Der Schlüsselspieler

Unter Murat Yakin ist aus Valentin Stocker eine Art Feuerlöscher geworden, den der Trainer des FC Basel immer dort einsetzt, wo er erhöhte Brandgefahr erwartet. Beim 4:0 gegen die Grasshoppers war das wieder einmal auf dem linken Flügel.

FC Basel's (FCB) Alexander Frei (L) celebrates with Valentin Stocker (C) and Marco Streller after scoring his second goal of the match against Grasshopper Club (GC) during their Swiss Super League soccer match in Basel, November 18, 2012. REUTERS/Michael (Bild: Reuters/Michael Buholzer)

Unter Murat Yakin ist aus Valentin Stocker eine Art Feuerlöscher geworden, den der Trainer des FC Basel immer dort einsetzt, wo er erhöhte Brandgefahr erwartet. Beim 4:0 gegen die Grasshoppers war das wieder einmal auf dem linken Flügel.

Hinten unten, fast beim Po, da zwickt es Valentin Stocker. Vor allem beim Torschuss. Wahrscheinlich habe er deswegen den Ball zweimal Alex Frei hingelegt, scherzt Stocker nach dem 4:0 des FC Basel gegen die Grasshoppers. Nach einem Spiel, das der 23-Jährige geprägt hat wie kein anderer; mit drei Assists und einem herausgeholten Elfmeter.

Stockers Effortleistung ist auch ein kleiner Sieg der Pharmaindustrie. Wie die 93 Minuten Kampfspiel ihm und seinen lädierten Adduktoren bekommen sind, das werde er erst wissen, «wenn die Schmerzmittel abgeklungen sind», meint er. Danach sagt er noch etwas von «durchseuchen» bis zur Winterpause.

Fünf Spiele stehen bis dahin auf dem Basler Programm: zwei in der Liga, zwei in der Europa League, eines im Cup. Und es wäre kein Nachteil für den FCB, wenn Stocker möglichst viele dieser mindestens 450 Minuten vor dem Weihnachtsfest auf dem Feld verbringen würde.

Die unerklärliche Steigerung

Stocker selbst meint, es sei ihm tatsächlich ein Rätsel, warum der FCB nach dem durchwachsenen Saisonstart jetzt offenbar in die Gänge gekommen ist: «Die einen sagen, das sei logisch, weil ein neu zusammengestelltes Team einfach seine Zeit braucht, um sich zu finden. Die anderen sagen, es liege bloss am Trainerwechsel. Irgendwie ist das doch das Schöne am Fussball: Dass du es nicht erklären kannst.»

Dabei ist er selbst doch einer der Gründe für den Wandel zum Besseren. Unter Murat Yakin ist Stocker von einem wichtigen Bestandteil der Mannschaft zum Schlüsselspieler geworden. Zu einer Art Brandlöscher, den der Trainer immer dort einsetzt, wo er erhöhte Brandgefahr erwartet.

Das war nach dem missglückten Experiment mit einem 3-5-2 beim 0:1 in Luzern zunächst im zentralen Mittelfeld. Für viele eine überraschende Positionierung des Flügelspielers, der selbst sagt: «Über aussen kommen meine Fähigkeiten am besten zur Geltung.»

Yakin wollte auf dem Flügel «erhöhte Aggressivität»

Doch im Zentrum sorgte Stocker mit seiner scheinbar angeborenen Aggressivität, seinem unerbittlichen Verhalten im Zweikampf, seinen abgespulten Kilometern für jene defensive Stabilität, die Yakin so wichtig ist. Als es dann ins Spitzenspiel gegen GC ging, schob der FCB-Trainer seinen Feuerwehrmann wieder auf den Flügel: «Weil ich wusste», so Yakin, «dass wir dort gegen GC erhöhte Aggressivität brauchen.»

Nun, besser kann ein an der Taktiktafel ausgeknobelter Plan im Fussball kaum aufgehen. Stocker überforderte die Hoppers mit seiner schieren Präsenz auf der linken Basler Seite. Er war der Flügelspieler, der Alex Frei von seinen physischen Voraussetzungen her nicht sein kann. Einer, der defensiv Zweikämpfe gewinnt und dann offensiv aus vollem Lauf flankt. So wie beim 1:0, als er David Degen bediente.

Stockers Weg in dieser Saison steht fast schon stellvertretend für die Entwicklung, die die gesamte Mannschaft genommen hat: Aus manchmal merkwürdig hadernd wurde zupackend, aus nahe dran aber erfolglos wurde manchmal vom Glück begünstigt.

So wie vor dem Elfmeter zum 2:0, einer Szene über die Stocker sagt: «So etwas habe ich auch noch nie erlebt. Ich dachte, ich sei im Laufduell mit Lang, dann scheinen Lang und Grichting zusammenzustossen, ich werde am Fuss getroffen – und das nimmst du natürlich dankend an.»

Die Gegner schubsen sich selbst zum Elfmeter

Bei der 1:2-Niederlage in St. Gallen Ende August hatte Stocker nach einem nicht für ihn gepfiffenen Penalty noch in einer Art Mischung aus Trotz und Überdruss seine sofortige Auswechslung verlangt. Jetzt schubsen sich die Gegner selbst elfmeterreif in seine Laufbahn. Wirklich erklärbar ist das nicht. Und doch macht es Sinn, wenn Murat Yakin über Stocker sagt: «Er hat sich seine Scorerpunkte verdient, weil er soviel arbeitet.»

Auch das nämlich ist einer der Unterschiede, der zwischen Heiko Vogels Spätphase und dem heutigen FCB auszumachen ist: Aus einer Mannschaft die zu sehr stets nur die spielerische Lösung gesucht hat, wurde eine, die wieder kämpft, beisst und kratzt. Gefordert hatte Vogel das schon nach jener Partie in St. Gallen. Die Umstellung geschafft hat aber Yakin.

Elf Punkte lag der FCB nach dem 0:1 in Luzern hinter dem Tabellenführer GC. Jetzt sind es noch drei Zähler. Valentin Stocker sagt: «Wenn das bis zur Winterpause so bleibt, bin ich zufrieden.» Denn in die entscheidende Phase im Frühjahr nimmt er die aus Basler Sicht beruhigende Gewissheit mit, «dass ein Gegner schon einen sehr guten Tag haben muss, um uns in solchen Spitzenspielen zu schlagen».

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