Ein Trainer lebt das Spiel seiner Mannschaft leidenschaftlich mit: Paulo Sousa und das taktische Konzept des FC Basel unter der Lupe.
Emotionen hat Paulo Sousa den Fans versprochen. Emotionen will er erzeugen mit dem Fussball, den er mit seiner Mannschaft einübt. Und nach dem ersten Auftritt als FCB-Trainer kann man festhalten: Dieser Mann verbirgt seine eigenen Emotionen nicht, da lebt einer das Spiel seiner Mannschaft intensiv mit, in Aarau 90 Minuten und eine Nachspielzeit lang.
In einer modisch schmalgeschnittenen, graukarierten Hose und einem schwarzen Shirt hat Paulo Sousa Aufstellung im Glutofen Brügglifeld genommen. Socken trägt er keine in seinen schwarzen Halbschuhen, auf denen er durch seine Coachingzone tigert. Und während seine Mannschaft ohne Verzug für die ersten Aufreger der Saison sorgt – Tomas Vaclik mit einer ersten Grosstat, Breel Embolo mit grandios vertändelter Grosschance – fuchtelt der Trainer an der Seitenlinie im Stile eines Maestros, dem die Partitur vom Pult gerutscht ist.
Es ist ein aktives und lautes Coaching, das Sousa pflegt. Nur von wenigen Pausen unterbrochen, in denen er unters Dach der Bank verschwindet, um sogleich wieder aufzutauchen. Fast jede Aktion wird begleitet von einem Kommentar des Misters. Auch in den Phasen, in denen seine Mannschaft die Partie ohne grosse Mühe kontrolliert, nimmt er jede Gelegenheit wahr, verbal einzugreifen, zu korrigieren. Sobald sich ihm einer seiner Spieler nähert, sowieso.
«Man muss sich daran gewöhnen», sagt Fabian Frei dazu. Paulo Sousa sagt: «Normalerweise bin ich der Anführer, ich dirigiere die Spieler.»
Erleichterung und ein bisschen Unverständnis
Nach dem Schlusspfiff schüttelt Sousa kurz den Kopf. Wahrscheinlich ist das eine Mischung aus Erleichterung darüber, dass der Start gelungen ist, und ein bisschen Unverständnis, warum seine Mannschaft nicht hartnäckiger einen dritten Treffer gesucht hat – um dann nach dem Anschlusstor der Aarauer in der 85. Minute noch einmal neun Minuten lang in Bedrängnis zu geraten.
Sousa möchte, das hat der Portugiese unter der Woche noch einmal betont, einen Fussball bieten, bei dem man die Resultate auch «fühlen» kann, wie er das ausdrückt. Was er denn selbst im Brügglifeld gefühlt habe, wird er gefragt. Er entgegnet: «Haben Sie es nicht gesehen?»
Die Dreierkette
Angesichts der Umstände in Aarau, der Witterung, den Absenzen von Marco Streller und Philipp Degen, den WM-Fahrern, die noch nicht wieder vollumfänglich zur Verfügung stehen, war es ein sehr vernünftiger Start für den Trainer und seine neue Mannschaft.
Zumal in der Grundordnung, dem Paulo-Sousa-Überraschungspaket, das der neue Trainer präsentiert hat. Eine Dreierkette in der Abwehr, rechts mit Marek Suchy und links mit Behrang Safari besetzt und dazwischen Taulant Xhaka. Darauf muss man erst einmal kommen.
«Wir haben das trainiert und getestet, speziell auf dieses Spiel hin, und die Mannschaft hat mir die Sicherheit gegeben. Ich bin glücklich, weil sie die Anforderungen verstanden und diese im Spiel umgesetzt hat», sagt Sousa.
Die Relaisstation
Die Spieler selbst staunen auch noch ein bisschen. Fabian Frei hätte zu Beginn der Vorbereitung nicht geglaubt, dass es auf eine Dreierabwehr hinausläuft: «Und es hat funktioniert.» Am Freitag konnte Behrang Safari absehen, dass es soweit kommt. «Es ist für jeden von uns neu.» Wer der Chef in dieser Abwehr ist? «Gibt es eigentlich nicht», sagt Taulant Xhaka. «Jeder ist ein bisschen Chef», sagt Safari, der die Kommunikation noch für verbesserungswürdig hält: «Es ist eine Position, auf der man viel miteinander reden muss.»
Vor dieser cheflosen Dreierkette agieren zwei zentrale Mittelfeldspieler, die in Aarau Fabian Frei und Luca Zuffi heissen. Sie bilden eine Relaisstation zwischen Defensive und Offensive – der Rest hat in Ballbesitz die üblichen Freiheiten, aber die Vorwärtsbewegung sieht strukturierter aus.
Verteidiger Naser Aliji ist in Aarau ein linker Flügelspieler mit einem Vorwärtsdrang, der sogar mit seinem ersten Tor als Profi belohnt wird. Davide Callà agiert vorsichtiger, weil nun mit mehr Defensivaufgaben im Pflichtenheft, an die man erst einmal verinnerlichen muss.
Das Vehikel für die offensiven Absichten
Auf die personelle Zusammensetzung will Sousa nicht näher eingehen. Stattdessen erklärt er: «Unsere Strategie, die Art, wie ich das Spiele lese, was ich beabsichtige, das interessiert natürlich auch immer den Gegner. Und deshalb behalte ich solche Dinge für mich.» Die Balance zwischen Angriff und Verteidigung ist sein Motiv, die defensive Haltung seines Teams, das Umschaltspiel, ist für ihn letztlich aber nur die Vehikel für die offensiven Absichten.
3-4-3 oder 3-4-2-1 – wie auch immer man dieses System benennen will: Paulo Sousa möchte seine Mannschaft darin dominant, nach vorne gerichtet spielen sehen. Dabei wird versucht, den Ball direkt, mit einem Kontakt zu spielen, und das sieht bereits dezidierter aus als in der Vorsaison.
Und: es wird gepresst, auch an diesem brüllend heissen Juli-Samstag. Der erste Treffer der Saison entsteht aus einer Situation, in der ein Fehler des Gegners provoziert wird: Balleroberung Delgado, kluger Querpass Delgado, Tor Embolo. Es mag Gegner geben, die solche Situationen besser verteidigen, aber die Attitüde der Aktion sagt etwas über den Geist aus, den Sousa seiner Mannschaft einhauchen will: Wir bestimmen, wo es lang geht.
Der Aarauer Stürmer Daniel Gygax meint: «Das Führungstor spielt einem natürlich in die Karten.» Aber er räumt auch ein: «Basel hatte danach sehr viel Ballbesitz. Das war sehr schwierig für uns.»
Sousa bereitet Delgado die Bühne
Der FCB profitiert von einem glänzend aufgelegten Matias Delgado. Sein Auftritt nach der ersten, harzigen und mit einzelnen Highlights gespickten Rückkehr-Saison war wie ein Versprechen von IHM: Seht her, ich habe noch ein paar lichte Momente mehr zu bieten.
Sousa scheint dem 31-jährigen Argentinier die Bühne dafür zu bereiten, mit zwei defensiver ausgerichteten Zentrumsspielern, die Delgado den Rücken frei halten, mit zwei Flügelspielern, die in Ballbesitz Präsenz in der gegnerischen Hälfte markieren sollen und Anspielstationen bieten.
Dabei waren in Aarau einige Akteure noch auf der Suche nach ihrem Platz im neuen Gefüge, so wie Shkelzen Gashi, oder sie waren gar nicht dabei. Spieler wie Marco Streller, wie Marcelo Diaz, Mohamed Elneny, Giovanni Sio oder Yoichiro Kakitani, von dem man sich wahre Wunderdinge erzählt.
Das Offensivpotenzial verspricht dem Spiel des FC Basel eine neue Schärfe – zumal, wenn ein gut aufgelegter Delgado wen auch immer mit chirurgisch präzisen Pässen in die Tiefe versorgt.
Zum Beispiel die jungen Wilden, allen voran Breel Embolo, über den sein neuer Trainer sagt: «Ein Junge mit einer Menge Power, in bestimmten Momenten wirklich kreativ. Er muss das Spiel noch besser verstehen lernen, muss die Räume erkennen. Es wird meine Aufgabe sein, seine Talente zu fördern, damit er erwachsener wird und nicht so naiv ist, wie er das gegen den FC Aarau ein paar Mal war.»
Gegen Luzern kann alles wieder anders sein
Und dennoch: Zum Ende der Partie in Aarau beschlich den FCB-Trainer das Gefühl, dass seiner Mannschaft der Dreier noch aus den Händen gleiten könnte. Umso glücklicher war er, dass ihm die Premiere mit dem FCB gelungen ist. Deutet man Sousas Worte richtig, kann nächsten Sonntag gegen den FC Luzern, beim ersten Spiel vor eigenem Publikum, diese Mannschaft schon wieder ein anderes Gesicht und eine andere Grundordnung haben.