Del Potro streut Sand ins Getriebe der Geschichte

Roger Federer unterliegt im Final seines Heimturniers Juan Martin Del Potro. Nichts weniger als Geschichte zu schreiben wäre für ihn möglich gewesen – in vielerlei Hinsicht.

Argentina's Juan Martin Del Potro holds the trophy after winning the final match against Switzerland's Roger Federer during the Swiss Indoors tennis tournament at the St. Jakobshalle in Basel, Switzerland, on Sunday, October 27, 2013. (KEYSTONE/Ennio Lean (Bild: Keystone/ENNIO LEANZA)

Roger Federer unterliegt im Final seines Heimturniers Juan Martin Del Potro. Nichts weniger als Geschichte zu schreiben wäre für ihn möglich gewesen – in vielerlei Hinsicht.

Roger Federer kennt sie gut, die Rendezvous mit der Geschichte. Im Final der Swiss Indoors 2013 hatte er einmal mehr ein solches. Doch das Treffen kam nicht zu Stande. Juan Martin Del Potro streute Sand ins Getriebe der Geschichte: in Form eines 7:6, 2:6, 6:4-Sieges an Federers Heimturnier.

Del Potro war vor allem mit seinem Service gegen Ende des Spiels unwiderstehlich; Federer fand im dritten Satz keinen Weg mehr, sich in Del Potros Aufschlagsspiele reinzubeissen. «Die letzten beiden Service-Games waren die besten meines Turniers», sagt Del Potro und fügt an: «Mein Aufschlag funktioniert in den wichtigen Momenten ausgezeichnet.»

Federer und die ungewöhnlichen Doppelfehler

Diese Qualität schrieb man in seinen besten Zeiten Roger Federer zu, der sich wenig überzeugt zeigte von seiner diesbezüglichen Leistung: «Ich habe ihm das Break zu Beginn des dritten Satzes zu einfach überlassen. Zudem passierten mir in einem Game drei Doppelfehler, das hat es bei mir noch nie gegeben. Früher habe ich Grand-Slam-Titel gewonnen und im ganzen Turnier deren fünf produziert.»

Trotzdem zeigte er phasenweise, dass er weiterhin superbes Tennis spielen kann. Federer scheint wieder Vertrauen in sein Spiel gefunden zu haben. Er rettete sich aus heiklen Momenten mehrere Male mit vier Punkten in Serie, schloss die Ballwechsel zuweilen mit unerreichbaren Stoppbällen ab und führte den Zuschauern vor Augen, dass seine 32 Jahre kein Grund sind, in längeren Ballwechseln nicht mehr zu bestehen.

Geschichte wiederholt sich nicht

Für Federer ist die Dreisatzniederlage die zweite im dritten Final dieses Jahres, nachdem er in Rom 1:6, 3:6 gegen Rafael Nadal unterging. Einzig in Halle gewann er ein ATP-250-Turnier. Auch ist sie die zweite Finalniederlage in Folge an den Swiss Indoors – bereits letztes Jahr unterlag er hier dem Argentinier. 

Das letzte Mal, als der Schweizer zweimal hintereinander gegen den gleichen Spieler anzutreten hatte, gewann er den zweiten Final, nachdem er den ersten verloren hatte. Gegner 2010 und 2011 war der Serbe Novak Djokovic – die Geschichte wiederholte sich 2013 nicht.

Del Potro verkürzt dank des Sieges das Head-to-Head gegen Federer auf 5-13. Das ist weiterhin eine klare Bilanz zu Gunsten des Schweizers. Allerdings gehen alle fünf Siege Del Potros auf geschichtsrelevante Partien zurück: Dreimal gewann die Nummer 5 der Welt in Endspielen, davon zwei in Basel und 2009 eines am Grand-Slam-Turnier  in New York; dazu kommen zwei Siege an den ATP-World-Tour-Finals.

Geschichte wird nicht geschrieben – zum Ersten …

Für diese hätte sich Federer mit einem Sieg im Final der Swiss Indoors definitiv qualifiziert – und sich damit die zwölfte Teilnahme in Folge gesichert. Es wäre eine geschichtsträchtige Qualifikation gewesen: Nur Ivan Lendl hat zwölfmal in Folge am Turnier der besten acht Spieler der Saison teilgenommen. Von 1981 bis 1991.

Beim letzten Turnier des Jahres in Paris-Bercy müssten mehrere Unwahrscheinlichkeiten zusammenkommen, um Federers Teilnahme in London noch zu verhindern. Die Egalisierung des Rekords Ivan Lendls wurde durch die Finalniederlage Federers folglich nur aufgeschoben. Auch, weil er in diesem Jahr besondere Mühe gegen Top-Ten-Spieler bekundet. Nur einmal bezwang er mit dem Franzosen Jo-Wilfried Tsonga einen solchen. In sieben Anläufen. 

… und zum Zweiten

Federer hätte mit dem Sieg gegen Del Potro seinen sechsten Titel in Basel geholt. Es wäre die Verbesserung seines eigenen Rekordes, den er vor dem Schweden Stefan Edberg (3) hält. Vor allem aber hätte er seinen 78. Karriere-Titel gewonnen – und damit John McEnroe überholt, der wie Federer 77 Titel auf dem Konto hat. Vor den beiden stehen nur noch Ivan Lendl mit 94 Titeln und Jimmy Connors mit deren 109.

«Eine gute Woche geht für mich zu Ende, am Schluss habe ich wirklich gut gespielt», sagt Federer. Dass der einstige Branchenprimus McEnroe überholen und Lendl sowie Connors zumindest ein wenig näher kommen wird, scheint nach der Leistung in Basel ausser Frage zu stehen.

Die nächste Möglichkeit bietet sich ihm in Paris nächste Woche und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in London. Unter den Augen John McEnroes, der wohl für die BBC anwesend sein wird und nur darauf wartet, dereinst seine Rückstufung auf Rang vier in der ewigen Rangliste der Karrieretitel kommentieren zu müssen.

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