Der Spion ohne Mission und ein Präsident, der seinen Verein als Anomalie versteht

Christian Constantin und sein FC Sion stapeln tief, bevor die Saison am Sonntag (16 Uhr) auswärts gegen den FC Basel losgeht. Trotz eines neuen Spielers mit viel internationaler Erfahrung und einer intensiven Vorbereitungsphase – inklusive eines geheimen Beobachters, der partout keinen Auftrag gehabt haben soll.

Eric Leger, directeur "Les Fils de Charles Favre", gauche, Nicolas Pillet, secretaire general du FC Sion, centre, Didier Tholot, entraineur du FC Sion, droite, parlent lors de la conference de presse de presentation de la saison 2016/17 du FC Sion ce jeudi 21 juillet 2016 a Granges en Valais. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

(Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)

Christian Constantin und sein FC Sion stapeln tief, bevor die Saison am Sonntag (16 Uhr) auswärts gegen den FC Basel losgeht. Trotz eines neuen Spielers mit viel internationaler Erfahrung und einer intensiven Vorbereitungsphase – inklusive eines geheimen Beobachters, der partout keinen Auftrag gehabt haben soll.

Der FC Sion ist der einzige Verein der Super League, der in seinem Pressezentrum Wein ausschenkt. Als seriöses Medium machen wir von diesem Angebot bei den Spielen im Tourbillon selbstredend keinen Gebrauch. Wenn die Westschweizer aber vier Tage vor dem Saisonstart zur Gesprächsrunde auf ein Weingut laden, dann wehren wir uns nicht mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, sondern nehmen dankend an.

Wir fahren durch den Lötschberg, nehmen in Sierre das Postauto nach Granges, erkundigen uns dort beim Camping Robinson nach dem Weg zur Baumschule Favre, wo wir warten sollen, bis uns jemand abholt. Nach einer halben Stunde in der Hitze dieses trockenen Klimas, das den Weinbau begünstigt, fährt ein Kleinbus vor, sammelt das gute Dutzend Journalisten ein und fährt hoch zu einem kleinen Schloss. Auf einer Schotterstrasse, die so oft die Richtung ändert, wie die abgelaufene Saison des FC Sion unstet war.

«Er macht es gut. Es nervt mich nur, wenn er gegen Vaduz verliert»

Christian Constantin zur Leistung seines Trainers Didier Tholot

Rang fünf war es am Ende und im hier so heiss geliebten Cup bedeutete der Halbfinal gegen den späteren Sieger und Absteiger FC Zürich das Aus. Die internationalen Plätze erreichten die Angestellten des Präsidenten Christian Constantin nicht.

Als dieser oben auf dem Schloss eintrifft, ist die Hitze starken Windböen gewichen. Den Strohhut eines Journalisten weht es in die Reben, Constantins vom Winde zerzaustes Haar lenkt ab von seiner Kleidung: im pinken Leinenhemd, ein himmelblauer Pullover über die Schultern geworfen, in weissen Jeans und weissen Lederschuhen steht er da und sagt: «Écoute!»



Christian Constantin, president du FC Sion, parle aux journalistes lors de la conference de presse de presentation de la saison 2016/17 du FC Sion ce jeudi 21 juillet 2016 a Granges en Valais. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Christian Constantin im Zentrum, beobachtet vom Mann, dessen Hut dem Wind nicht standhält. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)

Écoute. Als ob dem Präsidenten sonst keiner zuhören würde. Ihm, der in seinem Kanton jährlich 15 Millionen für den Verein auftreiben könne, wie er sagt, und einen grossen Teil des Restbetrags aus seiner Tasche begleiche. Mehr sagt er nicht zum Budget des FC Sion, für den am Sonntag die Saison beginnt, auswärts gegen den FC Basel, dessen finanzielle Möglichkeiten grösser sind.

«Der mit dem meisten Geld hat auch am meisten Erfolg. Schauen Sie nur, welche Beträge mit dem Weggang von Breel Embolo oder gar der Beteiligung an Granit Xhakas Weiterverkauf bei Basel eingegangen sind», stimmt Constantin das Lied eines kleinen Vereins an. «Dass wir überhaupt in der Super League spielen, ist eine Anomalie.»

Arthur Boka: neu beim FC Sion und ein guter Freund von Doumbia und Serey Die

Constantin stapelt tief. Das gehört zu seiner Person wie häufige Trainerwechsel zu seinem Führungskonzept. Zumindest war das in den letzten Jahren so: Didier Tholot sitzt allerdings seit eineinhalb Jahren auf dem heissen Stuhl des Sittener Übungsleiters. «Bien», mache der Franzose seine Arbeit, sagt Constantin, «es nervt mich nur, wenn er gegen Vaduz verliert. Wir haben letzte Saison zu viele Punkte gegen die kleineren Mannschaften liegen lassen.»

Man wolle besser abschneiden als im Vorjahr. Präziser wird Constantin bezüglich der Ziele nur, wenn er den Blick auf einzelne Spieler richtet: Vom 20-jährigen Edimilson Fernandes verlangt der Patron beispielsweise, dass dieser ein Führungsspieler wird.



Edimilson Fernandes, le joueur du FC Sion, en action pendant un entrainement apres la conference de presse de presentation de la saison 2016/17 du FC Sion ce jeudi 21 juillet 2016 a Granges en Valais. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Edimilson Fernandes, der Spieler, der mehr Verantwortung übernehmen soll. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)

Eine tragende Rolle einnehmen soll auch Arthur Boka, der 13 Jahre älter ist als Fernandes. Boka ist einer von bisher elf Zuzügen. Einige kommen aus Leihgeschäften zurück, viele stossen aus unteren Ligen zum Team wie beispielsweise der ehemalige Berner Freddy Mveng von Xamax oder der Ostschweizer Nicolas Lüchinger von Chiasso. Boka ist der grösste Name der Neuen, mit acht Jahren Bundesligaerfahrung, einem Meistertitel mit Stuttgart und zuletzt zwei Jahren in der Primera Division bei Malaga.

«Unser Präsident ist anders als sonstige Präsidenten» 

Arthur Boka zu seinem neuen Arbeitgeber

Als 85-facher Nationalspieler der Elfenbeinküste wurde Boka nicht in das Kader aufgenommen, das 2015 den Titel am Afrika-Cup gewonnen hat. Boka hat es verpasst, mit Seydou Doumbia und Geoffroy Serey Die diesen Titel zu holen und an den ausufernden Feierlichkeiten teilzunehmen.

Mit den beiden Baslern steht er trotzdem in engem Kontakt: «Wir sind Freunde, am Sonntag gegen sie zu gewinnen, würde mich freuen», sagt Boka, dem Serey Die von seinem ehemaligen Verein Sion erzählt habe. «Unser Präsident ist anders als sonstige Präsidenten», sagt Boka, «und es macht umso mehr Spass, unter einer solchen Persönlichkeit Fussball zu spielen.»



Arthur Boka, le joueur du FC Sion, pose lors de la conference de presse de presentation de la saison 2016/17 du FC Sion ce jeudi 21 juillet 2016 a Granges en Valais. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)

Der grösste Name im Portfolio des Sittener Transfersommers: Arthur Boka vor der Kulisse seiner neuen Heimat. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)

Der FC Basel sei für Boka und den FC Sion «eine grosse Herausforderung gleich am Anfang der Saison», sagt Trainer Tholot, der letzte Saison sämtliche vier Vergleiche mit Urs Fischers Meisterteam verlor. Während der eigenen Vorbereitung, in der Sion in fünf Spielen 13 Tore erzielt und 10 Gegentreffer erhalten hat, hat Tholot den FC Basel einmal selbst beobachtet: bei der 0:1-Niederlage gegen die AS Monaco.

Sion umgeht Basels Versuch, taktische Trainings geheim zu halten

Die übrige Gegneranalyse hat Tholot am Bildschirm erledigt. Und mit Beobachtern vor Ort: Ein paar wenige Kilometer vom Weingut entfernt hielt nämlich der FC Basel in der Vorwoche sein zweites Trainingslager ab.

Kameramänner wurden gebeten, Fischers taktische Einheiten nicht zu filmen, als ob der FC Sion im Lokalfernsehen den Gegner studieren würde. Das konnte der dreizehnfache Cupsieger wahrlich einfacher haben. Wenn sich der Gegner schon vor der eigenen Haustüre vorbereitet, dann lässt man sich das nicht entgehen, dachte sich Veroljub Salatic und verfolgte das Basler Training, mit einer Sonnenbrille getarnt.



15.07.2016; Crans Montana; Fussball Super League - Trainingslager FC Basel; Sions Vero Salatic beobachtet das Training (Andy Mueller/freshfocus)

Veroljub Salatic und der Versuch einer Tarnung: Durch die Sonnenbrille beobachtet der Captain des FC Sion das Training des FC Basel. (Bild: Andy Mueller/freshfocus)

Tholot habe von Salatics Trainingsbesuch gewusst. Auf Mission für den FC Sion sei der Mittelfeldspieler aber nicht gewesen, sagt der Trainer und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. «Veroljub ist einfach ein Fussballverrückter, der wollte sich das ansehen.» Als Tholot das sagt, ist gut eine Stunde vergangen, seit der ganze Tross auf dem Vorplatz des kleinen Schlosses angekommen ist.

Wir erwähnen dieses Weingut nochmals, weil wir es den Brüdern mit dem Namen des aktuell bekanntesten Westschweizer Trainers schuldig sind. Denn wir geben zu, dass wir dem Präsenten des Winzers nicht widerstehen konnten: eine Flasche Fendant, eine «Dame de Sion». Es sei einer der wichtigsten Apéroweine dieses Kantons, erklärt uns ein Einheimischer, als wir uns zu Fuss auf der Schotterstrasse auf den Rückweg machen, hinunter, in Richtung Camping Robinson.

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