Birkir Bjarnason) und kommen aus Verletzungen zurück, wie Davide Calla, Yoichiro Kakitani oder eben Boëtius. Wenige Tage nach seiner Verpflichtung verletzte sich der 21-jährige Holländer im Training.

Dass Boëtius überhaupt auf der Brüglinger Ebene seinem Beruf nachgeht, hat die Frage aufgeworfen, warum ein talentierter Spieler aus einer Fussballnation wie Holland in die bescheidene Schweizer Super League wechselt. Zumal sich nach dem 2:2 im Playoff-Hinspiel abzeichnet, dass der Rechtsfuss mit dem FCB möglicherweise sogar nur in der Europa League und nicht in der Champions League auflaufen wird.

Grüsse aus Kiew als Initialzündung

Alles begann im Frühling 2015, der FC Basel stand kurz vor seinem 18. Titel, Trainer war Paulo Sousa und Marco Streller stand zusammen mit Fabian Frei und Fabian Schär auf dem Platz. Zu diesem Zeitpunkt nahm die Scoutingabteilung Boëtius ins Visier, lange bevor klar war, ob es den holländischen Offensivspieler überhaupt brauchen würde.



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Erstes Tor im ersten Spiel für Feyenoord, und das im Spiel gegen Ajax Amsterdam. (Bild: Imago)

Und dann ging plötzlich alles schnell. Derlis Gonzalez schickte auf Twitter Grüsse aus der Ukraine und kurz darauf ein Bild von sich im neuen Vereinstextil. Der Paraguayer wechselte zu Dynamo Kiew, der FCB verlor Ende Juli seinen besten Champions-League-Torschützen.

Die grossen Fragen – auch in Holland

Vier Tage später unterzeichnete Boëtius einen Vierjahresvertrag beim Schweizer Meister.

Beim Schweizer Meister? Ein Fussballer, der schon in der holländischen Nationalmannschaft gespielt hat und mit 18 Jahren bei Feyenoord Rotterdam für die Mutter aller holländischen Clubaffichen gegen Ajax in der Startaufstellung stand? Boëtius soll zum FCB kommen, wo er zwar international spielt, das Tagesgeschäft aber Reisen nach Lugano und Vaduz sind?

Er ist gekommen.

Für diesen vermeintlich erstaunlichen Umstand gibt es eine Erklärung: Der FCB ist die Stoke City von Jean-Paul Boëtius, der vermeintliche Schritt zurück, um in der Karriere weiterzukommen – ein opportuner Transfer, der sich für den Spieler wie auch für den Verein zur Erfolgsgeschichte entwickeln könnte.

Beeindruckt von der Art, wie ihn der FCB behandelte

In Holland sei die anfängliche Skepsis über diesen Transfer verflogen, sagt Martijn Krabbendam, Fussballjournalist beim holländischen Portal Voetball International. Krabbendam reiste mit Boëtius nach Basel und erzählt, dass der Spieler beeindruckt gewesen sei vom Stadion und von der Art, wie er vom FCB behandelt worden ist.



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Jean-Paul Boëtius lag ein Angebot des FC Sevilla vor, Vereine aus Portugal waren interessiert und auch Paulo Sousas ACF Fiorentina. (Bild: Imago)

«Alles hat für ihn gepasst», sagt Krabbendam, «Basel hat den Spieler überzeugt, dass dieser Wechsel der richtige Karriereschritt ist.» Und mit dem Wissen, dass viele FCB-Spieler den Sprung in eine grössere Liga geschafft haben, «war es für ihn letztendlich ein Leichtes, in diesen Transfer einzuwilligen», so Krabbendam weiter.

Eigentlich hatte Boëtius grössere Vereine im Kopf

Es ist allerdings noch nicht lange her, da hatte der heute 21-Jährige Vereine wie den FC Barcelona im Kopf. Das war zum Zeitpunkt seines Debüts bei Feyenoord vor drei Jahren, als er von einem auf den anderen Tag als grosses Talent gehandelt wurde und ihn die Fussballwelt bereits in eine der grossen Ligen Europas wechseln sah.

Damals dachte Boëtius nicht an den FC Basel.

Der Rechtsfuss, bisher meist auf dem linken Flügel eingesetzt, spielte eine ausgezeichnete Saison 2013/14 mit elf Toren und zehn Vorlagen. Werte, auf die damals auch Memphis Depay kam, der heute bei Manchester United seine Tore erzielt. Die Wege der beiden damals knapp 20-jährigen Holländer waren vorgezeichnet: steil nach oben.

Der Rückschlag in der Bestätigungssaison

Doch während Depay 2014/15 seine Leistungen nicht nur bestätigte, sondern seine Torausbeute mehr als verdoppelte, musste Boëtius einen Rückschlag hinnehmen. Seine Werte stagnierten, er kam ähnlich oft zum Einsatz, erzielte aber weniger Tore und war auch nicht mehr der gefährliche Zuspieler der Vorsaison.

Das vom FC Basel verwendete Bild zur Überbringung der Verletzungsnachricht: Jean-Peal Boëtius bei der Vertragsunterzeichnung.

Die Unterschrift, die für Spieler und Verein zu einer gemeinsamen Erfolgsgeschichte werden könnten: Jean-Paul Boëtius unterzeichnet das Arbeitspapier mit dem FC Basel. (Bild: Screenshot fcb.ch)

Boëtius und Feyernoord standen vor der Frage, ob man gemeinsam in ein weiteres Jahr gehen sollte oder nicht. Die Vertragsverhandlungen verliefen nicht nach Boëtius’ Wunsch und Krabbendam, der den Spieler sehr gut kenne, bestätigt: «Es ging dabei nicht um das Geld.»

Zumindest nicht nur, oder nicht vordergründig. Möglicherweise wäre Boëtius bei Feyernoord geblieben, hätte der Betrag gestimmt. Vor allem aber habe der Spieler nicht das Gefühl gehabt, dass der Verein hundertprozentig von ihm überzeugt war, so Krabbendam: «Boëtius ist ein Fussballer, der sich im Umfeld des Vereins wohlfühlen muss.»

Auch Paulo Sousas Fiorentina interessiert

Der neue Vertrag mit Feyenoord kam nicht zustande. Und es gingen Türen auf. Der FC Sevilla hat ein Angebot gemacht, portugiesische Vereine waren an Boëtius dran, und auch Paulo Sousas ACF Fiorentina.

Das beste Angebot hat der FCB unterbreitet.

Basels Sportchef Georg Heitz spricht von einer «günstigen Konstellation» und einer «wahrgenommenen Opportunität, wobei es auch eine Portion Glück braucht».

Schliesslich, sagt Krabbendam, habe der FCB Boëtius dargelegt, was er mit ihm plant – «und das ist für einen jungen Spieler entscheidend.»

Der falsche Zeitpunkt, einen Junior zu forcieren

Was den FCB betrifft, so hat sich der Schweizer Meister mit dem Transfer für eine externe Lösung entschieden. «Wir schauen immer zuerst, ob wir selbst einen jungen Spieler haben, der eine Position übernehmen könnte», sagt Heitz. «Aber man muss auch sehen, dass wir in diesem Fall mit Derlis Gonzalez einen Nationalspieler verloren haben, der auch international eine gute Saison hinter sich hat. Das kann der falsche Moment sein, einen 17-Jährigen zu forcieren.»

Und so hat Trainer Urs Fischer nun sechs Flügel für zwei Positionen im Kader, Breel Embolo mitgezählt. Im Meisterschaftsspiel gegen den FC Lugano dürfte Boëtius aufgrund der Formschwäche und Verletzungen anderer in der Startelf stehen.

Spätestens dann beginnt im Tessin die neue Realität des Jean-Paul Boëtius. Er spielt dann im Stadio di Cornaredo. Und nicht im Old Trafford wie sein Weggefährte Depay. Noch nicht.

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