Fabian Schär muss nach 35 Minuten vom Feld, weil Paulo Sousa indirekt eingesteht, dass die Aufstellung des FC Basel gegen die Grasshoppers nicht funktioniert. Tränen beim Spieler, Erklärungen vom Trainer.
Der Blick: pure Ungläubigkeit. Die Mimik: baffes Erstaunen. Die Armhaltung: ein einziges Fragezeichen. Es brauchte keinen ausgebildeten Gebärden-Leser, um zu verstehen, was da in Fabian Schär vorging, als er in der 36. Minute der Partie seines FC Basel bei den Grasshoppers vom Feld beordert wurde.
0:1 lag der FCB zu diesem Zeitpunkt zurück. Das Team spielte schwach, bedenklich schwach. Und offensichtlich glaubte Paulo Sousa nicht daran, dass sich ohne sein Zutun daran etwas ändern würde. Also rief der Basler Trainer kurzerhand einen seiner Innenverteidiger vom Feld, um ihn gegen den zentralen Mittelfeldspieler Marcelo Diaz auszutauschen.
Eine Auswechslung nach bloss 35 Minuten – es muss Schär vorgekommen sein wie die Höchststrafe. Und er durfte sich durchaus wundern, warum es gerade ihn getroffen hatte. Natürlich war sein verlorener Zweikampf ein Teil jener Fehlerkette gewesen, die zum Zürcher 1:0 geführt hatte.
Wie der Lehrer und der Schulbub
Doch von der Leistung her hätte sich Sousa gerade so gut auch dafür entscheiden können, Nebenmann Walter Samuel vom Feld zu beordern, der während des gesamten Spiels nie auch nur in die Nähe davon kam, die Ausstrahlung eines Abwehrchefs zu haben.
Mit fragend hoch gezogenen Schultern wollte Schär also an seinem Trainer vorbei in die Garderobe schleichen. Doch da fing Sousa den 22-Jährigen ab und wies ihm mit ausgestrecktem Finger den Weg auf die Ersatzbank. Ein Bild wie das eines Schulbuben, der vom Klassenlehrer zum Nachsitzen verdonnert wird.
Tränen standen dem Nationalverteidiger in den Augen, als er das Spiel von aussen verfolgen musste.
«Er ist ein fantastischer Junge»
Keine Frage, Paulo Sousa hatte einiges an Erklärungsbedarf, als die Partie für die Basler schliesslich mit 1:3 verloren war. Sollte Schär etwa abgestraft werden? Nein, befand Sousa, es sei «ein taktischer Wechsel» gewesen: «Ich wollte mehr Geschwindigkeit, mehr Beweglichkeit gegen vorne, darum habe ich mit Marcelo Diaz einen zentralen Mittelfeldspieler gebracht.»
Schär selbst sei «ein wunderbarer, ein fantastischer Junge». Und Schärs für jedermann sichtbare Reaktion auf seine Auswechslung? Verständlich für Sousa: «Ich kann nicht davon ausgehen, dass ein Spieler froh ist, wenn er nach 30 Minuten raus muss. Sonst wäre er beim FC Basel auch fehl am Platz. Also muss ich auch die Frustration des Spielers verstehen.»
Und trotzdem: Etwas mehr Contenance hätte sich der selbst so emotional an der Seitenlinie dirigierende Sousa von seinem Spieler doch gewünscht: «Es könnte auch eine Lektion für ihn sein, seine Emotionen gegen innen und aussen zu kontrollieren.»
Das Eingeständnis des Trainers
Doch Schär wird nicht der einzige sein, der seine Lehren aus dieser Partie gezogen hat. Sousas früher Wechsel war ja auch so etwas wie sein Eingeständnis, dass seine Aufstellung nicht die richtige gewesen war an diesem Abend.
Gegen vorne ging wenig. Und hinten wirkte die Abwehr gegen ein GC, das bislang mit fünf Toren in sieben Spielen offensiv nicht eben furchterregend angetreten war, nie wie eine unüberwindbare Einheit. Links ein unsichtbarer Behrang Safari, rechts ein Davide Calla, der halt kein gelernter Aussenverteidiger ist. Und in der Mitte mit Fabian Schär und Walter Samuel zwei Verteidiger, deren Stärke nicht im Sprint gegen hinten liegt.
Das war schliesslich auch der Grund, weswegen Schär in der 36. Minute über die Klinge springen musste: Sousa liess Taulant Xhaka an seine Position rücken, den schnellsten des zentralen Defensivtrios. Er habe gewollt, dass seine Mannschaft gesamthaft höher stehe, erklärte Sousa. Und eine hoch stehende Abwehr braucht nun mal mindestens einen Innenverteidiger, der auch mal ein Sprintduell für sich entscheidet.
Dass es dann ausgerechnet Xhaka war, der vor dem 1:3 verzweifelt und zu spät die Abseitsfalle zu stellen versuchte, passte zum gesamten Abend des FCB.
Eine eingespielte Abwehr? Fehlanzeige
So reisen die Basler mit einer deftigen Niederlage gegen einen (ehemaligen?) Krisenclub im Gepäck zu ihrem Startspiel in der Champions League beim überlebensgrossen Real Madrid. Das übrigens am Samstagabend im Bernabeu das Derby gegen Atletico Madrid selbst eine empfindliche 1:2-Niederlage kassierte.
Auf eine eingespielte Abwehr werden die Rotblauen sich am Dienstag in Madrid gegen Ronaldo und Co. nicht verlassen können. Dafür haben Sousas Rotationen gesorgt.
Einer wie Marek Suchy, letzte Saison eine Säule der Basler Hintermannschaft, muss leise in sein Schnuffeltuch weinen, wenn er sieht, dass ihm derzeit der 36-jährige Samuel in seiner ganzen Hüftsteife vor der Sonne steht. Suchy war das letzte Mal am 17. August für den FCB im Einsatz. Kann er derart ohne Spielpraxis überhaupt eine Option für einen Einsatz in Madrid sein?
Und was soll ein Eigengewächs wie Arlind Ajeti denken, wenn er die bisherigen Leistungen des Argentiniers sieht, die kaum über das Prädikat solide hinaus gehen?
«Wir brauchen Fabian»
Die Basler und ihr Trainer sind gefordert in Madrid. Natürlich, sie haben wenig zu verlieren und viel zu gewinnen. Nur wird ein Auftritt wie im Letzigrund im Bernabeu normalerweise mit einer Watsche bestraft.
Fabian Schär jedenfalls dürfte wieder etwas länger als 35 Minuten spielen dürfen. Denn wie befand sein Vornamensvetter Fabian Frei: «Wir brauchen ihn.»