Der Kampf um die Krone gipfelt im Schnellschach

Erst Schnell- und dann Blitzschach – das sind die nächsten Stufen, mit denen die Schach-Weltmeisterschaft entschieden wird. Die zwölfte Partie war eine langweilige Abtausch-Orgie, und nun sieht sich Herausforderer Sergej Karjakin im Vorteil gegen Titelverteidiger Magnus Carlsen.

Magnus Carlsen (L), of Norway, shakes hands with Sergey Karjakin, of Russia, before round 12 of the 2016 World Chess Championship match in New York U.S., November 28, 2016. REUTERS/Shannon Stapleton

(Bild: Reuters/SHANNON STAPLETON)

Erst Schnell- und dann Blitzschach – das sind die nächsten Stufen, mit denen die Schach-Weltmeisterschaft entschieden wird. Die zwölfte Partie war eine langweilige Abtausch-Orgie, und nun sieht sich Herausforderer Sergej Karjakin im Vorteil gegen Titelverteidiger Magnus Carlsen.

Risiko? Nein danke! Magnus Carlsen «entschuldigte» sich in New York für seinen schwachen «Aufschlag»: Trotz der weissen Steine räumte der Schach-Weltmeister aus Norwegen bereitwillig alle Figuren von Sergej Karjakin zum Endstand von 6:6 ab. Der Russe hatte mit Schwarz auch nichts gegen den Generalabtausch einzuwenden. Nach nur 40 Minuten und der damit kürzesten WM-Partie war alles vorbei. Carlsen wusste, dass die Fans, «ein längeres Duell erwarteten und frustriert sahen, dass keiner mehr in den letzten Minuten der Spielzeit ein Tor erzielen will».

» Schach-WM, Tiebreak: Mittwoch, 30. November, 20 Uhr (MEZ) » worldchess.com

Als Kompensation erhielten sie zwar noch kein «Elfmeterschiessen», wie der Anhänger des FC Barcelona zu weiteren Fussball-Analogien griff, aber am Mittwoch (20 Uhr MEZ) eine «aufregende Verlängerung. Das ist doch auch etwas als Ausgleich.» Das sieht der Weltklasse-Grossmeister Francisco Vallejo Pons genauso und freute sich diebisch über die rasche Punkteteilung. Der Spanier twitterte: «Selbst wenn du einen Favoriten hast, ist es besser, die Tiebreak-Partien zu sehen! Mehr Spass! Mehr Unterhaltung!»

Langweilige Abtausch-Orgie

Karjakin wertete die langweilige Abtausch-Orgie in 30 Zügen, die neben den Königen nur noch je einen Läufer und sieben Bauern übrig liess, als Erfolg für sich: «Mit Weiss hat man einen leichten Vorteil – trotzdem versuchte Magnus erst gar nicht, das auszunutzen. Ich möchte ihn nicht wie ein Boxer vor dem Kampf angreifen, aber ich spüre eine gewisse Unsicherheit bei Magnus. In einer angenehmeren Situation hätte er mit Weiss ganz anders gespielt.»



A man uses his smartphone to video the move monitor of round 12 of the chess match between Magnus Carlsen of Norway and Sergey Karjakin of Russia during the 2016 World Chess Championship match in New York U.S., November 28, 2016. REUTERS/Shannon Stapleton

Ein Beobachter bei der Schach-WM, die im ehemaligen Fischmarkt von Fulton im Süden Manhattans stattfindet. (Bild: Reuters/SHANNON STAPLETON)

Der Norweger räumte zumindest ein, dass das Erreichen des Tiebreaks für ihn ein «Erfolg ist. Ich lag schliesslich drei Runden vor Schluss mit 4:5 zurück – insofern ist die Lage inzwischen wieder viel besser.»

» Die zwölfte Partie im Detail

So funktioniert der Tiebreak

Carlsen freut sich daher auf die Zusatzschicht im ehemaligen Fischmarkt in Fulton im Süden von Manhattan. Auch wenn er sich an seinem 26. Geburtstag gewiss eine unbeschwerte Feier als alter und neuer Weltmeister gewünscht hätte – nun hat er immerhin die Möglichkeit, sich selbst das grösste Geschenk zu machen. Am Mittwochabend kommt es zu mindestens vier Schnellschach-Partien. Jeder Akteur erhält dabei nur noch 25 Minuten Bedenkzeit sowie stets zehn zusätzliche Sekunden als Bonus für jeden ausgeführten Zug.

Dabei gilt Carlsen erneut als Favorit, obwohl Karjakin 2012 Weltmeister im Schnellschach wurde. In der Schnellschach-Weltrangliste liegt indes der Titelverteidiger deutlich vor seinem 26-jährigen Widersacher. Das gilt auch für die Blitzpartien, die es nach einem 2:2 gäbe. Gleich fünfmal zwei könnten es werden – ein noch dramatischeres Spektakel, weil bei fünf Minuten Grundbedenkzeit (plus drei Sekunden Bonus) mehr Fehler programmiert sind.

Entscheidung durch «Armageddon-Partie»

Sollte es selbst da unerwarteterweise keinen Sieger mit einem 5:5 geben, stünde als definitive Entscheidung eine «Armageddon-Partie» an: Der Spieler, der Weiss zugelost bekommt, erhält mit fünf Minuten gegenüber vier mehr Bedenkzeit (plus jeweils drei Sekunden Bonus ab Zug 60) – muss jedoch gewinnen. Bei einem Remis ginge die WM-Krone an Schwarz.

Dass die beiden einstigen Wunderkinder blitzschnell denken, bewiesen sie in der letzten regulären Turnierpartie der WM. Vor allem Carlsen sorgte für ein bisher wohl einmaliges Kuriosum: Der Norweger hatte am Schluss mehr Bedenkzeit auf der Uhr als vor dem ersten Zug. Die digitalen Ziffern zeigten 1:45 Stunden an – fünf Minuten mehr als zu Beginn, weil Carlsen schon fast blitzte und seine 30 Sekunden Zeitgutschrift pro Zug ansammelte.

Ein Grossmeister des Schachs ist gegangen

Zeitgleich zur zwölften WM-Partie in New York starb eine andere grosse Figur des königlichen Spiels mit 90 Jahren: Mark Taimanow. Der sowjetische Meister war ein gefeierter Konzertpianist und nahm mit seiner ersten Ehefrau Ljubow Bruk zahlreiche preisgekrönte Schallplatten auf.

Als sich US-Legende Bobby Fischer auf den Weg zum Weltmeister 1972 machte, fegte er in den WM-Kandidaten-Zweikämpfen unter anderem Mark Taimanow mit 6:0 vom Brett. Dem Russen entfuhr nach dem Debakel ein Satz für die Ewigkeit: «Jetzt bleibt mir nur noch meine Musik!»

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