Mehr Glanz und Glamour und Grossmannssucht lässt sich wahrscheinlich kaum in einem Fussballstadion zusammenführen. Das Duell Real Madrid gegen Manchester United elektrisiert die Champions League. Und mittendrin steht einer der ungeniertesten Egozentriker der Branche, der Portugiese José Mourinho, der in Spaniens Hauptstadt allerdings auch mächtig unter Druck geraten ist.
Es ist «das Spiel, auf das die Welt gewartet hat», wie José Mourinho sagt, das Treffen der beiden grössten Marken im Fussballzirkus, das Duell der Superstars Robin van Persie und Cristiano Ronaldo. Doch Mourinho hat es mal wieder geschafft, dass die Debatten vor Real Madrids Heimspiel gegen Manchester United hauptsächlich um den portugiesischen Trainer gleisen.
Im Bernabéu inszenierte sich der 50-Jährige am Dienstag vor den Medien in der Rolle eines grossen Generals, dem am Vorabend der Schlacht die eigenen Truppen in den Rücken fallen. «Fragen Sie ihre spanischen Kollegen, die schreiben die Geschichten», sagte Mourinho einem englischen Reporter, der sich nach der Krisenstimmung bei den Königlichen erkundigte.
Als Michael Essien betonte, sein Coach sei entgegen der vielen Berichte über einen Kabinenaufstand der spanischen Spieler «immer happy», schaute Mourinho neben ihm mit eiserner Miene in die Halbdistanz. Wayne Rooney, ein «Hooligan»? Auf diese Zeile über den englischen Stürmer im Madrid-Hausblatt «Marca» angesprochen, sagte Mourinho, über ihn sei hier «schon viel Schlimmeres» geschrieben worden. Alle sind hier gegen mich, lautete seine Hauptbotschaft.
Mourinho hat die Mannschaft gespalten
Tatsächlich hat der Egomane aus Setúbal im dritten Jahr in Madrid die Kontrolle über sein Schicksal verloren. Zuletzt befand er sich 2007 beim FC Chelsea in so einer misslichen Lage, als das Verhältnis mit Eigentümer Roman Abramowitsch in die Brüche gegangen war. Sein totaler Machtanspruch in sportlichen Dingen ist bei Real-Präsident Florentino Pérez auf heftigen Widerstand gestossen, Leitmedien wie «Marca» und «AS» kritisieren ihn scharf, und die Mannschaft ist gespalten.
Die einheimische Riege um Weltmeister Iker Casillas und Sergio Ramos ist mit Mourinhos aggressiver Amtsführung nicht einverstanden. Demonstrative Strafmassnahmen, wie die Versetzung des (mittlerweile verletzten) Torhüters auf die Bank, verschärften einen Konflikt, der nur im Erfolg auszuhalten ist. Mourinhos Real Madrid aber ist, von den ewigen Spannungen zermürbt, in der Liga 16 Punkte hinter Barcelona zurück gefallen. Sogar die sonst nur belächelten Lokalrivalen von Atlético sind vier Zähler besser. Viele Anhänger empfinden diesen Zustand als Zumutung.
La Décima – die letzte Chance
Umso wichtiger ist ein Triumph in der Champions League. Seit dem letzten Erfolg (2002) sind viele Jahre ins Land gegangen, nichts wünschen sich die Weissen mehr als La Décima, den zehnten Europapokal. Mourinho wurde nach seinem zweiten Champions-League-Sieg, 2010 mit Internazionale, explizit geholt, um Madrids Warten zu beenden. Zwei Mal schaffte er bis ins Halbfinale. Dies ist seine letzte Chance. Er braucht nicht weniger als den Final-Sieg im Wembley, um mit intaktem Ego aus der Sache heraus zukommen.
Sein Madrid ist Favorit gegen United, die Spanier sind insgesamt besser besetzt. Doch Mourinho, der es bei Porto, Chelsea und Inter wie kein Zweiter schaffte, die ganze Mannschaft auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören, traut seiner Elf nicht vollkommen über den Weg. Der Portugiese versucht, die Bedeutung des Matches herunter zu spielen. «Es ist schön, wenn Madrid seinen zehnten Europapokal und ich meinen dritten gewinnen sollte, aber wenn nicht, gibt es immer auch ein nächstes Jahr», sagte er, «ich glaube nicht, dass ich meine Karriere mit zwei Champions-League-Titeln beenden werde.»
Sehnsucht nach England
Wenn man ihn nicht mehr wolle, würde er eben anderswo gewinnen, wollte er damit sagen, und um es noch deutlicher zu machen, sprach er wie schon so oft von einer Rückkehr nach England in die Premier League. «Nach Real Madrid wird das mein nächster Schritt sein», sagte er mit der Gewissheit eines Mannes, der sich nur noch zwischen den besten Angeboten entscheiden muss.
In Wahrheit dürfte er zur Zeit keine konkrete Offerte auf der Insel haben. Beim FC Chelsea kann man sich das Comeback des streitbaren Zampanos nur als absolute Notlösung vorstellen, beim Scheichclub Manchester City hat man sich noch nicht entschieden, ob Coach Roberto Mancini weiterbeschäftigt wird.
Der Lakmustest für die Red Devils
Am liebsten würde Mourinho Alex Ferguson beerben, doch der 71-Jährige denkt nicht daran, in Rente zu gehen. Das Match im Bernabéu sieht der Coach des souveränen Tabellenführers (zwölf Punkte Vorsprung vor Man City) zwar auch als Lakmustest, aber auf die Probe wird dabei nicht er, sondern seine Elf gestellt. «Wir sind besser als viele denken», insistiert Ferguson, denn trotz Uniteds Siegesserie in der Liga trauen in England nicht viele den Red Devils den ganz grossen Wurf zu.
Der Druck ist unabhängig davon sehr ungleich verteilt. Sir Alex dürfte im Falle eines Misserfolgs in Ruhe weiter an der Verbesserung des Kaders arbeiten, für Mourinho aber wäre es eine bittere persönliche Niederlage mit Folgen. Das Aus in der Zwischenrunde würde seinen Abgang zum Saisonende bei den Königlichen besiegeln.
Viertelfinals: 2./3. und 9./10. April | Halbfinals: 23./24. April und 30.4./1. Mai Final: 25. Mai in London, Wembley |
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Champions League, Achtelfinals | |||
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Dienstag, 12. Februar, 20.45 Uhr | Rückspiel | ||
Celtic Glasgow | Juventus Turin | 0:3 | 6.3. |
FC Valencia | Paris St. Germain | 1:2 | 6.3. |
Mittwoch, 13. Februar, 20.45 Uhr | |||
Schachtjor Donezk | Borussia Dortmund | 5.3. | |
Real Madrid | Manchester United | 5.3. | |
Dienstag, 19. Februar, 20.45 Uhr | |||
FC Arsenal | Bayern München | 13.3. | |
FC Porto | FC Malaga | 13.3. | |
Mittwoch, 20. Februar, 20.45 Uhr | |||
Galatasaray | Schalke 04 | 12.3. | |
AC Milan | FC Barcelona | 12.3. |