Diesmal siegt die Party über den Protest: Fussball-Brasilien berauscht sich an dem 3:0-Endspielsieg beim Confederation Cup über Weltmeister Spanien, das erstmals seit der Niederlage gegen die Schweiz wieder verliert.
Sie lagen sich in den Armen, sangen die Hymne gemeinsam voller Inbrunst und Leidenschaft und stimmten sich zusammen auf ein noch grösseres Ereignis ein. Brasiliens Fussballfans und die Selecao feierten gemeinsam den schönsten Sonntag seit Jahren an einem legendären Ort: dem Marcana-Stadion.
Am 14. August empfängt die Schweizer Nationalmannschaft den Rekordweltmeister Brasilien in Basel zu einem Freundschaftsspiel. Anstoss der Partie im St.-Jakob-Park ist um 20.45 Uhr. Der Vorverkauf läuft seit Freitag, und am ersten Tag gingen bereits mehr als 12’000 Tickets weg.
Der 3:0-Erfolg über Welt- und Europameister Spanien im Endspiel um den Confederations Cup wirkt wie ein Versprechen auf einen noch viel wertvolleren Titelgewinn. 2014, darauf haben sich das Land und seine Lieblingsmannschaft beim kleinen Triumph in Rio de Janeiro eingeschworen, soll die sechste Weltmeisterschaft her.
Die Intensität, in der sich die erste Elf und der «zwölfte Mann» zusammenschlossen, war ein erstes weltweit sichtbares Zeichen dafür, dass Brasilien auf dem Weg zurück zur Fussball-Vormacht ist. «O campeao voltou», «der Champion ist zurück», sangen die beseelten Massen im Kanarien-Einheitsgelb, das diesen Feiertag in der mythischen und frisch renovierten Arena kolorierte.
Erneut Proteste vor dem Stadion
Die Mannschaft in den gelben Trikots liess sich von diesem «Extrakick» beflügeln wie noch nie in diesem Turnier, das Brasilien mit neuer Kraft und neuer Vitalität dominierte. Und der Baumeister dieses neuen Fussball-Brasiliens, Trainer Luiz Felipe Scolari, wurde fast pathetisch, als er hervorhob: «Wir wollen Brasilien auf unserem Spielfeld mit Würde vertreten.»
Unweit des Stadions wurde die Würde eher mit Füssen getreten, als wieder einmal Randalierer den friedlichen Protest von 5000 Demonstranten gegen die Missstände im Lande und die Verschwendungssucht rund um die WM 2014 zum Anlass nahmen, Steine zu werfen und mit dem Feuer zu spielen. Tränengas und Lärmgranaten waren die Antwort der Polizei auch am letzten Tag des Konföderationenturniers.
Neymar mit patriotischem Grundton
Diesmal aber siegte die Party gegen den Protest, und auch Spieler und Trainer der Seleção. In den vergangenen zwei Wochen waren sie nicht müde geworden waren, Verständnis für die friedlichen Protestierer zu zeigen, wollten nur noch ihren Gemeinschaftserfolg auskosten.
«Brasilien hat der Welt gezeigt, dass die Seleção zurück ist», jubilierte Neymar, der beste Spieler des Turniers, der auch im Finale wieder ein sehenswertes Tor mit einem Schuss unter die Latte (44. Minute) erzielte.
Der Einundzwanzigjährige stimmte in den patriotischen Grundton ein, den sein Coach vorgegeben hatte, als er beim Blick auf die von ihm besiegten künftigen Mannschaftskameraden des FC Barcelona sagte: «Ich habe grossen Respekt und viel Bewunderung für sie, aber heute musste ich mein Land, meine Kameraden und meine Familie verteidigen. Deshalb musste ich die Spanier in Schwierigkeiten bringen.»
Spaniens erste Niederlage seit dem 0:1 gegen die Schweiz
Piqué, mit dem er demnächst im Nou-Camp-Stadion gemeinsam auftritt, sah nach einem Notbremsenfoul an dem trick- und fintenreichen Jungdynamiker sogar die Rote Karte (68.), als Spanien durch die Treffer von Fred (2./47.) und Neymar längst geschlagen war. Die Iberer wirkten nach ihren Hitzeduellen in Fortaleza gegen Nigeria und Italien ausgelaugt. In Rio gelang ihnen fast nichts mehr. Sergio Ramos verschoss passend zu einem Tag des Missvergnügens auch noch einen Foulelfmeter (55.), während Pedro seinen Augen nicht traute, dass David Luiz mit einer fabelhaften Rettungstat ein sicher geglaubte Tor des Spaniers verhinderte (41.).
Trainer Vicente del Bosque bewertete die erste Pflichtspielniederlage seines Teams nach 29 unbesiegten Begegnungen vergleichsweise mild. «Brasilien», sagte er, «war an diesem Tag einfach besser, mehr nicht.» Die letzte Niederlage datiert fast genau zwei Jahre zurück, es war jenes 0:1 gegen die Schweiz in der Vorrunde der Weltmeisterschaft 2010.
Ein Sieg für die angeschlagene Reputation der Seleção
Das 0:3 von Maracana schon als verlässliches Signal in Richtung Wachablösung bei der WM in einem Jahr zu interpretieren, wäre voreilig. Immerhin aber haben sich die Brasilianer nach zuvor mässigen Testspielen wieder als Fussball-Grossmacht zurückgemeldet und damit viel für ihr eigenes Selbstbewusstsein und die zuletzt leicht beschädigte Reputation der Seleção getan.
«Der Sieg», sagte Scolari, «gibt uns den Glauben, um die Weltmeisterschaft 2014 mitspielen zu können.» Gegen Länder wie Deutschland, Spanien, Italien oder Argentinien, die selbst höchste Ansprüche geltend machen. Dahin zu kommen, wo diese Mannschaften schon seien, nannte Scolari seine Kernaufgabe für die nächsten Monate.
Baumeister heisst wie schon 2002 Scolari
Seine Spieler, die «noch viel zu lernen» hätten, kapieren schneller als geglaubt, worauf es für Meister in spe ankommt. Mit ihrer Aggressivität, ihrem Offensivpressing, ihrem direkten Spiel in die Spitze machten sie den müden Spaniern das Leben im Maracana zur Hölle, befeuert von den Begeisterungsstürmen der Zuschauer.
Scolari hat es 2002 schon einmal geschafft, aus einem verunsicherten Team eine Weltmeistermannschaft zu formen. So wie seine Spieler die Generalprobe für die WM 2014 unverhofft zu einem brasilianischen Fussballfest machten, ist auch ihnen für das kommende Jahr ein Coup zuzutrauen. Die Fans haben hierfür den Ton vorgegeben. «O Campeao voltou», der Champion ist zurück.
Brasilien–Spanien 3:0 (2:0)
Maracaná, Rio de Janeiro. – 75’000 Zuschauer (ausverkauft). – SR Kuipers (Ho).
Tore: 2. Fred 1:0. 44. Neymar 2:0. 47. Fred 3:0.
Brasilien: Julio César; Dani Alves, Thiago Silva, David Luiz, Marcelo; Luiz Gustavo, Paulinho (87. Hernanes); Hulk (72. Jadson), Oscar, Neymar; Fred (80. Jô).
Spanien: Casillas, Arbeloa (46. Azpilicueta), Piqué, Ramos, Alba; Xavi, Busquets, Iniesta; Pedro, Torres (59. Villa), Mata (52. Navas).
Bemerkungen: 55. Ramos verschiesst Foulpenalty. 68. Rote Karte gegen Piqué (Notbremse-Foul). Verwarnungen: 15. Arbeloa (Foul). 28. Ramos (Foul).
Spiel um Platz 3
Uruguay – Italien 2:2 (2:2, 2:2, 0:1) n.V.; 2:3 n.P.
Salvador. – 43’832 Zuschauer. SR Haimoudi (Alg).
Tore: 24. Astori 0:1. 58. Cavani 1:1. 73. Diamanti 1:2. 78. Cavani 2:2. – Penaltyschiessen: Forlan – (scheitert), Aquilani 0:1; Cavani 1:1, El Shaarawy 1:2; Suarez 2:2, De Sciglio – (scheitert); Caceres – (scheitert), Giaccherini 2:3; Gargano – (scheitert).
Uruguay: Muslera; Maxi Pereira (81. Alvaro Pereira), Lugano, Godin, Caceres; Gargano, Arevalo (107. Perez), Cristian Rodriguez (56. Gonzalez); Forlan; Cavani, Suarez.
Italien: Buffon; Maggio, Astori (96. Bonucci), Chiellini, De Sciglio; Candreva, De Rossi (70. Aquilani), Montolivo; Diamanti (83. Giaccherini), El Shaarawy; Gilardino.
Bemerkungen: Gelb-Rote Karte gegen Montolivo (110./Foul). Verwarnungen gegen Maxi Pereira, Suarez; Chiellini.