Gewinnen – alles andere würde in den Reihen des FC Basel als Enttäuschung angesehen im vierten Champions-League-Spiel. Revanchegefühle nach dem in der Nachspielzeit verlorenen Spiel in Bulgarien kennt FCB-Trainer Paulo Sousa nicht, aber der Erwartungsdruck ist erheblich und sein Kollege bringt die Bedeutung der Partie auf den Punkt: «Der Preis ist hoch.»
Auch wenn Paulo Sousa vom «Vergnügen» spricht, das ihm die Champions League bereitet: Von der ganz grossen Vorfreude auf das zweite Champions-League-Heimspiel des FC Basel kann drumherum nicht die Rede sein. Nur wenige bulgarische Journalisten haben den Weg in die Schweiz gemacht, und hierzulande kommt dem Spiel, gemessen am Interesse an den Medienkonferenzen des Vortags, offenbar auch nicht die allergrösste Bedeutung zu. Dafür ist Ludogorets Razgrad, zwischen Liverpool und Madrid im Spielplan eingebettet, nicht elektrisierend genug.
Der St.-Jakob-Park ist aufgrund der im Dreier-Paket angebotenen Tickets zwar nahezu ausverkauft, und einige wenige Tickets sind aufgrund von Kontingenten, die die Uefa nicht benötigte, noch im Angebot. Doch es kann gut sein, dass nicht jeder, der sich für Liverpool und vor allem Real Madrid interessiert, am Dienstag von seinem Sitzplatzanspruch Gebrauch machen wird.
Dabei steht ein kapitales Spiel an. Zumindest, was das sportliche Fortkommen in dieser Champions-League-Kampagne angeht. Wer europäisch überwintern will, der muss den St.-Jakob-Park als Sieger verlassen, und dieser Sieger erhält sich obendrein die Chance auf die K.o.-Phase der Königsklasse.
«Sind mit Basel auf Augenhöhe»
Neben all den üblichen Freundlichkeiten, die am Montagabend in Basel ausgetauscht wurden über den jeweiligen Gegner, brachte es Georgi Dermendzhiev auf den Punkt: «Beide Mannschaften wissen: Der Preis in diesem Spiel ist sehr hoch.»
Ludogorets hat Blut geleckt, das machte der Trainer, der im August vom Nachwuchs-Chef zum Cheftrainer aufgestiegen ist, deutlich. Der Sieg gegen den FC Basel vor zwei Wochen war der erste für Ludogorets in der Champions League. Es waren die ersten Punkte überhaupt für einen bulgarischen Teilnehmer. «Ludogorets ist ein junger Verein, und was er in den letzten vier Jahren erreicht hat», sagt Dermendzhiev, «das spricht für sich selbst.»
Zwei Aufstiege in Serie und anschliessend drei Meistertitel – das macht der Mannschaft aus einem Provinznest im Nordosten Bulgariens tatsächlich so schnell keiner nach. Vor einem Jahr hat sich der FC Basel in der Qualifikation zur Champions League noch mit 4:2 (in Sofia) und 2:0 durchgesetzt, in der Europa League sorgte Ludogorets anschliessend für Furore, gewann vier Auswärtsspiele und scheiterte erst in den Achtelfinals.
Aus Flügelstürmer Mihail Alexandrov, der nach einem dreijährigen Intermezzo bei der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund der deutschen Sprache mächtig ist, spricht das neu gewonnene Selbstbewusstsein: «Wir haben unser Niveau stark verbessert und sind mit Basel eher auf Augenhöhe. Keine Mannschaft kann die andere unterschätzen.»
Schär: «Wir wollen etwas gutmachen.»
Für Fabian Schär ist nach dem frustrierenden Abend im National-Stadion von Sofia die Massgabe klar: «Wir wollen etwas gutmachen.» Vor knapp 14 Tagen verloren die Basler sehr früh Geoffroy Serey Die, ein umstrittener Platzverweis, der die Physiognomie der Partie beeinträchtigte, die der FCB in der Nachspielzeit mit 0:1 verlor.
«Die Rote Karte hat alles auf den Kopf gestellt, und das späte Gegentor hat extrem wehgetan», sagt Schär, der sich nach seiner Auswechslung am Samstag («Das war mehr eine Vorsichtsmassnahme») und Oberschenkelbeschwerden wieder zu hundert Prozent bereit fühlt: «Die Physiotherapeuten haben das im Griff.»
Revanche – ein Gefühl, das Sousa nicht kennt
Von einer Revanche will Paulo Sousa nichts wissen: «Nein», sagt der FCB-Trainer, «solche Gefühle kenne ich nicht. Ich will, dass meine Mannschaft eine gute Leistung abliefert. Das ist wichtig für mich.» Im Duktus von Sousa bedeutet eine gute Leistung auch die grösste Chance auf einen Sieg.
Wen der Trainer ins Rennen schicken wird, darüber kann man wie üblich nur werweissen. Hinten wird es wohl ein Dreierblock mit Xhaka, Schär und Suchy werden, Degen dürfte den rechten Flügel besetzen, links ist die Vorhersage schon schwieriger: Hamoudi, der es gegen Liverpool gut machte? Oder lässt der Trainer Gashi erstmals in der Königsklasse ran? Was aber würde das für den defensiven Part dieser Position bedeuten?
Kommt Marcelo Diaz, der seine drei Spiel-Sperren abgesetzt hat, zum Handkuss? Ist die zentrale Königsklassen-Besetzung Frei/Elneny unumstösslich? Braucht man einen Delgado, um den bulgarischen Riegel, auf den man sich gefasst machen darf, zu durchdringen? Von Gonzalez und Embolo kann man in der Offensive ausgehen. Von Streller nicht, obwohl der von einem Bandscheibenvorfall geplagte Captain am Dienstag ein paar Runden auf dem Trainingsplatz drehte.
Wie auch immer: Es wird eine knifflige Aufgabe werden, die der FCB zu meistern hat. Ein ganz anderes Spiel als jenes in Sofia, wo Ludogorets in Überzahl anrannte – und dabei keinen sonderlich überzeugenden Eindruck machte. «Ihre stärkste Waffe sind die Konter», weiss Sousa nur zu gut. Ihren Speed und ihre Quirligkeit vermochten die Bulgaren mit ihrem spanisch-portugiesisch-brasilianischen Einschlag schon vor einem Jahr in den beiden Duellen einzubringen. Und nun tun sie es mit noch heisseren Herzen.
Die Rechenspiele
Bei allen Respektsbezeugungen vor dem Gegner gibt es für den FC Basel jedoch nur ein Ergebnis, das nicht als Enttäuschung gewertet werden kann.
Die Situation ähnelt jener einer Auswärtsreise 2008 nach Lissabon. Sporting hatte das erste Gruppenspiel in der Champions League bei Barcelona verloren, dann kam – als klarer Aussenseiter – der FC Basel, den Sporting im Jahr zuvor in der Europa League zweimal diskussionslos bezwungen hatte.
Das Sportblatt «A Bola» titelte am Spieltag mit dem Konterfei von Sporting-Trainer Paulo Bento und einem unverblümten Imperativ: «Ganhar ou ganhar» – gewinnen oder gewinnen. Das will Paulo Sousa wie jeder andere Fussballtrainer auf dieser Welt natürlich auch, jeden Tag, immer wieder.
Diesmal sind die drei Punkte jedoch von besonderer Bedeutung, und der FCB sollte, um in etwaigen Rechenspielen die Nase vorne zu haben, sogar so gewinnen, dass er nach der Europacup-Formel den besseren direkten Vergleich gegen Razgrad für sich reklamieren könnte.
Insofern bietet die Partie genügend Herausforderungen für einen spannenden Fussballabend.