Der König schluckt Staub

Seit Jahren hatte sich Novak Djokovic diesen Sieg herbeigesehnt, jetzt wurde er Wirklichkeit: Im Viertefinal des French Open hat der Serbe Rafael Nadals Dominanz unter dem Eiffelturm gebrochen.

Spain's Rafael Nadal grimaces after missing a shot in the quarterfinal match of the French Open tennis tournament against Serbia's Novak Djokovic at the Roland Garros stadium, in Paris, France, Wednesday, June 3, 2015. (AP Photo/Christophe Ena) (Bild: CHRISTOPHE ENA)

Seit Jahren hatte sich Novak Djokovic diesen Sieg herbeigesehnt, jetzt wurde er Wirklichkeit: Im Viertefinal des French Open hat der Serbe Rafael Nadals Dominanz unter dem Eiffelturm gebrochen.

Paris. Es war nicht sein Jahr. Es war nicht seine Sandplatzsaison. Und auch an seinem 29. Geburtstag war es nicht die Stunde, der Tag von Rafael Nadal – dem grössten Spieler, der je auf Ascheplätzen umhergewirbelt ist. Als am Mittwochabend abgerechnet wurde nach dem Gigantenduell dieser Internationalen Französischen Meisterschaften, da war der König erst einmal in den Staub gesunken, da war Nadals brutale Herrschaftsperiode unterm Eiffelturm vorerst zu Ende.
 
Ausgehändigt wurde die Abdankungsurkunde von einem brillanten, jederzeit kühl und konzentriert aufspielenden Novak Djokovic, der nach dem 7:5, 6:3, 6:1-Triumph gegen den mallorquinischen Matador die vielleicht grösste Hürde bei seiner grossen, historischen French-Open-Mission übersprang: Jedenfalls darf der Serbe nun erst recht von einem Karriere-Grand-Slam träumen, dem Gewinn aller vier Major-Wettbewerbe wenigstens einmal in seiner Berufslaufbahn.

Der Karawane hinterher

«Es ist ein grosser, ein wichtiger Tag für mich. Aber ich habe hier noch nichts gewonnen», sagte Djokovic, der am Freitag entweder gegen Andy Murray oder David Ferrer anzutreten hat, «meine Taktik ist voll aufgegangen. Aggressiv zu sein, aber kontrolliert.» Ausgerechnet mit einem Doppelfehler um genau 18.14 Uhr, nach 147 Minuten Spielzeit, zwang sich Nadal selbst endgültig in die Knie, es war erst die zweite Niederlage in 72 French-Open-Spielen für den Spanier, neben der gegen den Schweden Robin Söderling 2009 im Achtelfinale. «Es ist ganz einfach: Novak war der bessere Mann», sagte Nadal ohne Umschweife, «das muss ich akzeptieren, das kann ich akzeptieren.»



Serbia's Novak Djokovic celebrates winning the quarterfinal match of the French Open tennis tournament against Spain's Rafael Nadal in three sets, 7-5, 6-3, 6-1, at the Roland Garros stadium, in Paris, France, Wednesday, June 3, 2015. (AP Photo/Christophe Ena)

Novak Djokovic fügte Nadal seine erst zweite Niederlage überhaupt bei diesem Turnier zu. (Bild: Christophe Ena)


 
Auch in seinem roten Tennisparadies, in dem er seit dem Debüt im Jahre 2005 alle Tennis-Herrlichkeit erlebte und sage und schreibe neun Pokalsiege feierte, konnte Nadal die Machtbalance dieser Saison nicht umkehren – so wie er in den letzten Wochen auf Asche der Karawane hinterherlief, keinen einzigen Titel gewann und Djokovics Siegesserie miterleben musste, so war er auch in diesem spektakulären Viertelfinale nur der Schattenmann.

Der Regisseur, der Taktgeber, der Souverän – das war Djokovic, der Capitano der Branche, der mehr Sicherheit und Selbstbewusstsein ausstrahlte. Und der schliesslich auch in allen wichtigen Situationen kühlen Kopf bewahrte. «Ich hatte eigentlich schon früh keinen Zweifel an seinem Sieg», sagte der schwedische Superstar früherer Tage, Mats Wilander. Wenn sich Djokovic überhaupt etwas vorzuwerfen hatte, dann die vergebenen Chancen auf der Zielgerade der ersten beiden Sätze. In Durchgang eins verwandelte er erst den sechsten Satzball, im zweiten Akt kam er mit dem vierten Satzball ans Ziel.

Keine Angst vor Monstern

Nadal hatte zwar in den Auftaktrunden den Eindruck erweckt, als könne er hier in Paris doch irgendwie einen Dreh finden, um sich aus der Ergebniskrise der letzten Wochen und Monate zu befreien. Doch für den Spiel- und Spassverderber einer ganzen Generation von Kollegen kam dann doch der harte, jähe Check mit der Realität dieser Spielzeit – nicht er bestimmt den Gang der Dinge in den geliebten Sand-Kästen, sondern Djokovic, der auch in der Vorbereitungsphase für Roland Garros alles gewonnen hatte, was zu gewinnen war.

Auch die Masters-Titel von Rom und Monte Carlo gehörten zum eindrucksvollen Titel-Portfolio des Schützlings von Boris Becker. Er, der Chefcoach, der auf der Ehrentribüne atemlos verfolgte, wie sich sein Schützling nicht im geringsten von der Pariser Aura Nadals stören liess. Mochte Djokovic auch alle bisherigen sechs Partien verloren haben gegen den Spanier, zuletzt 2012, 2013 und 2014 jeweils im Finale oder Halbfinale, wirkte er doch komplett unbeeindruckt von dieser bitteren Bilanz. Als «Monster» hatte L’Equipe Nadal einmal beschrieben, als sportlichen Allesvertilger in Roland Garros, doch dieses Monster machte Djokovic keine Angst, in keiner Sekunde, in keiner Minute dieses Schlagabtauschs.

«Jetzt darf ich nicht nachlassen, muss weiter hellwach bleiben», sagte Djokovic hinterher – nach einem Sieg gegen Nadal in Paris, den er seit Jahren heftigst herbeigesehnt hatte.

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