Roger Federer darf auf einen weiteren Rekord stolz sein. 300-mal ging er an den grössten Turnieren als Sieger vom Platz. Der Baselbieter übt sich nach dem Drittrundenspiel in Melbourne aber in Selbstkritik.
Wo es einmal mit seiner Karriere hingehen würde, war noch längst nicht ausgemacht. Damals, im Januar des Jahres 2000. Bei den Australian Open, bei jenem Grand-Slam-Turnier, bei dem Roger Federer seinen allerersten Sieg auf einer der vier grossen Bühnen überhaupt feierte.
Gegen Michael Chang war das, «ein grosser Moment, ein Matchgewinn gegen einen grossen Namen», sagt Federer. Viel, sehr viel ist seit jenen Tagen passiert.
Federer wurde vom vielversprechenden Talent zum erfolgreichsten Spieler der modernen Tennisgeschichte, zu einem, der grösser als sein Sport selbst wurde. Zur Nummer 1, zum planetar verehrten Maestro, zum Elder Statesman. Und natürlich zum Eroberer und Jäger aller nur denkbaren Rekorde.
Another record for @rogerfederer… ? #AusOpen pic.twitter.com/eHbfEO5ak5
— Australian Open (@AustralianOpen) 22. Januar 2016
Eine dieser Bestmarken, die vermutlich noch kleine oder grössere Ewigkeiten nach seinem Karriereende halten werden, hat Federer bei den laufenden Australian Open aufgestellt – 16 Jahre nach dem Duell mit Dauerläufer Chang.
Seit einiger Zeit ist Federer der Spieler mit den meisten gewonnenen Grand-Slam-Einzeln überhaupt, doch mit dem 6:4, 3:6, 6:1 und 6:4 Erfolg gegen den Bulgaren Grigor Dimitrov machte der Schweizer wieder einmal eine runde Zahl voll. Sage und schreibe 300 Siege sind es nun, die er in Melbourne, Paris, Wimbledon und New York in sein Arbeitszeugnis geschrieben hat.
«Ein stolzer Rekord. Das ist schon ein grosser, spezieller Moment für mich», sagte er nach dem Match und seinem Einzug ins Australian-Open-Achtelfinale. 78-mal hat er nun an diesem Turnier ein Spiel gewonnen.
Welch eine Zahl, aber auch welch eine Ausdauerleistung Federers! Denn seit jenem Startschuss-Sieg gegen Chang hat der Vater von Zwillingsmädchen und Zwillingssöhnen kein einziges Grand-Slam-Turnier verpasst, 65 Mal war er hintereinander an Ort und Stelle bereit für den zweiwöchigen Abnützungskampf – auch dies eine einsame Bestleistung.
Los 300 triunfos de Roger #Federer en Grand Slam Australian Open: 78 Wimbledon: 79 US Open: 78 Roland Garros: 65 pic.twitter.com/KLavpInZgY
— Javier Panzardo (@Javier_Panzardo) 22. Januar 2016
«Vor dem, was Roger da leistet, kann man nur den Hut ziehen», sagt der ehemalige Weltranglisten-Erste Mats Wilander (Schweden). Sicher: Spieler früherer Generationen nahmen nicht jährlich an allen Grand Slams teil, darauf wies auch Federer hin. Und doch: Ob noch einmal einer von 18 bis ganz weit in seine Dreissiger hinein so viele Siege aufaddieren kann wie der Schweizer, bleibt offen.
Selbstkritische Matchanalyse
Aktuell könnte das nur einer schaffen – der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic, der zurzeit 210 Siege aufweist und noch nicht die geringsten Ermüdungserscheinungen zeigt. Bald schon könnte Djokovic wenigstens den amerikanischen Tennis-Rentner Jimmy Connors überholen. Der frühere Strassenkämpfer liegt mit 233 Einzelsiegen auf Rang 2 der ewigen Bestenliste.
Federer musste sich am Freitag ein wenig zwingen, seine neue Rekordmarke halbwegs zu geniessen. Denn mit seinem Auftritt gegen Dimitrov war der 17-malige Grand-Slam-Sieger keinesfalls zufrieden, weder in der Rod-Laver-Arena noch in der folgenden unmittelbaren Matchanalyse.
«Extrem» habe er sich konzentrieren und «zusammenreissen» müssen, um nicht erst die Linie und dann das Spiel zu verlieren: «Es war schon ein wahnsinniger Fight, das nach Hause zu bringen.»
Das Publikum geht weniger kritisch mit Federers Leistung um als der Spieler selber: Seit Jahren ist das Zuschauerinteresse riesig, wo auch immer der Schweizer auftaucht. (Bild: LYNN BO BO)
Federer spielte vor allem auf die zu hohe Summe einfacher Fehlschläge an. Tatsächlich standen am Ende der Drittrundenpartie den 48 Gewinnschlägen nicht weniger als 55 unerzwungene Fehler gegenüber.
«Viel Selbstvertrauen kannst du daraus nicht schöpfen», sagte sich Federer im ersten Ärger, schwenkte dann aber um: «Irgendwann musst du auch mit der Selbstkritik aufhören. Denn immerhin war im letzten Jahr an dieser Station Schluss.» Da musste Federer nach dem Drittrunden-Aus gegen den Südtiroler Andreas Seppi schon den Heimflug buchen.
Federers nächster Gegner ist der Belgier David Goffin, ein wuseliger Renner mit guter Technik. Federer hat sich zwar durchaus schwer getan gegen Goffin, aber alle drei Vergleiche gewonnen. «Gegen David musst du auf der Hut sein», sagt Federer, «er hat die Qualität, um jederzeit gegen jeden zu gewinnen.»
Neben Federer rückte auch Belinda Bencic ins Achtelfinale vor, durch einen 4:6, 6:2, 6:4 Sieg über die Ukrainerin Kateryna Bondarenko. Nach dem erstmaligen Sprung in Melbourne in die Runde der letzten Sechzehn bekommt Bencic nun eine knifflige, aber nicht unlösbare Aufgabe gegen Superstar Maria Scharapowa vorgesetzt.
Die Anspielzeiten sind ungefähr und hängen vom restlichen Programm ab. Den ganzen Spielplan gibt es hier. | ||
Australian Open 2016 – Die Spiele der SchweizerInnen (Einzel) | ||
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1. Runde | Belinda Bencic – Alison Riske | 6-4, 6-3 |
1. Runde | Carla Suárez Navarro – Viktorija Golubic | 7-5, 6-4 |
1. Runde | Roger Federer – Nikolos Bassilaschwili | 6-2, 6-1, 6-2 |
1. Runde | Katerina Siniakova – Timea Bacsinszky | 3-6, 5-7 |
1. Runde | Dmitrij Tursunow – Stanislas Wawrinka | 6-7(2), 3-6, Ret. |
2. Runde | Roger Federer – Alexander Dolgopolow | 6-3, 7-5, 6-1 |
2. Runde | Belinda Bencic – Timea Babos | 6-3, 6-3 |
2. Runde | Annika Beck – Timea Bacsinszky | 6-2, 6-3 |
2. Runde | Radek Stepanek – Stanislas Wawrinka | 6-2, 6-3, 6-4 |
3. Runde | Roger Federer – Grigor Dimitrov | 6-4, 3-6, 6-1, 6-4 |
3. Runde | Belinda Bencic – Kateryna Bondarenko | 4-6, 6-2, 6-4 |
3. Runde | Lukas Rosol – Stanislas Wawrinka | 23.1. 04.00 Uhr |
Achtelfinale | Belinda Bencic – Maria Scharapowa | 24.1. |
Achtelfinale | Roger Federer – David Goffin | 24.1. |