Der Isländer mit der Vorliebe für die modische Jogginghose erzählt auf der Reise nach Polen von einer speziellen Nacht mit der Nationalmannschaft, von seiner Karriere in der Unterhaltungsbranche und er gibt einen Hinweis darauf, warum er beim FC Basel derart oft eingesetzt wird.
Gut, dass Birkir Bjarnason vor diesem Kiosk stehen bleibt. Auf dem Weg zum Flugzeug markiert die Verkaufsfläche eine Abzweigung, an der sich reihenweise Spieler des FC Basel für die falsche Richtung entscheiden. Breel Embolo war es vor einem Jahr passiert, als der FCB an die Anfield Road nach Liverpool reiste. Und an diesem Mittwoch würden sich unter anderem Michael Lang oder Taulant Xhaka verlaufen, wenn da nicht Birkir Bjarnason stünde.
Den Kameraden am EuroAirport den Weg weisen, das lässt der zurückhaltende Charakter des Isländers gerade noch zu. Wenn es auf dem Feld darum geht, Kommandos zu geben, steht Bjarnason nicht in der ersten Reihe. Dafür sind Dienstältere zuständig, der 27-Jährige bringt seit einer halben Saison andere Qualitäten in die Mannschaft ein.
«Ich mag diese Liga»
In einer Juli-Nacht war Bjarnason in Crans-Montana zusammen mit Sportchef Georg Heitz angekommen und lernte beim Frühstück diese Mannschaft kennen. Wenige Trainingsstunden und einen Tag später reiste er mit dem Team nach Basel, das seit dann seine Heimat ist.
«Diese Nacht danach, die war ganz speziell.» – Bjarnason zur Gefühlslage nach der EM-Qualifikation
Anlaufzeit benötigte der Rechtsfuss kaum. Bjarnason setzte sich im Gegensatz zu anderen Neuzugängen wie etwa Jean-Paul Boëtius auf Anhieb durch. Er verdrängte auf dem linken Flügel Shkelzen Gashi, den besten Ligatorschützen der abgelaufenen zwei Spielzeiten – auch deswegen, weil sich eine seiner Befürchtungen nicht bewahrheitete und er darum beruhigt seiner Arbeit nachgeht.
«Ich hatte Angst, dass das Niveau nicht so hoch ist in der Schweizer Liga, von der ich ehrlich gesagt nichts wusste», sagt Bjarnason vor dem Abflug nach Posen, wo er mit dem FC Basel am Donnerstag in der Europa League das letzte Gruppenspiel bestreitet. Inzwischen hat sich der 44-fache Nationalspieler eine Meinung über den Wettbewerb gebildet: «Ich mag die Liga.»
Und der Trainer mag ihn. Nur vier Spieler haben mehr Partien auf dem Platz erlebt als Bjarnason mit seinen 24 Einsätzen. 19 Mal stand er in der Startformation, sechs Tore erzielte er, darunter den wegweisenden Ausgleich in Florenz. Fünf Treffer bereitete er vor – in der Mannschaftswertung liegt er mit elf Scorerpunkten auf dem fünften Rang.
Bjarnasons Karriere in der Unterhaltungsbranche
Keine Frage: Birkir Bjarnason, in Akureyri geboren und als Jugendlicher mit der Familie nach Norwegen ausgewandert, ist angekommen in der Schweiz. In einem Land, «dessen Kultur mir näher ist» als diejenige in Italien. Dort, beim Serie-B-Verein Pescara Calcio, nach Lüttich und Sampdoria die dritte Station im Ausland, schätzte er das «grossartige Essen und den grossartigen Fussball». Inzwischen wohnt der Mann mit den langen Haaren, der Veränderungen im Leben mag, in der Basler Grenzgemeinde Allschwil.
Birkir Bjarnason bei der Tätigkeit, die seit zehn Jahren sein Berufsleben ausmacht. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
Von Allschwil aus kann er auf dem Weg zum Training die Stadt umfahren. Nicht, dass Bjarnason das Zentrum der Region und dessen Menschen meiden würde. Mit der Bekanntheit als Fussballer hat sich Bjarnason längst abgefunden. Er akzeptiert sie, vor allem deswegen, weil sie für ihn nie ein Problem gewesen sei. Schon gar nicht in der Schweiz.
Das Leben in der Öffentlichkeit gehöre zu einem Job in der Unterhaltungsindustrie dazu. «An meiner Haltung oder meinen Überzeugungen hat sich deswegen nichts verändert», sagt Bjarnason, der eine Vorliebe für die modische Jogginghose hat. Es gebe in dieser Branche Fussballer, Schauspieler oder Musiker, «das ist alles recht ähnlich», alle müssten sich mit der Bekanntheit arrangieren.
Basel steht für das erfolgreichste Jahr in Bjarnasons Leben
Basel ist in Bjarnasons Leben also eine Station, um in der Unterhaltungsbranche weiter aufzusteigen. «Ich war überrascht, wie hoch das fussballerische Niveau in der Schweizer Liga ist und sehe Basel als den nächsten Schritt, der mich in meiner Karriere weiter bringen wird.»
Erfolg: ja. Aber deswegen gleich in ausufernden Jubel ausbrechen? Birkir Bjarnason ist ein zurückhaltender 27-Jähriger, da muss nach einem Tor gegen Luzern auch mal dieser Jubel reichen. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)
Offen ist, wann dieser nächste Schritt kommt; sicher ist, dass Bjarnason ein bis Sommer 2018 gültiges Arbeitspapier besitzt. Gründe für einen voreiligen Transfer gibt es keine, zumal der rechte Flügel in zehn Jahren als Berufsfussballer bereits fünf Mal den Verein gewechselt hat.
Zudem steht Basel für das Jahr in Bjarnasons Leben, das sportlich sein bisher bestes ist. Er ist auf gutem Weg, den ersten Meistertitel seiner Karriere zu gewinnen, und den Höhepunkt seines fussballerischen Schaffens hat er ebenfalls als Arbeitnehmer des FC Basel erlebt: Bjarnason gehört zu der isländischen Nationalmannschaft, die sich zum ersten Mal für eine Endrunde qualifiziert hat.
«Diese Nacht danach, die war ganz speziell»
Hält er sein Level, dann wird Bjarnason 2016 als Stammspieler an die Europameisterschaft nach Frankreich fahren. Das Turnier steht nicht unmittelbar vor der Tür, der Fokus liegt auf dem Sieg im Cup-Viertelfinal am Sonntag in Sion. Damit wäre der FCB auch im dritten Wettbewerb weiterhin vertreten.
Zu weit in die Zukunft blicken mag Bjarnason nicht. Vielmehr will er noch loswerden, dass der Moment der Qualifikation für die Europameisterschaft ein denkwürdiger war. «Diese Nacht danach, die war ganz speziell.»
Wenige Minuten bleiben in diesem Moment bis zum Abflug nach Polen. Und weder ist der Isländer ein unaufhaltbarer Erzähler für detailreiche Anekdoten aus dieser Nacht, noch reicht die Zeit dafür. Bjarnason bittet, das Gespräch am Gate weiterzuführen. Den Weg dahin kennt er.
Entspannt ist Birkir Bjarnason (links) nicht nur, wenn er neben Germano Vailati (Mitte) und Walter Samuel auf sein Gepäck wartet. Entspannt ist Bjarnason eigentlich immer dann, wenn er nicht auf dem Fussballfeld in Duelle verwickelt ist. (Bild: Keystone/GEORGIOS KEFALAS)