Der FC Schalke 04 stellt die beiden Nationalspieler Kevin-Prince Boateng und Sydney Sam frei, suspendiert einen weiteren Profi und will so dem rasanten Niedergang in der Bundesliga entgegenwirken, der nach nur zwei Siegen aus den letzten zwölf Spielen einen Europacup-Platz in Frage stellt.
Lange haben die Herren aus der Clubführung von Schalke 04 nicht gebraucht, bis sie den zornigen königsblauen Anhängern ein paar Schuldige präsentieren konnten für den erschreckenden Zerfallsprozess im seltsamen königsblauen Fussballorganismus. Entsetzt waren Trainer Roberto Di Matteo und Manager Horst Heldt am Sonntagabend nach dem leblosen 0:2 beim 1. FC Köln nach Hause gefahren. «Wenn uns einer nicht mehr passt, dann spielt er halt nicht mehr für Schalke 04», hatte Heldt noch gefaucht, «unabhängig von der Vertragslaufzeit.»
Am Montag stellte der FC Schalke 04 dann Sidney Sam und Kevin-Prince Boateng frei, während Marco Höger «bis einschliesslich Samstag vom Trainings- und Spielbetrieb» suspendiert wurde, wie es in einer offiziellen Mitteilung hiess.
Gegenüber dem TV-Sender Sky erklärte Heldt anschliessend: «Das Vertrauensverhältnis bei Kevin-Prince Boateng und Sam war nicht mehr gegeben, bei Höger hegen wir Zweifel über die Loyalität gegenüber dem Verein.» Es war die Eskalation eines schleichenden Niedergangs, der sich seit Wochen abzeichnet. Ob die drastischen Massnahmen die Richtigen treffen, ist dabei für Aussenstehende nicht erkennbar. Allerdings hatte Trainer Di Matteo noch am Sonntag erklärt: «Wenn ich das den Spielern nicht vermitteln kann, muss ich das auf meine Kappe nehmen.»
Matteos Entlassung würde auch Heldt in Frage stellen
Di Matteo zu entlassen kommt für Heldt aber nicht in Frage, das hat er in den vergangenen Tagen mehrfach betont. Nach einem Trainerwechsel stünde der Manager selbst im Zentrum der Kritik, und natürlich tragen auch die Spieler Verantwortung für die blutleere Spielweise dieses Frühjahrs.
Eine Szene aus dem vergangenen Oktober, aber mit aktueller Symbolik: Schalke-Trainer Roberto di Matteo (rechts) versucht auf Kevin-Prince Boateng einzureden. (Bild: Keystone/MARTIN MEISSNER)
«Das war einer Schalker Mannschaft nicht würdig. Die taktische Disziplin war gleich null, die Leidenschaft war gleich null. Es ist mir ein Rätsel, dass die Fans noch so hinter uns stehen, das haben wir in dieser Phase gar nicht verdient», schimpfte Captain Benedikt Höwedes.
In Köln hinterliessen die Schalker Spieler den Eindruck, dass die Profis mit den königsblauen Trikots überhaupt keine Lust mehr darauf haben, miteinander zu kicken. «Ich stelle mich Woche für Woche hin als Captain, aber so langsam mache ich mich auch unglaubwürdig, weil ich euch mit Erklärungen gegenüberstehe, die mir auch langsam ausgehen», sagte Höwedes zu den Journalisten. Ähnlich ratlos wirkte Trainer Roberto Di Matteo. «Es ist schwer, so etwas kurz nach dem Spiel zu analysieren», sagte er.
Vor Di Matteo scheiterten schon andere an diesem Team
Im Moment deutet allerdings einiges darauf hin, dass Di Matteo auf ähnliche Art und Weise an dieser Mannschaft, an diesem Klub, scheitert wie seine Vorgänger. Schon unter Huub Stevens im Herbst 2013 waren die Schalker in sich zusammengefallen. Damals hiess es, der Kader sei charakterlich schwierig. Damit sei der knurrende Holländer nicht klargekommen.
Es folgte Jens Keller, dessen Laissez-Faire-Pädagogik lange funktionierte, der das Team aber fussballerisch nicht weiterentwickelte. Und am Ende verlor auch Keller den Rückhalt in der Mannschaft. Nun ist es Di Matteo, der italienisch-schweizerische Doppelbürger aus Schaffhausen, dem die Antworten fehlen. Und wenn so unterschiedliche Trainer an einem Team scheitern, liegt die Vermutung nahe, dass der FC Schalke eine Mannschaft mit einem anderen Wesen, mit einer andern Mentalität braucht.
Die komplizierte Erneuerung
Insofern sind die Suspendierungen nachvollziehbar. Wie jedoch ein nachhaltiger Erneuerungsprozess aussehen könnte, ist nur schwer zu sagen. Möglicherweise kennen nicht einmal Heldt und Di Matteo den Weg. Klar ist nur, dass die Planungen fürs kommende Jahr extrem kompliziert sind, denn die sportliche Perspektive ist nebulös.
Der Club wirbt um Sami Khedira, verlockende Aussichten jenseits eines grossen Gehaltes kann Heldt dem Weltmeister aber nicht bieten. Und Benedikt Höwedes, der Schalke 04 in diesem Sommer für 17,5 Millionen Euro verlassen darf, macht sich natürlich auch Gedanken, ob er nicht anderswo erfolgreicher spielen kann. Andere hingegen, die Heldt und Di Matteo wohl gerne loswerden wollen (Boateng, Aogo, Neustädter, Felipe Santana, Sam etc.), haben derart gut dotierte Verträge, dass sie bei einem Wechsel mit Gehaltseinbussen leben müssten.
Während Mönchengladbach, Leverkusen, Wolfsburg und Borussia Dortmund mit viel Zuversicht und einem klaren Plan auf die Zukunft zusteuern, befindet der FC Schalke sich auf dem direkten Weg ins Mittelmass. «Das war der Tiefpunkt», sagte Heldt noch. Aber es ist keineswegs ausgeschlossen, dass weitere folgen.
Die aktuelle Bundesliga-Tabelle: