Der Traum vom Schweizer Final auf Basler Boden

Am Wochenende beginnen in der St. Jakobshalle die Swiss Indoors. Aus einem hochkarätigen Teilnehmerfeld stechen Roger Federer und Stan Wawrinka, sein Nebenmann von Weltformat, heraus. Auf dem Papier treten die beiden im Endspiel gegeneinander an.

Roger Federer of Switzerland hits a return shot while playing against Albert Ramos-Vinolas of Spain during their men's singles match at the Shanghai Masters tennis tournament in Shanghai, China Tuesday Oct. 13, 2015. (Chinatopix via AP) CHINA OUT

(Bild: Keystone)

Am Wochenende beginnen in der St. Jakobshalle die Swiss Indoors. Aus einem hochkarätigen Teilnehmerfeld stechen Roger Federer und Stan Wawrinka, sein Nebenmann von Weltformat, heraus. Auf dem Papier treten die beiden im Endspiel gegeneinander an.

Als Michael Stich in der zweiten Juli-Woche auf seine Spielerliste blickte, muss er zwischen Verärgerung und Panik geschwankt haben. Stich, der ehemalige Wimbledon-Champion, ist Boss des Hamburger-Rothenbaum-Turniers, ein Wettbewerb in der gleichen Kategorie wie die Swiss Indoors: ein ATP 500. 

Was Stich auf seiner Liste erblickte, war nicht Überfluss, sondern Mangel. Kein Spieler aus den Top 10 fand sich da, nicht einmal einer aus den ersten 20. Stichs nominell bester Mann war der Spanier Tommy Robredo, die Nummer 21 der Weltrangliste, auch er nicht gerade ein Publikumsmagnet.

In letzter Minute leierte Stich dann noch eine grosse Sammelaktion an, eine Art Spendeninitiative, um einen der wirklich grossen Namen zum Traditionswettbewerb zu lotsen. Was dann auch gelang: Rafael Nadal, damals in erheblicher Krise, kam für einige Hunderttausend Euro, sah und siegte. Der Mann von der Insel: so etwas wie ein Rettungspaket für Stich und Co.

Gleiche Liga, anderer Status

Nadal wird auch eine der Hauptattraktionen sein beim Basler Tennisspektakel, das am Wochenende mit der Qualifikation beginnt. Der Spanier ist der «Top Act» am Montag, als einstiger Weltranglisten-Erster aber weit davon entfernt, den Erwartungsdruck für einen geglückten, erfolgreichen Turnierverlauf allein auf seinen Schultern tragen zu müssen.

Hamburg und Basel mögen zwar in ein und derselben Liga spielen, ganz offiziell, aber in Wahrheit stehen diese beiden traditionsreichen Standorte für zwei verschiedene Tenniswelten. Und für die Paradoxie und Ungereimtheit des Systems ATP, in dem die offiziellen Turnierkategorien gelegentlich blosse Makulatur sind.



Rafael Nadal of Spain celebrates after defeating Stan Wawrinka of Switzerland in the quarterfinal match of the Shanghai Masters tennis tournament in Shanghai, China, Friday, Oct. 16, 2015. (AP Photo/Andy Wong)

Eines der Zugpferde der Swiss Indoors: Rafael Nadal, der jüngst Stan Wawrinka in Shanghai bezwungen hat. (Bild: Keystone/ANDY WONG)

Basel, das bestens vernetzte, finanzstarke, von Sponsoren umschwärmte Turnier, steht sozusagen am attraktiveren Ende der Skala, weit entfernt von den prekären Zuständen etwa in Hamburg. In diesem Jahr können die Macher um den allgewaltigen Turnierchef Roger Brennwald Rekorde im Serienmodus vermelden – und der werthaltigste unter ihnen ist der bisherige Cut von Weltranglistenplatz 29, um automatisch ins Hauptfeld zu gelangen.

Nur noch einmal zum Vergleich: Beim Turnier der identischen Kategorie in Hamburg war – bis zu Nadals teurem Zukauf – die Nummer 21 der Weltrangliste die Nummer 1 der Setzliste.

Tennis in Basel in nicht nur Federer – aber ohne ihn ist alles nichts

Fakt ist allerdings auch: So wie andernorts mit einem grossen Namen wie Nadal und um dessen möglichst langen Verbleib im Turnier gezittert wird, so hängen Stimmung, Atmosphäre und Wahrnehmung der Swiss Indoors massiv von Roger Federer ab – umso mehr, da sich alle auch in Basel ausrechnen können, wie oft der 17-fache Grand-Slam-Sieger in seiner auslaufenden Karriere noch in der St. Jakobshalle wird antreten können.

Tennis in Basel, das ist zwar keineswegs nur Federer. Nein, der Rekordmann ist nicht alles – aber ohne ihn und seine Erfolge ist alles eben nichts.

Federer: «Das ist der Moment, in dem du gut spielen willst»

Federer kommt im Grunde ausgeruht nach Basel. Er hat sich nach den US Open sehr rar gemacht in diesem Herbst, spielte nur die beiden Einzelpartien in der Davis-Cup-Relegation gegen die Niederlande und verlor dann die Auftaktbegegnung in Shanghai gegen den Spanier Albert Ramos-Viñolas.



<p>Roger Federer of Switzerland hits a return shot while playing against Albert Ramos-Vinolas of Spain during their men's singles match at the Shanghai Masters tennis tournament in Shanghai, China Tuesday Oct. 13, 2015. (Chinatopix via AP) CHINA OUT</p>

Roger Federer of Switzerland hits a return shot while playing against Albert Ramos-Viñolas of Spain during their mens singles match at the Shanghai Masters tennis tournament in Shanghai, China Tuesday Oct. 13, 2015. (Chinatopix via AP) CHINA OUT</p> (Bild: Keystone)

In Basel muss Federer noch einmal Fahrt aufnehmen. Um einerseits in Basel bei der Pokalvergabe mitzumischen, andererseits aber auch, um in Schwung zu kommen für die inoffizielle Weltmeisterschaft in London.

«Basel ist immer etwas ganz Besonderes, ein sehr spezieller Reiz», sagt Federer, «diese Woche ist mit vielen Emotionen verbunden. Freunde, Bekannte, Verwandte, die Familie – alle sind in der Halle. Das ist der Moment, in dem du gut spielen willst.»

Die Veredelung einer Saison

Wozu Federer und Stan Wawrinka, der Nebenmann von Weltformat, in Basel imstande sind, ist schwer einzuschätzen. Federer hätte sich bei seinem Trip ins entfernte Shanghai zweifellos mehr Wettkampfgeschehen erhofft, um Punkte zu sammeln und sein Heimturnier mit mehr innerem Rückhalt angehen zu können.

Nun erwartet ihn eine komplizierte Herausforderung auf vertrautem Grund und Boden, umso mehr, wenn man sich das mit Topleuten gespickte Teilnehmerfeld anschaut. Will Federer eine unliebsame Ernüchterung vermeiden, muss er vom Start weg in Spitzenform spielen.

Federer könnte auf den letzten Metern eine Saison veredeln, in der er sich selbst und der Fachwelt weiter seinen ausserordentlichen Status in der engeren Weltspitze des Herrentennis bewiesen hat. Der vierfache Familienvater gehört mit seinen 34 Jahren noch immer und immer wieder zu den ernsthaftesten Herausforderern des Tennis-Herrschers Novak Djokovic, ganz gleich, ob Federer nun auf Platz 2, 3, 4 oder 5 der Weltrangliste steht.

Federers astronomischer Rückstand auf Djokovic

Federer hat heuer viele grosse Matches gegen den Serben verloren, allen voran die beiden Grand-Slam-Finals in New York und Wimbledon. Aber er hat Djokovic auch zwei Endspiel-Niederlagen zufügen können, in Dubai und in Cincinnati. Immerhin.

Genau genommen kann sich Federer gerade in seinem ärgsten Rivalen Djokovic wiedererkennen, der Djoker dominiert die Branche auf ähnlich drastische Weise wie Federer vor acht, neun Jahren auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft. Derzeit hat Federer als Nummer 3 der Rangliste frappierende 8350 Punkte Rückstand auf Djokovic, der Frontmann ist in astronomischer Entfernung. Aber das zählt auch nicht mehr wirklich für Federer.

Der einzige, der eine nahezu perfekte Saison Djokovics vereitelte, ist Wawrinka. Mag dieser auch immer mal wieder betonen, dass ihm ein gleichmässiges Wirken auf allerhöchstem Niveau nicht gegeben ist, so bleibt doch festzuhalten: 2015 war die Serie mit den meisten Ausrufezeichen in der Karriere des Romands, gerade auch noch einmal mit einem Turniersieg in Tokio im Herbst.

Die Rolle Wawrinkas

Doch natürlich bleibt von diesem Jahr am eindringlichsten der Paukenschlag des Roland-Garros-Triumphs haften; der Sieg im Final gegen den scheinbar unbezwingbaren Djokovic, die Königs-Rolle bei den French Open.

Stan Wawrinka of Switzerland wipes his sweat while playing against Rafael Nadal of Spain during their quarterfinal match of the Shanghai Masters tennis tournament in Shanghai, China, Friday, Oct. 16, 2015. (AP Photo/Andy Wong)

In Shanghai unterlag Stan Wawrinka zwar Rafael Nadal. Er startet bei den Swiss Indoors aber in einer Saison, in der er gar zum French-Open-Sieger wurde. (Bild: Keystone/ANDY WONG)

Wawrinka widerlegte ganz nebenbei auch noch die weitverbreitete Annahme, er sei nur ein One-Hit-Wonder bei den überstrahlenden Grand-Slam-Turnieren. «Paris, das wird immer unvergesslich bleiben. Ein Tag, ein Sieg, den man für immer festhalten will», sagt der 30-Jährige, der an den Swiss Indoors letztes Jahr bereits in der ersten Runde scheiterte.

Federer und Wawrinka könnten im Final aufeinandertreffen

Wo Matador Nadal schwächelte und zwischenzeitlich bis auf Platz 10 der Weltrangliste abrutschte, nahm Wawrinka den frei gewordenen Rang unter den Big Four ein – auch und vor allem, weil er bei den Grand Slams jeweils bis in die prickelnde Schlussphase im grossen Spiel vertreten war.

Der einstige Zauderer und Zögerer wirkte in dieser Saison stets zupackend auf bedeutendem Parkett, erreichte die Halbfinals in Melbourne und New York, schied in einem packenden Fünfsätzer in Wimbledon gegen Gasquet aus. Seine Wege kreuzten sich oft genug mit denen Federers, den er in Paris heftig abfertigte, dem er in New York Wochen später allerdings ebenso klar unterlag. Der stärkere Konkurrenzcharakter in ihren Matches änderte nichts an den gemeinsamen Davis-Cup-Interessen und der freundschaftlichen Beziehung.

Die aussergewöhnliche Besetzung der Swiss Indoors

In Basel sind Federer und Wawrinka an Nummer 1 und 2 gesetzt, im Idealfall würden sie nach Abwehr aller Jäger im Endspiel aufeinandertreffen. Nur: Was sie an Gegnerschaft erwartet, das ist erlesen.

Gesamthaft betrachtet ähnelt die Teilnehmerliste sowieso eher einem ATP-1000er-Turniers: Zehn der besten 15, 13 der besten 20 in der Weltrangliste sind gemeldet.
Darunter der japanische Superstar Kei Nishikori (ATP 6), Nadal (7) und der kanadische Ballermann Milos Raonic (9). Dazu kommen Grössen wie Gasquet (12), John Isner (13), Marin Cilic (14), Gilles Simon (15), David Goffin (16), Dominic Thiem (19) und Ass-Weltrekordler Ivo Karlovic (20).

An den Swiss Indoors gibt es kaum noch Veränderungs- und Verhandlungsspielraum hinsichtlich der Vergabe der acht Plätze für das Tour Finale in London – nur der Japaner Nishikori könnte in Basel auch faktisch sein Mitwirken in London klar machen.

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