Der letzte Diktator Europas und «die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten»

Morgen startet die Eishockey Weltmeisterschaft 2014. Die Schweiz hat nur Aussenseiterchancen. Aber im Fokus stehen vor dem Turnierbeginn in Weissrussland ganz andere Themen.

Grosser Eishockeyfan und der letzte Diktator Europas: Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko (mitte), weissrussischer Präsident mit Einreiseverbot in Europa. Rechts ein anderer nicht ganz unumstrittener Politiker: Wladimir Putin. (Bild: ALEXEI NIKOLSKY)

Die Eishockey Weltmeisterschaft 2014 startet. Die Schweiz hat nur Aussenseiterchancen, aber im Fokus stehen vor dem Turnierbeginn in Weissrussland ganz andere Themen.

An einem normalen Tag ist der Grenzübergang zwischen dem ostpolnischen Terespol und der weissrussischen Grenzstadt Brest ein Tor mit sieben Siegeln. Hier endet die Europäische Union und Alexander Lukaschenkos Reich beginnt. Die Wartezeiten sind legendär. Diverse Lebensmitteltransporte aus Europa nach Russland machen mittlerweile grosse Bögen um Belarus, weil – so heisst es – keine Ware mehr unverdorben in Moskau ankommen könne.

Ewige Kontrollen, ein überteuertes Einreisevisum, Krankenversicherung und Autobahngebühren – alles für eine kurze Zeit passé, wenn man die goldene Eintrittskarte zeigen kann. In Weissrussland beginnt heute die Eishockey-Weltmeisterschaft, und auf Erlass des allmächtigen Präsidenten Alexander Lukaschenko soll jeder Besucher aus dem Westen, der auch nur ein Ticket in den Händen hält, mit den allerbesten Eindrücken über das Land in der Hauptstadt Minsk eintreffen.

Ganz freiwillig hat Lukaschenko, der gern als der letzte Diktator Europas bezeichnet wird, sein Land allerdings nicht geöffnet. All die Annehmlichkeiten für die potentiellen «Träger des Umsturzes in sein Land» sind Zugeständnisse an den internationalen Eishockeyverband IIHF und ihren Chef René Fasel.

Kommt der Diktaktor nicht zum Hockey, muss das Hockey zu ihm

Wegen permanenter Menschenrechtsverletzungen in Weissrussland hatte das EU-Parlament gegen die Austragung der WM interveniert. Doch Fasel kam den in Bedrängnis geratenen Lukaschenko zu Hilfe. Der Sport dürfe nicht an den Fäden der Politiker hängen, erklärte der Schweizer. Die Statuten würden ausserdem keine Verlegung aus politischen Gründen erlauben. Lukaschenko versprach daraufhin ausverkaufte Spiele und überhaupt, «die beste Weltmeisterschaft aller Zeiten».

Das erste sportliche Grossereignis in der jungen Geschichte Weissrusslands ist für den autokratisch herrschenden Präsidenten – der ebenso, wie 200 Gefolgsleute nicht in die EU einreisen darf und deshalb die beiden letzten Wettbewerbe verpasste – allerdings nicht nur Propaganda-Coup, sondern ebenso Herzensangelegenheit. Eishockey ist in Weissrussland Nationalsport Nummer 1 und Lukaschenko nicht nur grosser Fan, sondern auch leidenschaftlicher Spieler.

25 Eisstadien hat er in den letzten beiden Jahrzehnten bauen lassen, und seinem Lieblingsverein Junost Minsk erst kürzlich die hochmoderne Chizhovka-Arena hingestellt. Die grosse Halle ist nun einer von zwei Austragungsorten der Eishockey-Weltmeisterschaft 2014.

Eine Arena für den Lieblingsverein des Präsidenten: die Chizhovka-Arena in Minsk. (Bild: (Wikipedia/ CC – http://darriuss.livejournal.com/566582.html))

Die Hauptattraktion des Wettbewerbs ist allerdings die Minsk-Arena. 15’000 Zuschauer fasst der Koloss aus Glas und Stahl. Auch Rammstein, Shakira und Elton John waren schon da. Zusammen mit Eisschnelllaufhalle und Radrennbahn hat der ganze Komplex 320 Millionen Euro gekostet. Für das 10 Millionen-Einwohnerland, das gerade durch die grösste wirtschaftliche Krise der vergangenen 20 Jahre laviert eine gewaltige Investition. Ein Kraftakt, der ohne die Rubelspritze der benachbarten Russen wohl gar nicht möglich gewesen wäre.

Überhaupt werden es vorwiegend Besucher aus der Ex-Sowjetunion, vornehmlich Russen und Letten sein, die dieser Weltmeisterschaft ihren Stempel aufdrücken werden. Für das so genannte Fan-Dorf in den Neubauvierteln von Minsk mussten tausende Studenten ihre Zimmer räumen. Angeblich sollen die drei Blöcke, mit 5’000 Betten bereits jetzt für die erste Turnierwoche komplett ausgebucht sein. Fans aus Westeuropa oder Nordamerika befinden sich darunter wenige.

«Together» gilt nicht für die schwächsten der Gesellschaft

«Together we celebrate» grüsst Volat, der Wisent, das WM-Maskottchen in der Hauptstadt von jeder zweiten Häuserwand. Ein Motto, das allerdings nicht für alle gelten wird. Zwar werden die Restaurants des fast 1000 Jahre alten Minsk auf präsidialen Beschluss bis sechs Uhr morgens geöffnet sein, aber ebenso hat die Stadtverwaltung öffentlich angekündigt, dass sie die Stadt von Obdachlosen, Alkoholikern und Prostituierten säubern wird. Viele Kritiker verurteilen diese Aktionen als Massnahmen eines totalitären Systems und fühlen sich an ähnliches Unrecht bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau erinnert.



Germany's Daniel Pietta, center left, collides with Switzerland's Victor Stancescu as they fight for the third place during their ice hockey Four Nations BelSwissBank Cup tournament in Minsk, Belarus, Saturday, Feb. 11, 2012. Switzerland won 1-0. (AP Phot

Die Schweiz spielte 2012 schon mal in Weissrussland. An der WM 2014 tritt die Nationalmannschaft allerdings ersatzgeschwächt an. (Bild: Sergei Grits)

Bei all den politischen Nebengeräuschen wird in Minsk natürlich in den kommenden 16 Tagen vor allem auch Eishockey gespielt. 16 Teams treten an. Das Schweizer Team von Trainer Sean Simpson  ist nach zahlreichen Ausfällen und Absagen nur krasser Aussenseiter. Auch Schweden und Olympiasieger Kanada kommen ohne Superstars, da noch die Playoffs um den Stanley-Cup laufen.

Lediglich die Russen treten nach dem Desaster von Sotschi zur Wiedergutmachung in Bestbesetzung an. Alle Hoffnungen ruhen dabei mal wieder auf Alexander Owetschkin, von den Washington Capitals, der in der Vorbereitung allerdings kein Tor erzielen konnte.

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Das erste Spiel der Schweizer findet am Freitag, 9. Mai 2014, statt: Die Schweizer spielen um 16:45 Uhr gegen Russland (ab 15:30 Uhr auf SRF2).

Spielplan, Tabelle und mehr auf der Seite des Welthockeyverbandes.

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