Der Unterschied zu 1994? «Die alte Generation hatte Hagi, die heutige nicht»

Die Rumänen hätten 1994 den WM-Titel gewinnen müssen. Das sagt zumindest ihr damaliger Überspieler Gheorghe Hagi. An der Europameisterschaft sind die Realitäten andere – und am Mittwoch trifft Rumänien in Paris auf die Schweiz (18 Uhr).

Football Soccer - France v Romania - EURO 2016 - Group A - Stade de France, Saint-Denis near Paris, France - 10/6/16 Romania's Bogdan Stancu celebrates after scoring their first goal REUTERS/Christian Hartmann Livepic

(Bild: Reuters/Christian Hartmann)

Die Rumänen hätten 1994 den WM-Titel gewinnen müssen. Das sagt zumindest ihr damaliger Überspieler Gheorghe Hagi. An der Europameisterschaft sind die Realitäten andere – und am Mittwoch trifft Rumänien in Paris auf die Schweiz (18 Uhr).

Gabriel Torje sagt: «Es gibt Mannschaften, die an solchen Niederlagen zerbrechen. Aber es gibt auch Teams, die gestärkt daraus hervorgehen.» Und Nicolae Stanciu sagt: «Auch wenn wir verloren haben, hat die Mannschaft gezeigt, wie stark sie sein kann. Wir brauchen uns hier nicht zu verstecken.»

Gabriel Torje? Nicolae Stanciu? Die Namen der rumänischen Fussballer klingen noch immer ungewohnt für das Publikum. Aber die Rumänen haben bei der glücklosen 1:2-Niederlage im EM-Eröffnungsspiel gegen Gastgeber Frankreich Mut geschöpft. Aus den Worten von Torje und Stanciu sprechen eher Mut und Aufbruch als Verzweiflung nach dem späten K.o. gegen Frankreich durch das sagenhafte Tor Dimitri Payets kurz vor dem Abpfiff.

Und Optimismus verbreitet auch Trainer Anghel Iordanescu vor dem zweiten Gruppenspiel an diesem Mittwoch im Parc de Prince gegen die Schweiz (18 Uhr). Der 66 Jahre alte Trainer sagt: «Wir hätten gegen Frankreich einen Punkt verdient gehabt, es war eine tadellose Leistung. So müssen wir auch gegen die Schweiz auftreten.»



Romania coach Anghel Iordanescu shouts during the Euro 2016 Group A soccer match between France and Romania, at the Stade de France, in Saint-Denis, north of Paris, Friday, June 10, 2016. (AP Photo/Thibault Camus)

67 Jahre alt und kein bisschen müde, jeden Zentimeter der Coachingzone auszunutzen: Rumäniens Nationaltrainer Anghel Iordanescu während der Partie gegen Frankreich. (Bild: Keystone/THIBAULT CAMUS)

Vor acht Jahren stand Rumänien letztmals auf der EM-Bühne, die letzte WM-Teilnahme liegt schon 18 Jahre zurück. Der Fussball im Land am Schwarzen Meer bringt keine Könner mehr mit der Klasse eines Gheorghe Hagi, eines Gheorghe Popescu oder eines Ioan Lupescu hervor, die in den 1990er-Jahren die Grössen im Weltfussball verunsicherten.

Das denkwürdige 4:1 der Schweiz gegen Rumänien

Bei der WM 1994 in den USA, als die Rumänen der Schweiz in einem denkwürdigen Spiel mit 1:4 unterlagen, hätte man den Titel gewinnen müssen, sagt Hagi noch heute. Der ganz grosse Erfolg blieb aber auch dieser Generation versagt. Das WM-Aus 1994 im Viertelfinale im Elfmeterschiessen gegen Schweden war der grösste Erfolg und zugleich die vielleicht grösste Niederlage des rumänischen Fussballs.

Der aktuelle Linksverteidiger Razvan Rat kennt die Vergleiche mit den Helden der Vergangenheit, er sagt: «Die Hagi-Generation hat Massstäbe gesetzt, man nennt sie die goldene Generation.»

Die Unterschiede zur goldenen Generation sind nicht so gross

Diese rumänische Auswahl gehört neben der ungarischen, der nordirischen und der albanischen zu den grossen Unbekannten des Turniers. Sich einen Namen machen zu wollen auf dieser Fussball-Messe, ist ein grosser Antrieb für die Namenlosen. Dabei, findet Anghel Iordanescu, sei der Unterschied zwischen der goldenen Elf und der aktuellen gar nicht so gross: «Die alte Generation hatte Hagi, die heutige nicht.»



epa05355929 Bogdan Stancu of Romania scores the 1-1 with a penalty against French goalkeeper Hugo Lloris during the UEFA EURO 2016 group A preliminary round match between France and Romania at Stade de France in Saint-Denis, France, 10 June 2016.....(RESTRICTIONS APPLY: For editorial news reporting purposes only. Not used for commercial or marketing purposes without prior written approval of UEFA. Images must appear as still images and must not emulate match action video footage. Photographs published in online publications (whether via the Internet or otherwise) shall have an interval of at least 20 seconds between the posting.) EPA/YOAN VALAT EDITORIAL USE ONLY

Die Aktualität des rumänischen Nationalteams prägen nicht mehr Hagi und Co., sondern beispielsweise Bogdan Stancu. Gegen Frankreichs Torhüter Hugo Lloris erzielt er das 1:1 im Eröffnungsspiel. (Bild: Keystone/YOAN VALAT)

Der 66-Jährige muss es wissen, er hat den rumänischen Fussball geprägt wie kein anderer: Er trainierte die Nationalmannschaft mit Hagi und trainiert jene heute mit Torje, Stanciu und Rat.

Als Vereinstrainer führte Iordanescu 1989 noch zu Ostblockzeiten im Rang eines Generals der rumänischen Armee Steaua Bukarest ins Landesmeister-Finale gegen den AC Mailand (0:4). Nun ist er zum dritten Mal Trainer der Nationalmannschaft. In seinen beiden ersten Amtszeiten von 1993 bis 1998 und 2002 bis 2004 erlebte er zwei Weltmeisterschaften und eine EM.

«Wir können den Leuten keine Show bieten»

Iordanescu hat schon recht: Einen «Karpaten-Maradona» wie Hagi, der beim FC Barcelona, Real Madrid und Galatasaray Istanbul das Publikum verzückte, gibt es nur einmal. In der Erinnerung der Fans stehen die genialen Momente von Hagi – aber im Grundsatz war auch das Spiel der goldenen Generation geprägt von Defensivkunst und Konterfussball.

So wie das der aktuellen Elf von Iordanescu: Gegen Frankreich überraschte das Team aber nicht nur durch taktische Disziplin und Spritzigkeit. Die Männer im gelben Trikot setzten die Franzosen oft schon ganz tief in deren Hälfte unter Druck und hielten so den Gegner lange weit weg vom eigenen Tor. Gefährlich wurde das Team allerdings fast nur bei Standardsituationen.



Romanian fans wave their flags and scarves prior to the Euro 2016 Group A soccer match between France and Romania, at the Stade de France, in Saint-Denis, north of Paris, Friday, June 10, 2016. (AP Photo/Frank Augstein)

Die grosse Euphorie ist noch nicht aufgekommen im Lager der rumänischen Fans. Allerdings bedeutet die Startniederlage wenig, die Partien gegen die Schweiz und Albanien sind bedeutender als gegen den Gruppenfavoriten Frankreich. (Bild: Keystone/FRANK AUGSTEIN)

In zehn Qualifikationsspielen kassierte Rumänien gerade mal zwei Gegentore – so wenige wie keine andere Mannschaft. Aber die Elf erzielte nur elf Treffer, es fehlt an Kreativität, es fehlt ein kleiner Hagi. Iordanescu weiss: «Wir können den Leuten keine Show bieten.» Deshalb setzt er auf Teamgeist und Disziplin, die Kritik an der unspektakulären Spielweise in der Qualifikation liess ihn kalt.

Weil der damalige Trainer Victor Piturca zu Beginn der Qualifikation dem Ruf des Geldes nach Saudi-Arabien folgte, übernahm Iordanescu im Oktober 2014 zum dritten Mal das rumänische Nationalteam. Der «General» hatte sich zuvor zunächst als Politiker versucht und dann als Direktor im Verband gearbeitet.

Zweifelhafte Machenschaften und aktenkundige Korruption

Der neue Verbandspräsident Razvan Burleanu will den rumänischen Fussball erneuern, ihn wieder glaubwürdiger und nachhaltiger machen. Bei der EM 2020, die in ganz Europa ausgetragen wird, finden auch Spiele in Bukarest statt. Trainer Iordanescu hofft durch die EM-Teilnahme auf einen Schub für den Sport im Land, er sagt: «Diese EM-Qualifikation war in allen Bereichen lebensnotwendig für den rumänischen Fussball.»

Die Akzeptanz des Sports im Land hat nachgelassen. Die Liga ist geprägt von zweifelhaften Machenschaften zwielichtiger Oligarchen, Vereine sind in den letzten Jahren reihenweise Pleite gegangen, Bereicherung und Korruption sind aktenkundig. In Gheorghe Popescu wurde auch eine Ikone der goldenen Generation im März 2014 zu einer Haftstrafe von 37 Monaten verurteilt. Der ehemalige Star vom FC Barcelona hat bei Transfers den rumänischen Staat um 1,5 Millionen Euro betrogen. Auch prägt Hooliganismus das Bild, die Zuschauer bleiben aus.

All diese dunklen Seiten des Spiels in Rumänien geschehen weitgehend unbeobachtet von der europäischen Öffentlichkeit. Nun steht der rumänische Fussball in Frankreich mal wieder im Scheinwerferlicht. Es wäre zwar eine Überraschung, wenn er darin glänzen würde. Aber gegen die Franzosen haben diese rumänischen Fussballer gezeigt, dass sie schwer zu schlagen sind. Dass sie auch Spiele gewinnen können, wollen sie gegen die Schweiz beweisen.



Romania team poses prior to the Euro 2016 Group A soccer match between France and Romania, at the Stade de France, in Saint-Denis, north of Paris, Friday, June 10, 2016. (AP Photo/Frank Augstein)

Rumänien, Ausgabe 2016, Gegner der Schweiz am Mittwoch in Paris. (Bild: Keystone/FRANK AUGSTEIN)

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