Es hat etwas Bizzares. Da sitzen sich zwei junge Männer gegenüber, zwischen ihnen ein Bildschirm, hinter ihnen eine Leinwand, an ihnen fabrikneue Trikots des FC Basel und mittendrin ein beflissener Angestellter des Vereins: «Na, Tim, welche Taste hast du jetzt gedrückt?»
Tim, Nickname «The StrxngeR», hat das Rundummeli gedrückt, kombiniert mit L2 vielleicht. Ein strammer Schuss, linkes oberes Eck, aber Florian «CodyDerFinisher» pariert. Pokerface Florian verzieht keine Miene, dabei war das eine Weltklasseparade, wahrscheinlich. Aber so richtig kann das an der Medienpräsentation in der Premium Lounge des St.-Jakob-Park niemand beurteilen.
Tim Katnawatos (18) und Florian Müller (18) sind Neo-Profizocker. Und ab sofort Vollzeitangestellte des FC Basel. Sie ergänzen das eSports-Team des Vereins, der seine Präsenz auf dem digitalen Spielfeld damit auf drei Mann ausbaut.
Bereits im Mai war mit Luca Boller (22) ein eSports-Pionier vorgestellt worden – Pionier aus Basler Sicht, andere Super-League-Vereine wie der FC St. Gallen waren bereits aktiv. Der FC Basel beschäftigt seither eine eigene eSports-Abteilung.
Basler Vertreter an der Fifa-Weltmeisteschaft
Mit Katnawatos und Müller verpflichtet der FC Basel zwei Talente aus Deutschland, die sich in den vergangenen Monaten mit Top-Platzierungen ins Rampenlicht und bis an den Fifa interactive World Cup (FIWC) in London (16. bis 18. August) gespielt haben. Dort wollte die Marke FC Basel auch hin und ist jetzt, nachdem Luca Boller die Qualifikation knapp verpasst hatte, trotzdem mit zwei Spielern vertreten. Als einziger Verein weltweit. Bloss, was heisst das?
>> Zum Communiqué des FC Basel: FCB geht nächsten Schritt im eSport
Auf dem virtuellen Spielfeld in London werden die Farben Rot-Blau nicht vertreten sein, sowohl Müller als auch Katnawatos spielen mit einem Dream-Team aus Ronaldos und Messis. Sie werden auch nicht im FCB-Trikot in die Tasten greifen, sondern als deutsche Staatsbürger mit Deutschland-Emblem vor dem Bildschirm sitzen. So will es die Fifa zumindest im Finale.
We have our official groups for the Grand Final! pic.twitter.com/gbbbrNh85F— FIWC (@FIWC) 5. August 2017
Bei der Vorstellung der Neuverpflichtungen ist beim FC Basel trotzdem viel von Identifikation und Sichtbarkeit die Rede. Und davon, dass auf dem digitalen Spielfeld neue Fans erreicht werden sollen. «Solche, die sonst vielleicht nicht den Weg ins Stadion finden», sagt Joachim Reuter, Leiter Marketing Service beim FC Basel 1893 und Verantwortlicher für das eSports-Engagement.
Das neue «Zielpublikum» als Rechtfertigung
Natürlich ist Reuter daran gelegen, die unkonventionellen Transfers des Vereins mit den konventionellen Ambitionen zu erklären, neue Fans zu gewinnen. Trotzdem erscheint das Versprechen vom neuen jungen Zielpublikum, mit dem die eSports-Strategie gerechtfertigt wird, etwas wohlfeil. 32 von 32 Teilnehmern am Finale in London sind junge Männer mit einem offenkundigen Interesse an Fussball. Ein Blick in die eSports-Stadien bietet ein ähnliches Bild. Sieht so ein neues, unentdecktes Zielpublikum aus?
Reuter verhehlt nicht, dass neben der sportlichen Facette auch ökonomische Überlegungen hinter dem Entscheid stehen, im eSport mitzumischen. «Die langfristige Strategie ist, dass wir im eSports – zum Beispiel durch Merchandising – ein zusätzliches Business generieren und darüber wieder das Kernprodukt stärken. Der Wunsch ist, dass wir dereinst damit Geld verdienen können nebst der Tatsache, dass wir hoffentlich neue Fans gewinnen.»
Der Kampf um die digitalen Werbebanner ist längst entbrannt. Der Newzoo Global Esports Market Report prognostiziert für 2019 einen weltweiten Umsatz von 1072 Millionen Dollar. Geld, das vor allem mit Medienrechten, Merchandising, Tickets und Werbung verdient wird.
Die FCB-Sponsoren haben den Braten gerochen: Vier der sechs zahlungskräftigsten Geldgeber unterstützen neben den Fussballern auch die Daumenathleten, ein neuer Sponsor konnte gar nur für den Bereich eSports gewonnen werden.
Traditionsbewusste Basis soll nicht vergrault werden
Aber wo andere Clubs wie zum Beispiel Lausanne-Sport ihre Online-Legionäre an deutlich lukrativeren Spielen wie zum Beispiel dem Strategiespiel «League of Legends» (LoL) teilnehmen lassen, beschränkt sich der FC Basel auf die Fussballsimulation «Fifa». 200’000 Dollar gibts in London zu gewinnen. Fifa-Rekord, aber verglichen mit den Preisgeldern bei LoL-Turnieren ein Klacks. Dort erhielt vergangenes Jahr allein das Gewinner-Team zwei Millionen Dollar.
«Schuster bleib bei deinem Leisten», sagt Reuter und lässt durchschimmern, dass er die durchaus traditionsbewusste Fanbasis nicht vergraulen will. «Da geht es auch um Akzeptanz bei den Fans, und da wäre es wahrscheinlich schwer zu vermitteln, dass der FC Basel jetzt ein Rollenspiel zockt.»
Der FC Basel spekuliert noch auf einige unbestätigte Faktoren, damit seine eSport-Strategie so richtig kickt. Zum Beispiel darauf, dass EA Sports, der Publisher der Fifa-Reihe, «richtig Gas gibt», wie Reuter es formuliert, oder die ganz grossen Clubs ebenfalls auf die Game-Karte Fifa setzen. Eine offizielle Schweizer eSports-Liga parallel zur realen Super League, wie sie in Holland oder Österreich bereits existiert, wäre natürlich auch nicht schlecht, Hauptsponsor Raiffeisen hat bereits Interesse signalisiert.
Bis es so weit ist, bleibt den drei FCB-Gamern die Rolle als Maskottchen der Marketingabteilung: leicht gebückte Haltung, die Konsole in der Hand, Tunnelblick. «Na, Tim, welche Taste hast du jetzt gedrückt?» Das ganz grosse Daumenkino ist das noch nicht. Aber im Bereich eSports gilt das Motto: Wer zockt, kann verlieren. Wer nicht zockt, hat schon verloren.
Die ARD hat der wachsenden eSports-Szene rund um die Fussballclubs eine Dokumentation gewidmet: eSport – vom Schmuddelkind zum Shootingstar.