Die Rollen sind verteilt, und der FC Basel versucht gar nicht erst, den Favoritenstatus von sich zu weisen. Etwas anderes bleibt ihm vor dem Hinspiel in der Champions-League-Qualifikation vom Mittwoch (20.45 Uhr) auch fast nicht übrig – zumal sich der Gegner Lech Posen gar unterwürfig präsentiert.
Irgendwann am Abend dieses 23. April schwanden die Hoffnungen. Die Hoffnungen der FCB-Spieler, die das Geschehen der Europa League vielleicht am Fernseher verfolgten. Spätestens vor dem Einschlafen wussten sie, dass die Qualifikation für die Champions League nicht schon vor dem Start in die neue Saison gesichert sein würde.
Dafür erreichten die falschen Mannschaften die Halbfinals. Und fortan war klar, dass der 13. fixe Startplatz in der Königsklasse nicht an den Schweizer Meister, sondern an den Gewinner der Europa League gehen würde.
Der Schweizer Meister muss, anders als in der letzten und der nächsten Saison, die Qualifikation überstehen, will er an den grösseren der beiden Honigtöpfe des europäischen Fussballverbandes gelangen. Und deswegen ist der FCB nach Posen gereist – zu einem Spiel, das Mittelfeldspieler Zdravko Kuzmanovic derart hoch einschätzt, dass er vor der Reise sogar die Geburt seiner Tochter verpasste: «Die Qualifikation ist wichtig für die ganze Region Basel», sagt der Rückkehrer aus Mailand.
Die Basler nehmen die Favoritenrolle an
Rund 150 Kilometer östlich von Berlin trifft der FCB am Mittwoch im Hinspiel der dritten Qualifikationsrunde auf den polnischen Meister Lech Posen. Im Erfolgsfall muss er die siebente Teilnahme an der Gruppenphase über die Playoffs sichern. Soweit die Ausgangslage.
Und angesichts des Gegners ist diese dritte Qualifikationsrunde eine machbare Aufgabe, wenn nicht gar Pflicht für den Verein, der sich längst an europäische Nächte gewöhnt hat.
Zdravko Kuzmanovic, in der Nacht zuvor zum zweiten Mal Vater geworden, wärmt sich für das Abschlusstraining in Posen auf. (Bild: Steffen Schmidt/freshfocus)
Lech Posen ist zwar fünffacher Meister und siebenfacher Cupsieger, allein der Vergleich der Kader spielt die Favoritenrolle aber klar den Baslern zu: Der Marktwert von Posens Mannschaft wird von transfermarkt.ch auf knapp 20 Millionen Euro geschätzt, derjenige des FCB auf über 50 Millionen Euro.
«Wir werden nach diesen beiden Spielen sehen, ob wir dieser Favoritenrolle gerecht werden», sagt Urs Fischer. Sowohl der Trainer als auch die Spieler Kuzmanovic oder Taulant Xhaka schieben die Rolle des vermeintlich stärkeren Teams nicht von sich weg.
«Wenn wir den Ball zirkulieren lassen, dann wird es für sie schwierig»
Längst ist die Haltung des FCB eine erwartungsvolle: Man will in die Königsklasse, auch wenn von offizieller Seite immer wieder zu vernehmen ist, dass die Liga der besten europäischen Teams keine Selbstverständlichkeit ist für den 18-fachen Schweizer Meister.
«Aufgrund unserer Erfahrung müssen wir gegen Posen ein gutes Resultat abliefern. Sie spielen zwar ein aggressives Pressing im Zentrum, aber wenn wir den Ball zirkulieren lassen, dann wird es für sie schwierig», sagt Kuzmanovic zur Ausgangslage.
Mit der Reise nach Posen geht es für Urs Fischer zum ersten internationalen Spiel als FCB-Trainer. (Bild: Steffen Schmidt/freshfocus)
Dass auch die polnische Presse den FCB stärker einstuft, zeigt die Frage an Fischer, was der Grund dafür sei, dass nicht die besten Spieler nach Polen mitgereist seien. Der 49-Jährige, der vor dem ersten internationalen Spiel mit seiner neuen Mannschaft steht, hat dafür nur ein Schmunzeln übrig und sagt: «Es sind doch die besten hier. Die Fehlenden sind schlicht verletzt.»
«Wenn Lech das zulässt, werden wir das machen»
Yoichiro Kakitani fehlt, bei dem sich herausstellte, dass er einen Muskelfaserriss erlitten hat, und auch Derlis Gonzalez fehlt. Die beiden sind die wichtigsten Lücken im Kader, die Pflichtaufgabe im EM-Stadion von 2012 werden andere übernehmen müssen.
Zu dieser Aufgabe gehört, dass Auswärtstore erzielt werden. Und auch in diesem Zusammenhang wird deutlich, welch fast schon demütige Rolle die Polen selbst einnehmen: Trainer Maciej Skorza soll gesagt haben, dass Basel wohl 90 Minuten lang angreifen werde.
«Wenn Lech das zulässt, dann werden wir das machen», sagt sein Antipode Fischer verschmitzt lächelnd und sichtlich entspannt.
Die vielversprechende Lockerheit
Die Lockerheit des Trainers und die gelöste Stimmung bei den Spielern lassen vermuten, dass in dieser Mannschaft eine grosse Zuversicht herrscht. Und diese Zuversicht braucht es in den ersten Qualifikationsspielen, zu Beginn einer Saison, am Anfang von fünf englischen Wochen.
Damit am Ende die Teilnahme an der Champions-League-Gruppenphase gesichert ist. Und damit der kleine Dämpfer, erlebt im April vor dem Fernseher, vergessen ist.
Die Lockerheit des Trainer (rechts) und seines Assistenten Markus Hoffmann. In der vordersten Reihe des Flugzeugs, so will es die Sitzordnung. (Bild: Steffen Schmidt/freshfocus)