Er gilt als schriller Exzentriker, dabei kann er auch ganz ruhig sein: Geoffroy Serey Die, der heute mit dem FC Basel gegen Schalke 04 um den Einzug in die Achtelfinals der Champions League spielt (20.45 Uhr, #rotblaulive).
Geoffroy Serey Die stellt es gleich ganz zu Beginn des Gesprächs klar. Es gibt ihn sozusagen zweimal: «Den professionellen Serey Die. Und den neben dem Feld. Da bin ich ganz anders, da lache ich gerne, ich mag es, den Clown zu machen.»
Sein professionelles Ich erklärt der Mittelfeldspieler des FC Basel nicht näher. Muss er auch nicht. Zu bekannt ist der Ivorer auf den Schweizer Fussballplätzen. Als aggressiver, harter Zweikämpfer. Als einer, «den man lieber in der eigenen Mannschaft hat», wie es FCB-Trainer Murat Yakin formuliert. Weil er einem da nicht so verdammt weh tun kann, wie das Serey Die manchmal tut, wenn man beim Gegner mitspielt.
Aber es muss da noch einen dritten Serey Die geben. Jenen, der einem im Gespräch vis à vis sitzt und kaum den Augenkontakt sucht. Der leise und überlegt spricht – und überhaupt kein Clown ist. Sondern ein zuweilen nachdenklich wirkender Mann, der mit seinen 29 Jahren bereits einiges erlebt hat, was andere nie in ihrem ganzen Leben nie erfahren müssen.
Jahre unter einem «sehr speziellen Präsidenten»
Zum Beispiel all die Geschichten beim FC Sion unter Präsident Christian Constantin, der ihn einst öffentlich der Spielmanipulation bezichtigte und ihn später schweizweit der Lächerlichkeit preisgab, als er ihn vor versammelter Presse in einem Weitschuss-Duell bezwang. Über CC mag Serey Die inzwischen nicht mehr sprechen. Nur so viel: Constantin sei ein «sehr spezieller Präsident». Und: «Wer bin ich, dass ich über einen anderen Menschen urteilen könnte?»
Der «Walliser Bote» umschrieb das Verhältnis von Serey Die und dem FC Sion als «amour fou». Weil es eben nicht nur diese merkwürdigen Geschichten gab, mit dem Tiefpunkt im Frühjahr 2012, als er im Abstiegskampf in Lausanne einen Balljungen ohrfeigte, der ihm den Ball zu wenig schnell zuwarf.
Es waren da auch die Freudentränen auf dem Planta-Platz nach dem Cupsieg 2009. Es gab all die Spiele, in denen sich der Ivorer im Sittener Dress zerriss, während sich die anderen Profis aus aller Herren Länder um ihn herum bereits aufgegeben hatten. Das ist der Grund, weswegen ihn die Walliser Fans in ihre Herzen geschlossen haben.
«Der Typ ist wahnsinnig»
Heute trägt Serey Die zwar das rotblaue Basler Trikot. Aber sagt immer noch, er sei «stolz, die Walliser kennen gelernt zu haben. Ich weiss nicht, wie ich ihnen dafür danken soll, dass sie so sehr an mich geglaubt haben.»
Als er im Sommer 2008 ins Wallis kommt, erarbeitet er sich schnell einen Ruf. Es ist allerdings zunächst kein guter. Er rennt und grätscht derart über die Schweizer Fussballfelder, dass er innerhalb eines halben Jahres viermal Rot sieht und sein Trainer Uli Stielike glaubt: «Der Typ ist wahnsinnig.»
Aber Serey Die ist nicht wahnsinnig. Er setzt bloss das um, was er in Tunesien und Algerien gelernt hat, seinen beiden Stationen, bevor er nach Sion gekommen ist: «Dort wird ganz anders gespielt. Für Dinge, für die ich hier vom Platz gestellt wurde, gibt es dort nicht einmal eine Verwarnung.»
Vom Flügel zum defensiven Mittelfeldmann
In Algerien ist es auch, wo der offensive Serey Die zu Grabe getragen und die defensivere Variante geboren wird. Als bei der ES Sétif ein defensiver Mittelfeldspieler ausfällt, da springt Serey Die ein. Geplant ist ein Spiel. Es wird zum bleibenden Rollenwechsel.
Ein Flügelstürmer war er zuvor gewesen, einer «mit der Offensive im Blut», wie er erzählt, der in der Elfenbeinküste einmal fast Torschützenkönig geworden war. «Damals hatte ich auch einen guten Schuss aus der Distanz. Ich habe Tore aus 30 Metern erzielt», erzählt er. Und fügt mit einem Lächeln an: «Diese Fähigkeit habe ich nicht mehr, das muss ich offen zugeben. Aber ich werde es weiter versuchen, vielleicht klappt es ja wieder einmal.»
Seine Zeit von 2006 bis 2008 in Tunesien und Algerien sind auch in anderer Weise prägend für Serey Die. Das Leben als schwarzafrikanischer Profifussballer im arabischen Raum kann hart sein. Sehr hart. Serey Die sagt, er möge «gar nicht mehr über jene Zeit nachdenken», spricht von «einer Galeere», davon, dass er die zwei Jahre «dank Gottes Hilfe» überstanden habe.
Was versteckt sich hinter der Extrovertiertheit?
Serey Die mag schrill und exzentrisch wirken mit seinem blondierten Irokesen, der hinten im Nacken eine Kurve zieht: «Ich wollte immer eine Frisur, die sonst niemand hat.» Goran Obradovic, ein ehemaliger Teamkollege beim FC Sion, hat einmal über ihn gesagt, er sei so extrovertiert, dass er wohl etwas kaschieren wolle.
Er steht auch immer wieder im Zentrum höchst merkwürdiger Geschichten. Die Sperre durch den Weltverband Fifa etwa, die ihm nach fünf Jahren Beratungszeit eine viermonatige Sperre wegen eines angeblichen Vertragsbruchs beim Transfer von Sétif zu Sion aufbrummte. Der Fall ist noch immer vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS hängig.
Da kann schnell übersehen werden, dass Serey Die eigentlich sehr anpassungsfähig sein muss, sehr wandelbar. Dafür spricht nicht nur sein Positionswechsel vom Flügel zum zentralen Mittelfeldspieler mit defensivem Gewissen. Dafür spricht auch, dass er in seinen ersten zwei Saisons in der Schweiz fünf Mal vom Platz geflogen ist, in den nächsten vier aber bloss noch einmal mit Gelb-Rot.
«Schön, wenn es ein Spieler mal gleich sieht wie der Trainer»
Auch der Weg, den Serey Die beim FCB genommen hat, spricht für diese Lernbereitschaft. Er sei in hohem Masse selbstkritisch, sagt Murat Yakin über seinen Spieler: «Es ist auch mal schön, wenn ein Spieler und ich die selben Probleme sehen.»
Zu hektisch war Serey Die zum Beispiel, als er nach Basel kam. Zu wenig genau kamen seine Pässe. Yakin befand, er könne den Ivorer nicht auf die Position der Nummer 6 vor der eigenen Abwehr setzen. Mitspieler bemäkelten, Serey Die spiele zu häufig die spektakuläre Variante, um dem Publikum zu gefallen, er renne zu viel mit dem Ball und sei zu wirr in seinen Aktionen.
Die SMS vom ivorischen Superstar
In der Zwischenzeit hat sich einiges verändert. Serey Die spielt sich auf der Position des Sechsers fest. Er selbst findet, er sei ruhiger geworden. Sein Trainer meint das auch. Und die Kartenstatistik erzählt Ähnliches: In neun Einsätzen in dieser Saison ist er erst einmal verwarnt worden, was ihn selbst «stolz» macht.
Fast so stolz, wie die Teilnahme an der Weltmeisterschaft in Brasilien, für die er sich mit der Elfenbeinküste qualifiziert hat. Und das als Stammspieler in einer Mannschaft mit Spielern wie Didier Drogba, Kolo und Yaya Touré oder Gervinho.
Auch an dieses Starensemble scheint sich Geoffroy Serey Die bestens angepasst zu haben. Sogar Drogba schickt ihm ab und an eine SMS. Sollte Serey Die mit dem FC Basel die Schalker aus der Champions League werfen, dürfte es wieder so weit sein.