Lange Zeit wehrten sich die Exponenten des letzten Grand-Slam-Turniers der Saison dagegen, infrastrukturelle Veränderungen vorzunehmen. Nun erhält das Arthur-Ashe-Stadium ein Dach – man dürfe wieder stolz auf das Turnier sein, sagen die Grossen der Branche.
Es war eines der grössten Chaosjahre bei den US Open, 2010, als sich inmitten von Regenturbulenzen, Spielabsagen und Organisationspannen eine leicht bizarre Szene abspielte. Der grantige Turnierdirektor Jim Curley trat im grossen Interviewraum vor die Presse und verkündete trotzig wie ein Kind: «Andere Turniere haben viel grössere Probleme mit dem Wetter.»
US Open 2015
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Und überhaupt: «Wir denken gar nicht daran, ein Dach über dem Centre Court zu installieren.» Unfreiwillig erinnerte das an den Spruch des ostdeutschen Staatslenkers Walter Ulbricht, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu bauen.
Curley, der New Yorker der grossen Worte, ist längst Geschichte, abgelöst in seinem Job. Und wer nun fünf Jahre später einen Blick auf den amerikanischen Grand Slam wirft, kommt aus dem Staunen über die Zeitenwende nicht mehr heraus: Über dem grössten Tennisstadion der Welt, der Arthur-Ashe-Arena, werden bereits die kühnen architektonischen Züge einer mächtigen Dachkonstruktion sichtbar – des Regenschirms von New York, der den Hauptplatz ab 2016 vor Wetterunbill bewahren soll.
Der zurückgekehrte Stolz
Auch ein neuer Platz entsteht gerade auf der Südseite des Billie Jean King National Tennis Centers und erhöht in Zukunft das Zuschauererlebnis. Ein Court, in Form und Gestalt angelehnt an die Pariser Stierkampf-Arena.
«Die schlimmen Jahre sind vorbei», sagt John McEnroe, lange Zeit der lauteste Kritiker des amerikanischen Tennisverbands USTA, «es gibt Grund, stolz auf dieses Turnier zu blicken.» McEnroe hatte stets über Jahre das fehlende Centre-Court-Dach bemängelt: «Das war ein Jahrhundertfehler, eine Todsünde», so McEnroe, «zum Glück wird das jetzt noch ausgebügelt.»
«Und dann gibt es noch das US Open»
Es scheint fast, als würde das grandiose, oft aber auch völlig konfuse Spektakel im Big Apple gerade erwachsen. Nach Jahren, in denen der Irrwitz Methode hatte beim letzten der vier Grand-Slam-Turniere der Saison – nicht zuletzt wegen der fünfmaligen Verschiebung des Herrenfinales, einem peinlichen Diktat des Turnierablaufs durch übermächtige TV-Netzwerke und einer ärgerlichen Ignoranz der Turnierbosse.
«Es gibt 100 Turniere im Tennis – und dann gibt es noch das US Open», hatte einst Boris Becker festgestellt und das keineswegs als Kompliment gemeint. Der Kroate Goran Ivanisevic, vielgerühmter «Herr der Asse», war in seiner Profizeit sogar so weit gegangen, «am liebsten eine Atombombe über der Anlage» abwerfen zu wollen.
Kein «Super Saturday» mehr
Doch auch der absurde und abenteuerliche Spielplan, der ganze Profigenerationen von Borg über Becker bis hin zu Federer und Co. auf die Palme brachte, gehört nun der Vergangenheit an. Es gibt keinen «Super Saturday» mehr, einst der umstrittenste Tennistag überhaupt, an dem die Herren 24 Stunden vor dem Endspiel noch ihre Halbfinals austragen mussten.
Mit der Überdachung schaffen sich die Organisatoren Planungssicherheit. (Bild: Keystone/KATHY WILLENS)
Es gibt auch kein Montagsfinale mehr, so wie in den Kompromissjahren 2013 und 2014, als die USTA auf Drängen der Profigewerkschaften 48 Stunden zwischen den Halbfinals und dem Final bei den Herren legte.
Das Ende der lähmenden Alleinherrschaft eines TV-Senders
Und es gibt auch keine lähmende Alleinherrschaft eines Fernsehgiganten wie CBS mehr, der die US-Open-Bosse und den Spielertross wie Marionetten seiner Interessen behandelt hatte. CBS hat sich nach drei Jahrzehnten der US-Open-Diktatur vom New Yorker Tennisschauplatz verabschiedet, nun sendet ganz allein der Sportsender ESPN.
Und der hat offenbar kein Problem damit, dass ein ganz klassischer Turnierplan abgespult wird, so geordnet wie etwa in Wimbledon. Auch mit Damenfinal am Samstag und Herrenfinal am Sonntag. «Das ist eine Normalität, die man sich immer gewünscht hat», sagt Roger Federer, «es ist auch ein Stück Fairness gegenüber den Spielern.»
Gegen die akute Hitze in New York können allerdings auch die Turniermanager nichts ausrichten. Schon seit Tagen lastet drückende Schwüle über dem Grand-Slam-Areal, klebrige Hitze steht in der Luft.
Nadal: «Das Turnier ist nicht fair zu den Spielern»
Allein in der ersten Runde gaben zwölf Spieler ihre Matches auf, eine bittere Rekordmarke in der modernen Tennisgeschichte für alle Major-Wettbewerbe. Ein hausgemachtes Problem allerdings – und überhaupt keins des US Open.
Denn zu den Kränkelnden und Schwächelnden gehören auch einige, die sich zwischen den letzten beiden Spielzeiten keine Pause gönnten und lieber dem schnellen Geld diverser Schaukampfserien hinterherhechelten.
2009, nach einer beispiellosen Pleiten- und Pannenserie, hatte Rafael Nadal einmal gesagt: «Das Turnier ist nicht fair zu den Spielern.» Im Umkehrschluss könnte man jetzt fast sagen: Viele Rückzüge zeugen von mangelnder Fairness gegenüber einem der grössten Turniere der Welt und dessen Fans.