Der unterschiedliche Geschmack von Tränen

Der Pratteler Fabian Hertner gewann an den OL-Weltmeisterschaften in Lausanne über die Mitteldistanz Bronze. Simone Niggli bezahlt einen Blackout mit Rang 5.

Ein dritter Platz als grosse Genutgtuung: Der Pratteler Fabian Hertner, WM-Dritter in Lausanne. (Bild: Keystone/JEAN-CHRISTOPHE BOTT)

Der Pratteler Fabian Hertner gewann an den OL-Weltmeisterschaften in Lausanne über die Mitteldistanz Bronze. Simone Niggli bezahlt einen Blackout mit Rang 5.

Die Emotionen leiteten Fabian Hertner einmal mehr. War es vor zwei Jahren in Trondheim nach dem zweiten Rang im Sprint hinter Teamkollege Matthias Müller die Enttäuschung, die ihm ins Gesicht geschrieben war und die sich in seinen Worten äusserte, schossen ihm nun nach seinem dritten Rang an der Heim-WM in Lausanne erneut die Tränen in die Augen. Diesmal waren es Freudentränen.

«Dieses Rennen war von A bis Z genial», sagte er mit einer tiefen Genugtuung. Nachdem er bei der zweiten Zwischenzeit noch an fünfter Position gelegen hatte, vermochte er sich auf den Bronze-Platz vorzuarbeiten. «Diese Medaille freut mich riesig», sagte der 27-Jährige. Und der Sprint-WM-Zweite von 2009 und 2010 sowie zweifache Europameister von 2010 stellte den jüngsten Erfolg in einen erstaunlichen Kontext: «Bis jetzt bereitete mir die Mitteldistanz am meisten Mühe. Ich wurde als Spezialist des technisch weniger anspruchsvollen Sprints bezeichnet, was mir gar nicht passt.» Jetzt glückte ihm eine Antwort auf diese Einschätzung.

Kompass statt Weitblick

Und er fügte an: «Dass ich diese Antwort geben konnte sorgt für einen tiefe Befriedigung, und dass ich sie mit meiner Vorgeschichte geben konnte, macht mich stolz.» Auf die Knieverletzung des Winters spielte er an, darauf, dass er in der wichtigsten Aufbauphase wochenlang mit dem Training hatte aussetzen müssen. Erst in der zweiten Juni-Hälfte zeichnete sich ab, dass er Aufnahme ins stark umworbene WM-Team würde finden können.

Als Rezept für den «Superlauf» nannte Hertner seine «innere Ruhe». Im technisch enorm anspruchsvollen Gelände – es wird als das schwierigste in der Geschichte dieser Disziplin eingordnet – machte sich die Vorsicht bezahlt. «Ich nahm mir immer wieder Zeit zum Planen, zum Kontrollieren, zum Überlegen», sagte Hertner. Weil die Sicht durch Bäume, Büsche und Blattgrün sehr eingeschränkt war und die Richtung durch die unterschiedlich ausgerichteten Hänge schwer zu halten war, vertraute er in erster Linie auf den Kompass und nicht aufs Auge.

25 Sekunden fehlen zum Titel

Ob mehr möglich gewesen wäre, stand für Fabian Hertner nicht im Zentrum. «Einen kleinen Bogen» zwischen dem sechsten und siebten Kontrollposten nannte er auf konkretes Nachfragen. 25 Sekunden fehlten ihm schliesslich zum Titel, der an den 27-jährigen  Überraschungsmann Edgars Bertuks aus Lettland ging. Zuvor war ein neunter Rang (2008) dessen beste WM-(Einzel-)Klassierung gewesen.

20 Sekunden betrug der Rückstand auf den zweiten Valentin Novikow, den 37-jährigen Russen, der als Mitteldistanz-Spezialist gilt und schon seine fünfte WM-Medaille in dieser Disziplin gewann. Um fünf Sekunden hinter sich lassen konnte Hertner Thierry Gueorgiou (Fr), den Titelverteidiger und siebenfache Mitteldistanz-Weltmeister. Allerdings war dessen mässige Leistung erklärt: Gueorgiou hatte erst vor zwei Monaten einen Ermüdungsbruch am Schienbein erlitten.

Nigglis Zwei-Minuten-Fehler

Auf der Höhe der neuen Weltmeisterin Minna Kauppi lief bei den Frauen bis zum siebten Kontrollposten und auch in der Schlussphase Simone Niggli. Doch dazwischen steuerte sie statt Posten Nummer 8 Nummer 15 an. Erst als sie diesen vor sich hatte, entdeckte sie das Malheur. Von «einer Schrecksekunde» sprach sie. Gut zwei Minuten liess sie liegen und nicht nur die Aussicht auf den 19. WM-Titel hatte sie abzuschreiben, sondern auch eine Medaille.

Wie konnte das geschehen? «Das war ein administrativer Fehler und diese ärgern immer besonders stark», umschrieb sie. Verrutscht sei sie, und die Auffanglinie hätten ihr Missgeschick nicht aufgedeckt. Simone Niggli ärgerte sich blau, weinte Tränen der Enttäuschung und sprach später von «einem Blackout». Einen kurzen Augenblick habe sie wohl nicht aufgepasst. Von «einem Fehler, der jedem ein- bis zwei Mal passiert in einer Karriere», sprach sie. Bitter nur, wenn es in einem wichtigen WM-Rennen dazu kommt.

Mit der nötigen Distanz empfand die 34-jährige Bernerin «einen gewissen Stolz». Stolz darüber, dass sie nicht ausgestiegen war, sondern weiterkämpfte und mit dem fünften Rang immerhin zu einem Diplom kam. «Das war nicht einfach», sagte sie, «als mir der Fehler bewusst wurde, fühlten sich die Beine bleischwer an.»

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