Der eine sorgt mit schnellem Antritt für Aufsehen und geht mit Torchancen bisweilen etwas gar verschwenderisch um. Der andere verrichtet seine Arbeit schon fast still und leise. Mohamed Salah und Mohamed Elneny bestimmen den Puls des FC Basel mit. Im Cupfinal gegen die Grasshoppers wird Salah allerdings gesperrt fehlen.
Der Chef lacht. Und wenn er nicht lacht, dann schaut er meist bloss deswegen einigermassen ernst in die Gegend, um seinem Gegenüber nicht sofort zu verraten, dass er ihm gerade einen Bären aufzubinden versucht. Etwa, wenn ihn Josef Zindel fragt, ob diese Vorwahl auf dem Mobiltelefon da eine ägyptische sei. «Tunesien», sagt er dann dem Pressesprecher des FC Basel. Obwohl er keine Ahnung hat, was das für eine Vorwahl ist.
Der Chef, das ist Mohamed Salah. Zumindest, wenn es um die Hierarchie zwischen den beiden Ägyptern im Dress des FCB geht. Zweifel ausgeschlossen. «Er», sagt Mohamed Elneny auf die Frage nach dem Anführer der beiden. «Ich», sagt Mohamed Salah.
Mohamed Seif ist Sportjournalist in Kairo und seit Juni 2012 Betreiber der Seite www.kingfut.com, die über den ägyptischen Fussball und so auch über Mohamed Salah berichtet. Er erklärt, welchen Stellenwert der Offensivspieler in Ägypten besitzt.
Mohamed Seif, wie wird Mohamed Salah in Ägypten wahrgenommen?
Als Shaqiri nach München wechselte und Salah nach Basel, hatten die Ägypter den Eindruck, dass Salah gekauft worden sei, um Shaqiri zu ersetzen. Das ist eine grosse Sache, denn Shaqiri war ein sehr wichtiger Spieler für Basel. Man hat abgewartet, was wohl daraus werden würde; er war nämlich keine grosse Figur in der ägyptischen ersten Liga. Er hatte aber gleichzeitig diesen gewissen Flair, weshalb die Leute darauf gespannt waren, was er tun würde. Es war grossartig als er begann, eine gute Leistung zu bringen und Tore zu schiessen.
Inwiefern wird das in den ägyptischen Medien widerspiegelt?
Ägyptische Zeitungen und Webseiten schreiben über ihn. Wir haben nicht viele Spieler, die ins Ausland wechseln, also macht dieser Fakt alleine Schlagzeilen. Bei Salah kommt dazu, dass er zu einem Club wie dem FCB gewechselt ist, der als Ziel hat, in der Champions League zu spielen. Die Leute in Ägypten wissen jetzt, dass er ein ziemlich guter Spieler ist.
Gab es Reaktionen, als Salah mit dem FCB in der Europa League für Furore sorgte?
Es gab definitiv positive Reaktionen. Die Leute beobachten Basel momentan ziemlich genau. Aber der FCB kann bei allem Respekt für Salah eben doch bloss ein Sprungbrett sein. Wenn es so weit ist, werden sich die Ägypter freuen, dass er zu einem grösseren europäischen Club wechseln kann.
Und eigentlich hätte es die Frage gar nicht gebraucht. Wer auch nur fünf Minuten mit am Tisch sitzt während dieses Doppel-Interviews mit den beiden 20-Jährigen, weiss, wer hier das Sagen hat. Je länger das Gespräch dauert, desto weiter nach hinten rutscht Elneny in seinem Korbsessel, bis er fast darin versinkt.
Elneny schweigt. Elneny schaut Salah zu, wie der seine Spässe treibt. Der Dolmetscher wiederum ist von Salahs Präsenz so eingenommen, dass er unversehens Fragen, die eigentlich Elneny gestellt werden, an Salah richtet. Und wenn Elneny doch mal spricht, dann greift ihm Salah lachend in die Hände, die sein Landsmann braucht, um seine Aussagen zu unterstreichen.
Nur im Doppelpack
Die beiden scheinen neben dem Feld tatsächlich fast genau gleich zu ticken wie auf dem Rasen. Hier der schnelle, quirlige Salah, der einen oder anderen Extravaganz nicht abgeneigt. Dort der zurückhaltende, ernsthafte, manchmal fast unsichtbare Elneny. Wobei Salah im Gespräch zusätzlich den Vorteil besitzt, dass er bereits einige Brocken Deutsch versteht.
Tiefgründigeres ist nicht zu erfahren von den beiden, die sich in diesem Frühjahr unter Trainer Murat Yakin in die Basler Stammformation gespielt haben. Was auch am Anlass selbst liegt, an dem BaZ, BZ, NZZ und Tageswoche gemeinsam gleich beide Ägypter befragen, die es nur im Doppelpack zu geben scheint. Je besser sie zuletzt gespielt haben, um so mehr Interview-Anfragen sind für Salah und Elneny eingegangen. Aber Interviews scheinen nicht die Lieblingsdisziplin der beiden zu sein. Also gab es keine Termine, oder sie wurden verschoben, oder die Anfrage versandete.
Locker auf dem Rasen, flockig im Interview
Jetzt, da das Gespräch doch noch zustande gekommen ist, wird schnell klar: Für Salah ist das Ganze ein Spiel. So locker er über den Rasen flitzt, so scheinbar nonchalant er manch grosse Chance verdaddelt, so flockig beantwortet er auch Fragen. Nein, auf kulturelle Hürden sei er in Basel nicht gestossen (an dieser Stelle muss Pascal Naef lachen, der die beiden Mohameds beim FCB betreut). Der Unterschied zu Ägypten sei, «dass hier alles besser ist».
Ja, da ihm Alex Frei keine wertvollen Tipps mehr zum Torschuss geben kann, hole er sich bei anderen Spielern Rat. Bei wem? «Bei Gilles Yapi.» Ja, klar. Bei wem sonst, als beim Ivorer, der in bislang 48 Ligaspielen für den FCB ganze drei Tore geschossen hat?
Und wenn er nicht Fussballer geworden wäre, «dann vielleicht Taxifahrer». Ist natürlich Quatsch, weil in Ägypten der Sohn des Verwaltungs-Chefs eines Spitals niemals freiwillig diesen sozialen Abstieg antreten würde.
Die Katastrophe von Port Said und der FC Basel
In einem aber wird sogar Salah ernst. Nein, er sei nicht bloss wegen der Stadionkatastrophe in Port Said beim FCB gelandet. Nachdem nach der Partie zwischen Al Ahly und Al Masry am 1. Februar 2012 bei Ausschreitungen 74 Menschen umgekommen waren, wurde die ägyptische Meisterschaft für ein Jahr unterbrochen. Was dem FCB erlaubte, Salah im März zum Probetraining einzuladen. «Aber ich hatte immer meine eigenen Pläne. Ich wollte sowieso nach Europa kommen», sagt Salah.
Wobei die Basler schon eine Art Nutzniesser des Liga-Unterbruchs sein dürften. Ägyptische Clubs waren in der Vergangenheit nicht dafür bekannt, ihre Spieler gerne ziehen zu lassen. Davon kann der FC Sion nach seinem Debakel mit Goalie Essam El-Hadary ein Liedchen singen. Wenn die Liga aber über ein Jahr lang ruht, fehlen die Argumente (und wohl auch die finanziellen Ressourcen), um die Spieler zu zwingen, im Club zu bleiben.
Wie sehen die beiden die politische Lage in ihrer Heimat? Salah «ist immer informiert». Elneny vermutlich auch. Er kommt bloss gerade mal wieder nicht zu Wort. Wahrscheinlich ist er etwas scheu. Die vielen Journalisten, die vielen Fragen, deren Sinn sich ihm wohl auch nicht gleich erschliessen, der Dolmetscher. Aber wenn er mal spricht, dann tut er das leise, zurückhaltend – und ernsthaft.
In Ägyptens Nationalteam ein Traumduo
Zum Beispiel, als ihm Salah scherzhaft unterstellt, er sei bloss des Geldes wegen nach Basel gekommen. Ist er nicht: «Ich will eine gute Karriere als Fussballer machen. Dazu gehört, sich im Ausland durchzusetzen.» Dass der FCB seine erste Station geworden ist, hat natürlich mit Salah zu tun, der ein halbes Jahr vor ihm die Stelle in Basel angetreten hatte: «Ich war froh über die Anfrage aus Basel. Weil ich wusste, dass Salah hier ist.» Die beiden haben schon bei ihrem Ex-Club Arab Contractors drei Jahre lang zusammen gespielt.
Und in der ägyptischen Nationalmannschaft sind die beiden bereits so etwas wie ein Traumduo. Elneny schickt jeweils Salah auf die Reise in Richtung gegnerisches Tor – und der trifft dann. Elneny hat also die Aufgabe des Zuträgers. Oder ist er auf dem Feld nicht viel eher in der Position des Chefs? Als zentraler Mittelfeldspieler ist er es doch, der den Rhythmus des Spiels bestimmt. Er kann seinen Freund Salah bedienen – oder auch nicht.
Ein Gedanke, den Salah sofort unterbricht. «Dafür läuft er ja kaum», sagt er und lacht wieder, «er gibt mir einfach den Ball und ich muss dann bis zum Tor rennen.» Das Wort «einfach» umschreibt die Spielweise von Mohamed Elneny gar nicht schlecht. Wobei bei ihm wohl eher das geflügelte Wort des Jazzers Charles Mingus gilt: «Das Einfache kompliziert zu machen ist alltäglich; das Komplizierte einfach zu machen, das ist Kreativität.»
Die Pflicht des gläubigen Muslims
Eine Stunde ist um und damit auch das Interview. Die beiden Mohameds machen sich auf, der obersten Pflicht gläubiger Muslime nachzukommen: Die fünf vorgeschriebenen Gebete pro Tag halten sie ein – auch wenn sie mal in St. Petersburg auf dem Flughafen festsitzen.
Die Ägypter verabschieden sich freundlich. Mohamed Salah voraus, Mohamed Elneny hinterher.
Am Pfingstmontag wird es für einmal anders sein. Salah, der Chef, muss den Cupfinal gesperrt von der Tribüne aus verfolgen. Elneny wird anderen zutragen.