Der FC Basel eiskalt

Vor 39’217 Zuschauern im Estadio da Luz gelingt dem ersatzgeschwächten FCB mit dem 1:1 bei Benfica Lissabon ein weiteres Husarenstück in der Champions League. Benjamin Huggels Tor lässt den Schweizer Meister von den Achtelfinals träumen.

Ein Stratege, ein Chrampfer, tritt ab. Benjamin Huggel, hier nach seinem Treffer zum 1:1 in der Champions League in Lissabon. (Bild: Keystone)

Vor 39’217 Zuschauern im Estadio da Luz gelingt dem ersatzgeschwächten FCB mit dem 1:1 bei Benfica Lissabon ein weiteres Husarenstück in der Champions League. Benjamin Huggels Tor lässt den Schweizer Meister von den Achtelfinals träumen.

Was teilt ein Trainer seiner Mannschaft in der Pause mit, nachdem sie in den ersten 45 Minuten phasenweise zerzaust worden ist? «Ich habe sie gebeten, so weiterzuspielen wie nach dem Gegentor, ich habe sie darauf hingewiesen, dass wir zu unserer Chance kommen werden. Das ist aufgegangen, und diese Chance hat sie dann eiskalt genutzt.» Heiko Vogel wirkte ruhig und gefasst nach dem 1:1 im Estadio da Luz gegen Benfica Lissabon, dem neuerlichen Auswärts-Coup des FC Basel in der Champions League, der unter den erschwerenden Bedingungen des Ausfalls von Marco Streller und Alex Frei gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Frei war mit einer Sehnenreizung im Knie ausgefallen. «Mega stolz auf die Mannschaft» war der Interimstrainer des FC Basel, der sich auf bestem Weg befindet, die Cheftrainer-Suche beim Schweizer Meister kraft der Ergebnisse abzukürzen.

Jetzt hat es der FCB sogar in den eigenen Füssen, die Achtelfinals zu erreichen. Zwei Siege – in Bukarest gegen Galati und daheim gegen Manchester – und die Rotblauen machen das wahr, was Heiko Vogel immer noch utopisch vorkommt. Als ihm die Rechnung aufgemacht wurde, fragte er etwas ungläubig nach, fand das Szenario dann doch «super» und fügte an: «Die Tatsache, dass ich mich damit noch nicht beschäftigt habe, zeigt, wie wir uns in dieser Gruppe sehen: Die Topfavoriten sind weiter Manchester und Benfica.»

Dieses Benfica war am Dienstagabend 20 Minuten lang eine Offenbarung – und anschliessend eine Enttäuschung. Das Startfurioso wurde von einem Pfostenschuss Rodrigos nach 57 Sekunden eröffnet. Wie ein wilde Furie kam der portugiesische Rekordmeister über die Basler. Benfica schien kurzen Prozess machen zu wollen auf dem Weg in die Achtelfinals. Variabel verschoben sie sich in hohem Tempo über das Feld, leichtfüssig liessen sie den Ball zirkulieren, weitgehend unbedrängt vom Gegner, die zweiten Bälle landeten allesamt bei den Gastgebern, und das Spektakel mündete in der 4. Minute im 1:0. Auf einen Einwurf und eine Kopfballverlängerung traf Rodrigo mit einer fantastischen Volleyabnahme mit dem linken Aussenrist. Der Ball segelte in den Torwinkel, und man musste sich Sorgen machen um diesen FC Basel. Nach einer halben Stunde gab es aus Basler Sicht das einzig positive Zwischenfazit: Es stand nur 0:1 gegen sie. José Raul, der den gesperrten Benfica-Trainer Jorge Jesus vertrat, klagte aus seiner Perspektive: «Wir hätten ein weiteres Tor gebraucht.»

Anderseits klingt die Einschätzung des FCB-Trainers merkwürdig: «Das Gegentor war wie eine Erlösung.» Was Heiko Vogel damit meinte: Es fiel ein Druck von der Mannschaft, der sich durch den kurzfristigen Ausfall von Alex Frei im Laufe des Tages noch zusätzlich aufgebaut hatte. Der FCB hatte nach dem Rückstand noch weitere bange Momente zu überstehen, hatte Glück, dass der spanische Unparteiische bei einer Intervention von Dragovic nicht auf Handspenalty entschied.

Aber wie sich die Basler in diese Partie wühlten, wie sie es Zug um Zug schafften, ihre Ordnung herzustellen, den Ball vernünftig kreisen zu lassen, das unterstreicht, wie gefestigt diese Mannschaft ist. Vor allem wenn man bedenkt, wer in Lissabon nicht auf dem Feld stand. Benfica nahm dass Tempo aus dem Spiel – und fand nicht mehr in einen höheren Gang zurück, als der FCB ausgeglichen hatte. Benjamin Huggel, der die Mannschaft als Captain ins Estadio da Luz geführt hatte, meinte nach Schlusspfiff: «Nach dem Gegentor habe ich gedacht: Jetzt erst recht. Benfica ist bekannt dafür, dass sie in den ersten zehn Minuten ein Feuerwerk abbrennen.»

Glaubt man den Erbsenzählern der Uefa-Datenbank, dann hatte der FCB schon bis zum Seitenwechsel mehr vom Spiel (56 Prozent Ballbesitz). In der zweiten Halbzeit liessen sich die Basler nicht locken, eröffneten Benfica nicht die Räume zum Kontern, sie fanden zu konzentrierter, solidarischer Verteidigungsarbeit. Und ihr geduldiges Spiel schlug sich in einem prima herausgespielten Tor nieder, vorbereitet und vollendet von zwei Routiniers. Scott Chipperfield, der nicht verbergen konnte, dass ihm Matchpraxis fehlt, tankte sich über links vor, spielte einen idealen Rückpass in den Rücken der Benfica-Abwehr, wo Benjamin Huggel in die Lücke stiess und traf. Für ihn war es im 78. Europacupspiel der achte Treffer und der erste in der Champions League. Für den FCB war es das erste Tor im sechsten Aufeinandertreffen mit einem der beiden grossen Clubs aus Lissabon und der erste Treffer auf portugiesischem Boden überhaupt.

Ein Tor, das unheimlich wertvoll ist. Ein Tor, das den FCB für eine «reife Leistung» (Vogel) belohnte, für eine zweite Halbzeit, die, wie der Coach es ausdrückte, «so noch nie dagewesen ist». Wie auch immer: Auf das 3:3 in Manchester, damals noch unter Thorsten Fink, lässt der FC Basel ein 1:1 bei Benfica folgen. Die Portugiesen verloren dadurch die Tabellenführung in der Gruppe C an die United, und der FCB darf weiter vom Achtelfinal träumen.

Gewinnt er seine beiden letzten Spiele, dann zieht er an Manchester vorbei. Das kann Heiko Vogel getrost noch mal für sich nachrechnen.

Die Einzelkritiken

Yann Sommer 5

Machtlos beim Gegentreffer. Ohne zu ganz grossen Paraden gezwungen zu sein, war er danach ein sicherer Rückhalt seiner Mannschaft.

Markus Steinhöfer 4,5

In der Anfangsphase bekam er es mit Gaitan zu tun, der mit Bruno Cesar den Flügel getauscht hatte. Als er sich von den ersten Schwindelgefühlen erholt hatte, kam von offensiv der eine oder andere Impuls.
Zurückgelegte Distanz: 11’631 Meter.

David Abraham 4,5

Verlor vor dem 1:0 nach einem Einwurf ein Kopfballduell. Zusammen mit Dragovic bekam er den wie aufgedreht wirkenden Rodrigo zunächst überhaupt nicht in Griff. Steigerte sich im weiteren Verlauf enorm – ein Attribut, das durch die Bank für seine Mitspieler gilt.
Zurückgelegte Distanz: 10’091 Meter.

Aleksandar Dragovic 4,5

Hatte Glück, dass seine Rettungstat gegen Maxi Pereira in der 16. Minute nicht mit einem Handspenalty geahndet wurde.
Zurückgelegte Distanz: 10’315 Meter.

Joo ho Park 4

Wenn Aussenverteidiger Maxi Pereira seine Ausflüge unternahm, brannte es auf der Seite des Südkoreaners lichterloh. Offensiv blieb er bis auf eine Hereingabe wirkungslos.
Zurückgelegte Distanz: 11’513 Meter.

Xherdan Shaqiri 4,5

Muss sich ankreiden lassen, dass er beim Gegentor gegen Gaitan schlief. Ansonsten einer der wenigen, dem in der ersten Halbzeit ein paar Aktionen gelangen. Tauchte nach der Pause etwas ab, wurde aber auch bei jedem Ansatz sofort gefoult.
Zurückgelegte Distanz: 10’634 Meter.

Benjamin Huggel 5

Im Startfurioso von Benfica war der Routinier, der gestern die Captainbinde trug, nicht in der Lage, Einfluss zu nehmen. Er steigerte sich massiv im weiteren Verlauf, gekrönt vom Ausgleichstor, als er ideal in den Rücken der Benfica-Abwehr stiess und überlegt mit einem Flachschuss abschloss.
Zurückgelegte Distanz: 12’225 Meter.

Granit Xhaka 4

Wirkte anfangs fast überfordert, bekam im Mittelfeld meist nur die Hacken der Gegenspieler zu sehen. Fand dann mit ein paar Spielverlagerungen besser in die Partie, um nach der Pause im Verbund mit Huggel das Zentrum weitgehend zu kontrollieren.
Zurückgelegte Distanz: 10’763 Meter.

Fabian Frei 4,5

Auch er schien zu Beginn mehr staunender Beobachter denn entschlossener Kämpfer. Ihm bot sich in der 32. Minute völlig freistehend eine prima Kopfballchance. Fasste von Minute zu Minute mehr Mut und gewann Sicherheit in seinen Aktionen.
Zurückgelegte Distanz: 11’815 Meter.

Scott Chipperfield 4,5

Man kann sich gar nicht mehr erinnern, ihn in der Startelf einer wichtigen Partie gesehen zu haben. Ohne Rhythmus nach langer Verletzungspause war vom Routinier in hängender Stürmer-Position dann zunächst auch nichts zu sehen. Bis zur 64. Minute, seinem beherzten Vorstoss über den linken Flügel und seiner punktgenauen Vorlage auf Huggel.
Zurückgelegte Distanz: 11’415 Meter.

Jacques Zoua 4

Keine dankbare Aufgabe, an diesem Abend ohne Streller und Alex Frei war er die einzige Sturmspitze. Die Benfica-Riesen Luisao und Garay hatten ihn ohne Probleme im Griff, was dem jungen Kameruner aber anzurechnen war: Er fightete unermüdlich.
Zurückgelegte Distanz: 10’826 Meter.

Cabral –

Kam in der 81. Minute für Granit Xhaka und war zu kurz im Einsatz, um bewertet werden zu können.
Zurückgelegte Distanz: 1592 Meter.

Genséric Kusunga –

Wurde in der 88. Minute für Chipperfield eingewechsel und war zu kurz im Einsatz, um bewertet werden zu können.
Zurückgelegte Distanz: 754 Meter.

Kwang Ryong Pak –

In der 93. Minute machte Jacques Zoua für ihn Platz, um wertvolle Sekunden zu gewinnen. Zu kurz im Einsatz, um bewertet werden zu können.
Zurückgelegte Distanz: 199 Meter.

Resultate Gruppe C

Benfica Lissabon–FC Basel 1:1 (1:0)
Manchester Utd.–Otelul Galati 2:0 (1:0)

Tabelle (alle 4 Spiele)

                                          Tore    Punkte
1. Manchester United     8:4      8
2. Benfica Lissabon         5:2      8
3. FC Basel                        6:7      5
4. Otelul Galati                 1:7      0

Die restlichen Spiele

Di. 22. November:
Otelul Galati–FC Basel (20.45 MEZ)
Manchester Utd.–Benfica (20.45 MEZ)

Mi. 7. Dezember:
FC Basel–Manchester Utd. (20.45 MEZ)
Benfica–Galati (20.45 MEZ)

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