Der goldene Kreislauf startet von Neuem

Die Olympischen Spiele sind vorbei. Zeit für hasserfüllte Stammesfehden: Die Premier League beginnt und mit ihr die grösste Geldmaschine des Fussballs. Bereits wurden wieder über 375 Millionen Franken für neue Spieler ausgeben.

Manchester City's Carlos Tevez (L) is challenged by Arsenal's Alex Song during their pre-season friendly soccer match in Beijing July 27, 2012. REUTERS/Jason Lee (CHINA - Tags: SPORT SOCCER) (Bild: JASON LEE)

Die Olympischen Spiele sind vorbei. Zeit für hasserfüllte Stammesfehden: Die Premier League beginnt und mit ihr die grösste Geldmaschine des Fussballs. Bereits wurden wieder über 375 Millionen Franken für neue Spieler ausgeben.

London 2012 ist vorbei, die kollektive, ungewohnte Partystimmung im Land darf wieder gegen hasserfüllte Stammesfehden eingetauscht werden: das Hochglanz-Spektakel der Premier League. Sie bestimmt ab sofort und wie gewohnt das sportliche Geschehen auf der Insel.

Noch während der poppigen Abschlussfeier der Londoner Spiele hatte Verbandschef David Bernstein seine Profis per Pressemitteilung aufgefordert, sich vom olympischen Geist inspirieren zu lassen. «Die Spieler müssen sich ein Beispiel an  diesen Spielen nehmen», sagte der 69-Jährige, «mit den Privilegien kommt auch die Verantwortung, sich vorbildlich zu verhalten.» Dass sich die Superstars aus aller Welt über Nacht in bescheidende Nationalhelden à la Jessica Ennis oder Mo Farah verwandeln, glaubt allerdings niemand. Und wer will das schon wirklich? Die Premier League ist ja nicht zum globalen Marktführer geworden, weil nette englische Menschen in den Stadien die Aktiven artig und ganz unparteiisch anfeuern.

Nichts für zart Besaitete

Sensible Gemüter sollten am Samstag lieber nicht genau zuhören, was zum Beispiel die Arsenal-Fans zum Auftakt gegen den FC Sunderland über Ex-Kapitän Robin van Persie singen werden. Der niederländische Stürmer, Spieler des Jahres in der Vorsaison, hat sich für gut 36 Millionen Franken zu Manchester United verabschiedet. Zuvor hatte sich der 29-Jährige geweigert, seinen im Juni 2013 auslaufenden Vertrag in London zu verlängern. «Es ist traurig und tut weh, aber wir hatten keine andere Wahl», sagte Gunners-Coach Arsène Wenger, für den die Trennung aber nicht überraschend kam. Mit Olivier Giroud (Montpellier), Santi Cazorla (Malaga) und Lukas Podolski (Köln) hat der Elsässer frühzeitig Ersatz für die  Offensive verpflichtet.

Van Persie ist seit der Gründung der Premier League vor 20 Jahren der erste Arsenal-Spieler, der ins Old Trafford wechselt, auch dank dieses symbolischen Coups strahlte Alex Ferguson auf dem Präsentationsfoto neben seinem neusten Einkauf wie ein Geburtstagskind auf der Vorschulparty. Die Sturmreihe Wayne Rooney – van Persie – Shinji Kagawa (Ex-Dortmund) lässt die United-Fans vom 20. Ligatitel träumen, und auch bei den Finanzen sieht es nach einem erfolgreichen Börsengang in New York wieder besser aus. Der Verkauf von zehn Prozent der Anteile spülte 226 Millionen Franken in die Kassen beziehungsweise in die Taschen der amerikanischen Eigentümer, die immerhin ein Drittel  für die Reduzierung des Schuldenbergs auf 528 Millionen Franken verwendeten.

Die Favoriten kommen aus Manchester

Meister Manchester City, das von der Herrscherfamilie von Abu-Dhabi geführt wird, muss noch auf die nächsten Superstars warten. Trainer Roberto Mancini ist ein Gefangener früherer Sünden: der Italiener darf erst Geld ausgeben, wenn der Scheichverein einen der unzähligen überschüssigen Bestverdiener (Edin Dzeko, Roque Santa Cruz, Emmanuel Adebayor) los wird. City bleibt aber auch ganz ohne Verstärkungen Favorit auf den Titel vor United. Hinter den den Lokalrivalen wird es sehr spannend: die Konkurrenten stellen sich wie Arsenal gerade allesamt völlig neu auf.

Chelsea, zum Beispiel, soll auf Geheiss von Besitzer Roman Abramowitsch nicht nur Champions-League-Sieger sein, sondern nun auch dementsprechend glänzen. Für rund 90 Millionen Franken wurden Eden Hazard (Lille), Oscar (Internacionale) und Marko Marin (Werder) gekauft, die das Spiel der Blauen jünger, flacher und schöner machen werden. Barcelona ist ebenfalls das erklärte Vorbild des neuen Liverpool-Trainers Brendan Rogers, der mit Angreifer Fabio Borini (Roma, 15,6 Millionen Franken) und Nachwuchstalent Joe Allen (Swansea, 24 Millionen) aufgerüstet hat. Bei Tottenham wurde der Portugiese André Villas-Boas beauftragt, die Moderne einzuläuten. Wahrscheinlich aber ohne Spielmacher Luka Modric, den es zu Real Madrid zieht.

 

Irrwitziger kommerzieller Erfolg

Bis Freitag hatte die Elite-Liga bereits 414 Millionen Franken in neue Spieler investiert, 72 Millionen Franken mehr als die Serie und weit über 100 Millionen mehr als die Ligue 1 oder die Bundesliga (siehe Tabelle am Ende). Weder die Wirtschaftskrise noch die Financial-Fairplay-Auflagen der UEFA können dem Siegeszug ernsthaft Einhalt gewähren. Der im Juni abgeschlossene, neue Fernsehvertrag steigert das derzeitige Einkommen ab 2013 um unglaubliche 71 Prozent. Zukünftig wird man 1,52 Milliarden Franken jährlich umsetzen, dazu kommen noch knapp 730 Millionen Franken aus den Auslandsverträgen und 60 Millionen für die Namensrechte von Sponsor Barclays.

Der irrwitzige kommerzielle Erfolg der Liga wird viele Fans von ihren Idolen weiter  entfremden, Fragen nach Moral und Anstand aufwerfen und auch unvorteilhafte mit den Olympioniken aufwerfen. Doch Liga-Chef Richard Scudamore kann sich damit trösten, dass der «goldene Kreislauf», wie er den Boom wegen seiner sich selbst verstärkenden Wirkung nennt, offensichtlich immer weiter geht – egal, ob Großbritannien zwei Wochen lang Siebenkämpferinnen und Ruderern sein Herz schenkt, oder nicht.

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