Der Lernende und seine Riesenkiste

Marco Streller hofft, dass seine Anrufe an Georg Heitz schnell weniger werden. Der neue Sportchef kann auf die beratende Unterstützung seines Vorgängers zählen, wenn er im Sommer die sportliche Leitung des FC Basel übernimmt. Für die Ausübung dieser Rolle will der 35-jährige Ex-Spieler schnell lernen – und sich einen mehrsprachigen Mitarbeiter zur Seite holen.

07.04.2017; Basel; Fussball Super League - Mitgliederversammlung FC Basel; Marco Streller (Steffen Schmidt/freshfocus)

(Bild: Steffen Schmidt/freshfocus)

Marco Streller hofft, dass seine Anrufe an Georg Heitz schnell weniger werden. Der neue Sportchef kann auf die beratende Unterstützung seines Vorgängers zählen, wenn er im Sommer die sportliche Leitung des FC Basel übernimmt. Für die Ausübung dieser Rolle will der 35-jährige Ex-Spieler schnell lernen – und sich einen mehrsprachigen Mitarbeiter zur Seite holen.

«So, und jetzt reicht es», sagt Marco Streller und setzt der Fragerunde der Handvoll Journalisten ein Ende. Nicht streng, sondern freundlich, wie der 35-Jährige eben ist, aber doch bestimmt. Es ist 23 Uhr, und Streller tut etwas, was er in Zukunft immer wieder wird tun müssen: Entscheidungen treffen.

Das war während des grössten Teils seines Lebens hauptsächlich die Aufgabe auf dem Fussballplatz, und ein grosser Anhänger davon ist er auch nicht. «Ich bin ein Harmoniemensch und musste erst lernen, Entscheidungen zu treffen», sagt Streller.

Wenige Stunden zuvor haben die Mitglieder des FC Basel an der ausserordentlichen Generalversammlung entschieden, dass Bernhard Burgener im Sommer der neue Mann an der Spitze des Schweizer Meisters werden soll; mit ihm an Bord Marco Streller, der vom Mitglied der Transferkommission zum Sportchef befördert wird. «Ich habe gemerkt, dass das Feuer in mir brennt», sagt Streller zu seinen Beweggründen, diese Aufgabe zu übernehmen.

Es geht nicht nur mit Basler Spielern

Zusammen mit Burgener sowie Massimo Ceccaroni und Alex Frei hat Streller ein Konzept zur Zukunft des FC Basel ausgearbeitet. Streller sagt, «extrem froh» zu sein, dass dieses Konzept durchgekommen ist und es ihn «stolz macht, Teil des Projekts zu sein».

Dieses sieht mehr oder weniger Ziele vor, die der FCB bereits seit Jahren erreicht: Meister werden, Cupsieger ebenfalls, sich für europäische Wettbewerbe qualifizieren und ebenda überwintern.



Die neue Clubleitung des FC Basel mit Bernhard Burgener, links, und Marco Streller, rechts, spricht an der Pressekonferenz nach der ausserordentlichen Mitgliederversammlung des FC Basel im Medienzentrum des St. Jakob-Parks in Basel am Freitag, 7. April 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Die zwei neuen Gesichter, gemeinsam im Medienzentrum des FC Basel: Bernhard Burgener, designierter Präsident, und Marco Streller (links), der neue Sportdirektor. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

Nur in einem Punkt scheint sich das Konzept von der aktuellen Lage zu unterscheiden: Man stehe für ein «klares Bekenntnis zur Region Basel» und wolle pro Saison vier bis acht Perspektivspieler des FCB oder von anderen Vereinen in der ersten Mannschaft haben. Zudem soll die Identifikation mit der Mannschaft wieder gestärkt werden.

Streller sagt dazu aber, dass dies nicht ausschliesslich mit Baslern geschafft werden könne. «Matias Delgado oder Franco Costanzo sind oder waren auch Spieler, mit denen man sich identifizieren kann.» Und Ivan Ergic habe am Ende ja sogar Baseldeutsch gesprochen.

Ein Projekt – so offen wie möglich

Das Projekt ist aus sportlicher Sicht also genügend offen gehalten, damit es der neuen Führungscrew nicht in zwei Jahren vor die Nase gehalten werden kann mit der Kritik, sie habe die Versprechen nicht eingehalten. Sowieso bittet Streller, den ganzen Informationsschwall sacken zu lassen, der den Mitgliedern an diesem Freitagabend in der St. Jakobshalle präsentiert wurde.

In den kommenden Wochen muss das Projekt präzisere Formen annehmen, und alle Beteiligten müssen ihre Rolle darin finden. Auch Streller, denn die Aufgabe ist für ihn eine neue. «Das ist eine Riesenkiste», sagt der in Aesch aufgewachsene Baselbieter mehrmals.

Die neue Clubleitung des FC Basel mit Marco Streller spricht an der Pressekonferenz nach der ausserordentlichen Mitgliederversammlung des FC Basel im Medienzentrum des St. Jakob-Parks in Basel am Freitag, 7. April 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

Er habe vor der Aufgabe keine Angst, nur Respekt. Streller gibt aber zu, dass er die Zweifel an seiner Kompetenz für berechtigt halte. «Ich kenne meine Schwächen. Und man muss Schwächen auch zeigen können. Noch bin ich am Lernen, aber ich werde von Georg Heitz unglaublich gut geschult», sagt er.

Der aktuelle Sportdirektor wird Streller auch nach dem Sommer beratend zur Seite stehen. In einer Zeit, in der «wir alle Fehler machen werden», wie Streller sagt.

Es wird der Moment kommen, da sich Streller von seinem Lehrmeister Heitz emanzipieren muss. Je früher desto besser aus seiner Sicht. «Ich hoffe, dass meine Anrufe bei Georg Heitz schnell weniger werden», sagt Streller.

Die Neuinterpretation der Rolle als Sportdirektor

Die Rolle des Sportchefs will der einstige Stürmer nicht im gleichen Stil ausfüllen wie der einstige Journalist Heitz: «Wir müssen alle unsere eigene Identität finden», sagt Streller, «Bernhard Burgener ist nicht Bernhard Heusler und Marco Streller ist nicht Georg Heitz.»

24 Stunden und an sieben Tagen in der Woche wird der neue Sportdirektor nicht erreichbar sein. Schliesslich hat er «eine Familie zuhause, und die ist mir heilig».



Die neue Clubleitung des FC Basel mit Marco Streller trifft ein zur Pressekonferenz nach der ausserordentlichen Mitgliederversammlung des FC Basel im Medienzentrum des St. Jakob-Parks in Basel am Freitag, 7. April 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

(Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)


«Ich habe gemerkt, dass man nach der Karriere denkt, alles über den Fussball zu wissen. Deswegen brauchte ich zuerst Abstand.»

Er sei in seinem Leben nie strukturiert gewesen, sagt Streller. Das hat sich zwar bei der unternehmerischen Arbeit mit seinem Vater verbessert, er habe da auch erste Managementaufgaben übernommen. Einen Mann will Streller trotzdem neben sich installieren: Roland Heri, der administrative Leiter der FCB-Nachwuchsabteilung. Davon verspricht sich Streller auch, die eigene Verhandlungssicherheit zu stärken. Heri spreche fünf Sprachen, sagt Streller, er selbst neben Deutsch nur Englisch.

Mit Sprachkenntnissen allein wird Streller nicht zu einem guten Sportchef wachsen. Und wie es dazu kommen kann, dass man einen solchen Posten nicht lange ausübt, zeigt das Beispiel Alex Frei, der nach der Karriere beim FC Luzern das Amt des Sportchefs übernahm und nach knapp 20 Monaten zurücktrat.

«Alex ging direkt vom Feld ins Büro», beschreibt Streller die Problematik. «Ich habe gemerkt, dass man nach der Karriere denkt, alles über den Fussball zu wissen. Deswegen brauchte ich zuerst Abstand.»

In den nächsten Tagen mit Fischer zusammensitzen

Auch wenn er diesen Abstand mit seinem Sitz in der technischen Kommission FCB nie wirklich hatte, so ist damit jetzt definitiv Schluss. Längst ist Streller eingebunden in die Entscheidungsfindungen für die kommende Spielzeit, beispielsweise in die Vertragsverlängerung mit dem Innenverteidiger Manuel Akanji bis 2021, die zum Auftakt der Mitgliederversammlung verkündet wurde.

«Es geht jetzt darum, die kommende Saison zu planen. Wir sind jetzt schon spät dran», sagt Streller, «zum weiteren Personal kann ich mich aber nicht äussern». Beispielsweise zur Zukunft von Trainer Urs Fischer.

Man werde sich in den nächsten Tagen zusammensetzen und Gespräche führen. Und dann kommt für Streller irgendwann der Moment, da er seine erste sportliche Entscheidung fällen muss, dann seine zweite, seine dritte. Er wird Entscheidungen treffen müssen, die nicht immer allen gefallen werden. Er, der doch eigentlich ein Harmoniemensch ist.



Marco Streller lacht an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung des FC Basel in der St. Jakobshalle in Basel am Freitag, 7. April 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)

In seinem Element: Marco Streller als Unterhalter an der ausserordentlichen Generalversammlung. Die Lacher der Mitglieder sind der jüngsten aller Vereinslegenden sicher. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)

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