Gegen Flora Tallinn will Heiko Vogel am Dienstag (17.45 Uhr MESZ) keine Spielereien sehen, sondern Tore. Ein Weiterkommen in der zweiten Qualifikationsrunde zur Champions League ist für den Trainer des FC Basel schlicht Pflicht.
Äusserlich wirkt Heiko Vogel ganz friedlich. Aber der Eindruck muss täuschen. Denn die Worte, die der Trainer des FC Basel wählt, sind alles andere als friedfertig. «Da dulde ich keine Gnade», sagt Vogel mit Nachdruck, «da bin ich wenig kompromissbereit.» Und um wirklich keine Zweifel aufkommen zu lassen, fügt der 36-Jährige an: «Ich akzeptiere keine Spielereien.»
Die Ausgangslage ist für die Spieler des FCB also klar, wenn sie am Dienstag bei Flora Tallinn in die Qualifikation zur Champions League steigen. Der Trainer will keinen Schnickschnack sehen und keine Sperenzchen, sondern einen Sieg: «Und wenn es das Spiel zulässt, muss man auch versuchen, einen Unterschied von mehr als zwei Toren zu erreichen.»
«Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun»
Denn eines ist für alle Basler klar: Gegen den estnischen Meister wäre alles andere als ein Weiterkommen in die dritte Qualifikationsrunde eine Blamage. Und das wird auch so kommuniziert. Vorbei sind die Zeiten, als unter Christian Gross auch übergewichtige Stürmer aus Sarajevo mit dem Prädikat «technisch versiert» geadelt wurden.
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«Du kannst nicht im letzten Jahr im Achtelfinal gewesen sein und dann sagen: Tallinn ist eine ganz schwere Hürde», findet jedenfalls Vogel. Und fügt an: «Das hat nichts mit Überheblichkeit zu tun.» Sondern einfach damit, dass die Basler ihre Favoritenrolle ohne Wenn und Aber annehmen.
Nun gehen Selbstvertrauen und Sorglosigkeit manchmal eben doch Hand in Hand durchs Leben. Also ist Marco Streller um einen ernsthaften Zugang zu der Partie bemüht. «Wir nehmen Tallinn ernst, sie stehen voll im Saft», sagt der FCB-Captain, «aber wer den Anspruch hat, Champions League zu spielen, muss gegen diesen Gegner gewinnen.»
National ein Riese, international ein Zwerg
Dieser Gegner ist zwar der Rekordmeister Estlands. Er hat von seinen bisher 38 Europacup-Spielen aber auch bloss 4 gewonnen. Und eine Runde weitergekommen ist er bei 18 Teilnahmen erst einmal, 2006 in der ersten Qualifikationsrunde zum Uefa-Cup gegen Lyn Oslo.
Welchen Stellenwert Fussball in Estland hat, zeigt ein Blick auf die Zuschauerzahlen. Das Derby gegen Levadia Tallinn zog am 9. Juni 392 Zuschauer ins Stadion – Saisonrekord für Flora. Sonst verlieren sich jeweils zwischen 100 bis 200 Fans in der nach einer Brauerei benannten Le Coq Arena.
Yann Sommer hat bereits Erfahrung mit estnischen Fussballern gemacht. Mit der Schweizer U21 gewann er in Tallinn gegen die estnischen Altersgenossen 4:1; ebenfalls im Team damals: Valentin Stocker. «Die Esten waren immer sehr aggressive, kampfstarke Gegner», blickt Sommer zurück, «am Ende haben wir trotzdem jeweils hoch gewonnen. Aber das war Junioren-Fussball, das kann man nicht mit dem Club-Team vergleichen.»
Die schwierige Suche nach einem Video
So darf aus Basler Sicht noch bis zum Anpfiff des Hinspiels über die wahre Stärke von Flora Tallinn gerätselt werden. Denn ganz einfach ist der Überblick auch für Trainer Vogel nicht. Das aktuellste Match-Video, das der FCB auftreiben konnte, datiert aus dem Mai. Gut, haben die Basler einen Spielbeobachter an den finnischen Meerbusen geschickt, der den FCB-Trainer aufdatiert.
Dass Reisen zu unbekannten, kleinen Clubs auch gewisse Risiken bergen, hat Vogel schon einmal miterlebt. 2009, in seinem ersten Jahr in Basel, reisten die Rotblauen nach Island, um beim KR Reykjavik beinahe ihr blaues Wunder zu erleben. 0:2 lagen sie zurück, die Isländer hatten gar die Chance zum 0:3, ehe Scott Chipperfield und Alex Frei noch für ein 2:2 sorgten.
«Okay, heute schaust du lieber mal weg»
Geht es nach Vogel, gehören solche Auftritte jedoch der Vergangenheit an: «Vor zwei Jahren hatten wir Spiele, da hast du gedacht: Okay, heute schaust du lieber mal weg. Doch solche Ausreisser gegen unten haben wir nicht mehr.»
Und weil die Mannschaft so gefestigt scheint, ist es gut möglich, dass die beiden Südamerikaner Gaston Sauro und Marcelo Diaz ihre Debüts beim FCB in Tallinn geben werden. Festlegen mochte sich Vogel im Vorfeld noch nicht: «Es ist aber durchaus möglich.»
Und wer ihn vor allem von Diaz sprechen hört, der kann sich denken, dass Vogel darauf brennt, den Chilenen möglichst bald in seinem Team spielen zu sehen. Vor der Verpflichtung habe er von Sportdirektor Georg Heitz ein Video erhalten, erzählt Heiko Vogel: «Ich habe ihn nach 30 Sekunden zurückgerufen und gesagt: Sofort verpflichten!»