Das runderneuerte Benfica: Grosser Klub auf kleinem Markt

Stolze Vergangenheit, solide Gegenwart, aber auch ein riesiger Schuldenberg: Benfica Lissabon führt unablässig Talente zur Blüte, kann sie aber nicht mehr halten. An diesem Dienstag empfangen die Adler in den Achtelfinals der Champions League Borussia Dortmund.

Football Soccer - Benfica training session - UEFA Champions League - Seixal, Portugal - 13/02/17 Benfica's players attend a training session. REUTERS/Rafael Marchante

(Bild: Reuters/RAFAEL MARCHANTE)

Stolze Vergangenheit, solide Gegenwart, aber auch ein riesiger Schuldenberg: Benfica Lissabon führt unablässig Talente zur Blüte, kann sie aber nicht mehr halten. An diesem Dienstag empfangen die Adler in den Achtelfinals der Champions League Borussia Dortmund.

Portugal ist ein kleines Land, aber es verfügt über drei grosse Sporttageszeitungen. «A Bola» war nach Benficas Heimspiel am Freitag gegen Arouca (3:0) zu entnehmen, dass schon wieder Scouts von Manchester United und Arsenal im Stadion waren. «O Jogo» wiederum informierte, dass Bayern München dem portugiesischen Meister offiziell sein Interesse an Rechtsverteidiger Nélson Semedo kundgetan habe.

Das ist alles Routine im Europameisterland, unablässige Fabrik von Talenten, Brückenkopf nach Südamerika, Durchgangsstation der Weltstars. Hier geht es ständig um Import und Export – auch wenn das letzte Transferfenster erst vor zwei Wochen geschlossen hat.

» Zum Achtelfinal-Tableau

In dem hat Benfica den 20-jährigen Halbstürmer Gonçalo Guedes verkauft, den die Presse nach einer guten Halbserie zum Teil schon als neuen Cristiano Ronaldo gefeiert hat. Das ist natürlich übertrieben, aber auch das gehört dazu, um die Geschäfte in Schwung zu halten. Paris St-Germain zahlte 30 Millionen Euro Ablöse, Berater Jorge Mendes strich eine hübsche Kommission ein, Benfica füllte die klammen Kassen ­– und Trainer Rui Vitória muss halt wieder eine Figur durch die nächste ersetzen.

Schon im Sommer verlor er mit Renato Sanches (FC Bayern) und Nico Gaitán (Atlético Madrid) seine Schlüsselspieler im Mittelfeld. Könnte Benfica seine Perlen mal zusammenhalten, würde es um den Champions-League-Titel spielen. So geht es schon in das Achtelfinale gegen Borussia Dortmund als krasser Aussenseiter.

Ein Club verzehrt sich nach der Vergangenheit

Um diese Realität zu verinnerlichen, galt es zunächst einmal, viel Stolz zu schlucken. Benfica, schillernd und erhaben, den Adler als Wappentier, über 150’000 Mitglieder (laut einer Nachzählung 2015; davor hiess es 250 000), zwei Siege im Europapokal der Landesmeister (1961 und 1962), acht weitere Europacup-Finals, allesamt verloren unter dem Bann des berühmten Guttmann-Fluchs – der Erfolgstrainer soll ihn 1962 wegen unterlassener Prämienzahlungen ausgesprochen haben.

» Kopf an Kopf: Die Situation von Benfica in der portugiesischen Liga

Wie soll sich so ein legendärer Klub nicht nach der Vergangenheit verzehren? Lange versucht Benfica das Glück zurückzukaufen und päppelte selbst seine Radabteilung so auf, dass sie mal bei der Portugal-Rundfahrt triumphierte. Doch 2003 hatte der Rekordmeister seit zehn Jahren nicht mehr die Liga gewonnen. Und war praktisch bankrott.

Nationale Vorherrschaft von Porto zurückerobert

Unter Präsident Luís Filipe Vieira wurde seitdem sukzessive die nationale Vorherrschaft vom FC Porto zurückerobert, und man ist zur erweiterten europäischen Spitze aufgeschlossen. Drei Meisterschaften, zwei Viertelfinals in der Champions League und zwei Europa-League-Finals gab es in den letzten fünf Jahren, und auch wenn das so natürlich keiner zugeben würde: man hat sich für diese Renaissance viel bei den Erzrivalen abgeschaut und gewissermassen das Beste der portugiesischen Fussball-Welten zusammengeführt.



Football Soccer - Benfica news conference - UEFA Champions League - Lisbon, Portugal - 13/02/17. Benfica's coach Rui Vitoria attends a news conference. REUTERS/Rafael Marchante

Benfica-Trainer Rui Vitoria. (Bild: Reuters/RAFAEL MARCHANTE)

Wie Porto betätigt man sich jetzt als Weiterbildungsklub: 320 Millionen Euro Transferüberschuss allein seit 2010. Und wie der Lissabonner Lokalrivale Sporting als ausgewiesener Ausbildungsverein hat Benfica im 2006 errichteten Leistungszentrum an die 50 Jugendnationalspieler produziert. Dazu wurde der eigene Mythos kommerzialisiert. 47 Prozent der Portugiesen verstehen sich als Benfica-Anhänger – für sie gibt es inzwischen alles vom Fernsehsender bis zum Museum.

Auf Platz 2 der Schuldenrangliste

Doch die Umtriebe des Präsidenten haben auch offene Fragen hinterlassen. Eine aktuelle Studie der Uefa führt Benfica mit 336 Millionen Euro Verbindlichkeiten auf Platz zwei der Schuldenrangliste Europas. Auch wenn der Verein stattliche Aktiva wie etwa sein Estadio da Luz gegenrechnen kann: der Verkauf von Guedes und die Versuche, einen der Stürmer Jonás oder Raúl Jiménez nach China zu verhökern, unterstreichen den Eindruck einer finanziellen Schieflage.

» Der Finanzbericht der Uefa, aufbereitet vom «Kurier» in Österreich

Im Sommer dürfte die Mannschaft erneut an Substanz verlieren. Als nächste Abgänge (und Studienobjekte der englischen Scouts) gelten neben Semedo der brasilianische Torwart Ederson und der schwedische Innenverteidiger Lindelöf.

Kleiner Markt für einen grossen Klub

Immerhin, gegen Arouca fügte sich das Bild harmonisch zusammen. Das Stadion war voll, der Fussball beschwingt. Mittelstürmer Mitroglu, notorisch formschwankend, scheint eine dieser Phasen erwischt zu haben, in denen er alles trifft. Nach zwei Treffern ging der Grieche schon vor der Halbzeitpause vom Platz, weil nach einem Platzverweis für Ederson ein neuer Torwart benötigt wurde.

In Unterzahl und ohne Trainer Rui Vitória (gesperrt auf der Tribüne) blieb Benfica trotzdem dominant, doch natürlich war das Arouca und kommt jetzt Dortmund. Nach einer schwachen Gruppenphase mit zehn Gegentoren und nur zwei Siegen gegen Kiew, Neapel und Besiktas wird Rui Vitória wohl lieber das Mittelfeld stärken, um die Abwehr um den 36-jährigen Kapitän Luisão besser zu schützen.

Benfica kennt seine Grenzen. Es sind die Grenzen eines Landes und eines Marktes, der eigentlich zu klein ist für einen so grossen Klub.

Rückspiele: 7./8. März und 14./15. März
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Die Achtelfinals der Champions League 2016/17
14. Februar Benfica Lissabon – Borussia Dortmund
  Paris St-Germain – FC Barcelona
15. Februar Bayern München – Arsenal FC
  Real Madrid – SSC Neapel
21. Februar Bayer 04 Leverkusen – Atlético Madrid
  Manchester City – AS Monaco
22. Februar FC Porto – Juventus Turin
  Sevilla FC – Leicester City

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