Der FCB macht sich das Leben im Lido selbst schwer

Das Tor von Valentin Stocker drei Minuten vor Ablauf der Verlängerung zum 3:2 in Locarno bringt den FC Basel in die Viertelfinals des Schweizer Cup. Dort trifft er am 27. Februar auswärts auf den Sieger aus Wohlen/Thun. Der Titelverteidiger machte sich beim Tabellenletzten der Challenge League das Leben selbst schwer.

Locarno ist in der 117. Minute geschlagen: Torschütze Valentin Stocker dreht jubelnd ab. (Bild: Hans-Jürgen Siegert)

Das Tor von Valentin Stocker drei Minuten vor Ablauf der Verlängerung zum 3:2 in Locarno bringt den FC Basel in die Viertelfinals des Schweizer Cup. Dort trifft er am 27. Februar auswärts auf den Sieger aus Wohlen/Thun. Der Titelverteidiger machte sich beim Tabellenletzten der Challenge League das Leben selbst schwer.

Die Sonne, die den Tag im Tessin zu einem fast frühlingshaften gemacht hatte, versank langsam, als Murat Yakin Mitte der zweiten Halbzeit im Lido kopfschüttelnd an der Aussenlinie stand. Er rief etwas über den Platz, und man konnte vermuten, dass Philipp Degen der Adressat war. Der FCB-Trainer war unzufrieden.

FCB wieder auswärts

Beim Sieger der Partie FC Wohlen gegen den FC Thun muss der FC Basel in den Cup-Viertelfinals antreten. Der FC Wil wurde für sein Husarenstück gegen die Young Boys mit einem weiteren Heimspiel gegen den FCZ belohnt. Drei Spiele, die an diesem Samstag und Sonntag aufgrund der Schneefälle abgesagt wurden, müssen vor dem Viertelfinaltermin am 27. Februar nachgeholt werden. Erstes Ausweichdatum ist das erste Februarwochenende, eine Woche vor der Fortsetzung in der Super League.

Die Viertelfinals, 27. Februar:
Aarau/St. Gallen–Grasshoppers
Wohlen/Thun–FC Basel
Lausanne–Kriens/Sion
FC Wil–FC Zürich

Unzufrieden damit, dass seine Mannschaft eine scheinbar völlig problemlos kontrollierte Partie aus der Hand gegeben hatte. Sie rannte einem 1:2-Rückstand hinterher, und der FC Locarno lief weiter beherzt Konter gegen eine alles andere als sattelfest wirkende FCB-Hintermannschaft.

Das hatte seine Ursache zum einen in den sieben Wechseln, die Yakin im Vergleich zum Europacup am Donnerstag vorgenommen hatte. Einhergehend mit einem weiteren Versuch des Dreierblocks in der Abwehr. Im Gegensatz zum ersten Mal, einem 3-5-2-System bei der 0:1-Niederlage in Luzern zu Yakins Einstand, schickte der Trainer die Mannschaft diesmal mit drei Stürmern in einer 3-4-3-Grundordnung auf den Platz.

Das Führungstor zum vermeintlich günstigen Zeitpunkt

Das klappte trotz der personellen Grossrotation zunächst ganz gut. Der FCB dominierte den FC Locarno, der zwar gute Einzelspieler in seinen Reihen hat, der aber auch erkennen liess, warum er abgeschlagen am Tabellenende der Challenge League rangiert. Und das mit neun Toren in 18 Spielen und gar nur vier Treffern für das leidensfähige Heimpublikum im Lido.

Offensiv waren die Locarnesi harmlos, defensiv widerstanden sie dem Favoriten aber mit leidenschaftlichem Kampf und einem wiederholt prima reagierenden U20-Nationaltorhüter Miodrag Mitrovic. Der FCB machte es ihnen insofern einfacher, weil die Ideen im Dickicht der Verteidigerbeine häufig zu kompliziert waren.

Im Gegensatz zum Cupsieg in Chiasso, wo der erste Treffer vor der ersten Sekundenzeigerumdrehung fiel, dauerte es diesmal bis zur 43. Minute, ehe Mohamed Salah das Bollwerk knackte: auf einen langen Ball von Fabian Schär und fein vollendet mit einem Aussenristschuss am herausstürzenden Locarno-Keeper.

Aber von wegen: psychologisch wertvoller Zeitpunkt. In Locarno passierte das Gegenteil. In der 51. Und 55. Minute fing sich ein teilnahmloser FCB gleich zwei Gegentreffer der offensiv schwächsten Mannschaft des Schweizer Profifussballs ein. Beide Male Torschütze war Locarnos Captain mit dem berühmten Nachnahmen: Nicolas Mario Mazzola.

Der vergessene Kopf – für Yakin unerklärlich

Da stimmte keine Zuordnung, kein Zweikampfverhalten, keine Konzentration. Germano Vailati, der Yann Sommer wie schon in den vorangegangenen Cupspielen ersetzte, hat nur eine Erklärung dafür: «Wir haben für fünf Minuten den Kopf in der Kabine vergessen.»

Für Yakin war es «unerklärlich, wie die Mannschaft aus der Halbzeit gekommen ist». Dass er Ajeti auswechseln und die neuformierte Abwehr umstellen musste (Steinhöfer auf rechts, dafür Philipp Degen vorübergehend zurück in den Dreierblock), dass, so Yakin, «kann ja wohl nicht der Grund dafür sein, dass alles durcheinander gerät.»

Im Bemühen, das Spiel rasch wieder wenden zu wollen, kam der FCB zwar fast im Minutentakt zu Chancen oder zumindest gefährlichen Situationen, stand dabei aber sehr hoch, zu hoch, und lud die Tessiner zu ihren Kontern ein. Im Lido, wo zur Pause eine Guggemusik die FCB-Fans zu einem bisher noch nicht gekannten Duett animiert hatte, wuchs unter den 2600 Zuschauern die Hoffnung auf eine riesengrosse Überraschung. In einem Spiel, das für Locarno «wie ein Champions-League-Final ist», wie es Vailati ausdrückte,.

Salah, Streller und Stocker bringen es in Ordnung

Der FCB brachte seine Statik erst durch die Einwechslung von Marco Streller wieder in Ordnung. Der – angeschlagen an Kopf, Knie und Fuss – hatte sich eigentlich darauf eingerichtet, nur pro forma auf der Bank zu sitzen, und war sich dieser Sache zur Halbzeit und mit der Führung seiner Mannschaft noch sicherer gewesen. «Nach dem 2:1 hatte ich dann die Schienbeinschoner ganz schnell an», schildert Streller die Alarmstimmung.

Elf Minuten nach seiner Einwechslung legte Streller (ohne Maske zum Gesichtsschutz) den Ball Salah zum Ausgleich vor, musste aber mit dem FCB dennoch in die Verlängerung. «Das hätte es nicht gebraucht», sagte der Captain und kritisierte die Jahresend-Vorstellung mit Zittereffekt: «Das war völlig unnötig. Wir haben mit der 1:0-Führung nicht clever und diszipliniert gespielt.»

Yakin bemängelte, dass in der heiklen Phase klare Aufgaben und Organisation gefordert seien, fand, dass seine Aussenverteidiger zu offensiv gewesen seien und sagte zum lamentablen Auftritt von Fabian Schär: «Seine Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.» Der Trainer wird also genügend Ansätze für die Wiederaufnahme der Arbeit am 4. Januar finden.

«Wir haben die Pflicht erfüllt»

Als die Nacht dann schon über dem Lago Maggiore herangebrochen war kam im trüben Licht der schwachen Flutlichtankage im Lido der Auftritt von Valentin Stocker. In der 102. Minute eingewechselt, traf der Nationalspieler drei Minuten vor Ablauf der Verlängerung mit energischem Vorstoss und im Nachschuss.

Stocker verhinderte somit eine Elfmeterlotterie und betrübte die tapferen Gastgeber. «Es fehlte nur sehr wenig», sagte Stefano Maccoppi, italienischer Trainer der Tessiner. Denen machte Yakin Komplimente für ein gute Leistung und räumte ein: «Gezittert habe ich nicht, aber wir hätten uns nicht beklagen können, wenn wir rausgeflogen wären.» Die Basler Erleichterung fasste Streller zusammen:«Wir sind weiter, das zählt im Cup. Schlussendlich haben wir unsere Pflicht erfüllt.»

Auf der Heimfahrt nach Basel, zum Fondueplausch im Mannschaftskreis, erlebte der FCB-Tross im Schneegestöber auf der A2 zwischen Gotthard und Luzern im Bus die Auslosung der vierten Cuprunde. Sie bringt dem FCB erneut ein Auswärtsspiel, entweder im Aargau beim FC Wohlen oder in Thun, wo es jüngst eine von drei Niederlagen in der Liga absetzte.

Der FC Basel tanzt also weiterhin auf drei Hochzeiten. Mit den Gipfeltreffen in der Liga daheim gegen Sion und die Grasshoppers, mit den beiden Sechzehntelfinals in der Europa League sowie dem Cupspiel steht ihm ein äusserst intensiver Start im Februar bevor.

88. Schweizer Cup, Achtelfinal
FC Locarno–FC Basel 2:3 (0:1)
Stadio comunale Lido. – 2630 Zuschauer. – SR Erlachner.

Tore:
43. Salah 0:1 (spitzelt den Ball aus 15 Metern mit links am herausstürzenden Mitrovic vorbei flach ins Tor; vorausgegangen war ein langer Ball von Schär in den Lauf des auf dem rechten Flügel startenden Ägypters).
50. Mazzola 1:1 (schiebt den Ball aus drei Metern ein, nach dem Rapp Sauro überlaufen hat und flach zur Mitte passt)
55. Mazzola 2:1 (Schär unterläuft einen hohen Ball, Mazzola zieht fast von der Mittellinie aufs FCB-Tor zu und behält vor Vailati mit einem Schuss ins lange Eck die Nerven).
75. Salah 2:2 (nach Vorarbeit von Streller trifft er mit einem Flachschuss aus zehn Metern in die Torwartecke).
117. Stocker 2:3 (trifft auf Pass von Park im zweiten Anlauf aus spitzem Winkel).
Verwarnungen: 65. Schär (Foul), 66. Ngan (Foul), 118. Martignoni (Reklamieren).

FC Locarno (4-4-1-1): Mitrovic, Regazzi, Carrara (34. Monighetti), Martignoni, Ngan; Rapp, Bicvic, Spini, Imren (80. Casanave); Pacarizi; Mazzola (99. Edo). – Ersatz: Lucic (T), Bilinovac, Monighetti, Casanave, Edo.
FCB (3-4-3):
Vailati; Sauro, Schär, Ajeti (46. Steinhöfer); P. Degen (64. Streller), Cabral, Diaz, Park; Salah, Zoua (102. Stocker), A. Frei. – Ersatz: Sommer (T), Steinhöfer, D. Degen, Yapi, Stocker, F. Frei, Streller.

Bemerkungen: FCB ohne Jevtic, Voser (verletzt), Dragovic (geschont), Kovac, Pak, Grether, Vuleta Salvi (ohne Aufgebot); Locarno ohne Panizzolo, Polli, Varga (gesperrt). – ab der 46. P. Degen rechts in der Dreierabwehr. – FCB nach Einwechslung Streller in einem 4-4-2. – 115. Schuss von Salah an den Aussenpfosten.

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