Die altgedienten Trainer verlieren an Bedeutung

Sich nicht treiben zu lassen von der öffentlichen Stimmung ist das eine bei Bundesliga-Clubs, die in Ergebniskrisen stecken. Sechs Trainerwechsel hat es bereits gegeben, weitere deuten sich an. Der Trend geht hin zum vielversprechenden Jungtrainer, was die Zahl der aktuellen Fussballlehrer unterstreicht, die schon bei einem anderen Erstligisten tätig waren: Es sind nur noch vier.

Football Soccer - Bayern Munich v Bayer Leverkusen - German Bundesliga - Allianz-Arena, Munich, Germany - 26/11/16 - Leverkusen's coach Roger Schmidt before the match. REUTERS/Michael Dalder DFL RULES TO LIMIT THE ONLINE USAGE DURING MATCH TIME TO 15 PICTURES PER GAME. IMAGE SEQUENCES TO SIMULATE VIDEO IS NOT ALLOWED AT ANY TIME. FOR FURTHER QUERIES PLEASE CONTACT DFL DIRECTLY AT + 49 69 650050 - RTX2S1BM

(Bild: Reuters/MICHAEL DALDER)

Sich nicht treiben zu lassen von der öffentlichen Stimmung ist das eine bei Bundesliga-Clubs, die in Ergebniskrisen stecken. Sechs Trainerwechsel hat es bereits gegeben, weitere deuten sich an. Der Trend geht hin zum vielversprechenden Jungtrainer, was die Zahl der aktuellen Fussballlehrer unterstreicht, die schon bei einem anderen Erstligisten tätig waren: Es sind nur noch vier.

Mit den Jahren hat Rudi Völler eine erstaunliche Routine darin entwickelt, heikle Fragen einfach abzumoderieren. Am Sonntagabend, als einige hundert Fans den Leverkusener Sportdirektor mit wütenden «Roger Raus!»-Rufen zu einer Trainerentlassung aufforderten, erklärte Völler mit einer Geste der Nonchalance, solche Reaktionen «gehören zum Geschäft, da gibt es überhaupt keine Kritik an unserem Publikum».

Irgendwann im Nachgang des enttäuschenden 1:2 gegen den FC Ingolstadt erkundigte sich dann eine TV-Reporterin, ob Völler die geforderte Beurlaubung von Roger Schmidt in Betracht ziehe, worauf dieser mit gespieltem Erstaunen erwiderte: «Nein! Stand jetzt. Warum?» Er wisse zwar, wie missglückt diese Vorrunde sei, «das ändert aber nichts daran, dass wir mit Roger Schmidt einen sehr, sehr guten Trainer haben».

Damit waren erstmal die drängendsten Fragen geklärt, was natürlich nichts an der Tatsache ändert, dass Schmidt einfach keine Mittel findet, das grosse Potenzial seines Kaders einigermassen kontinuierlich zur Entfaltung zu bringen. Ganz im Gegenteil, überall zeigen sich Symptome der Zersetzung und andere Merkwürdigkeiten.

Da ist die sagenhafte Serie verschossener Elfmeter (vier von vier in der Bundesliga), die auf mangelnde Selbstüberzeugung hindeutet, und dieser Eindruck verstärkte sich vor zehn Tagen auf Schalke, als das Team 90 Minuten lang in Überzahl spielte, aber bis zum völlig unverdienten 0:1-Siegtreffer keine einzige Torchance hatte.

Die Krise und die Trainertreue

Im Training kam es unter der Woche zu Handgreiflichkeiten zwischen Karim Bellarabi und Roberto Hilbert, zudem wurde auf Betreiben der Mannschaft gerade Athletik-Trainer Oliver Bartlett entlassen. Ein enger Vertrauter von Schmidt.

In der Saison 2015/16 gab es in der Bundesliga ingesamt sieben Trainerwechsel
Die Trainerwechsel der Bundesliga-Saison 2016/17

Datum

Verein

Trainer

Nachfolger

17.9. Werder Bremen Viktor Skripnik Alexander Nouri
25.9. Hamburger SV Bruno Labbadia Markus Gisdol
17.10. VfL Wolfsburg Dieter Hecking Valérien Ismaël
  6.11. FC Ingolstadt Markus Kauczinski Maik Walpurgis
  5.12. SV Darmstadt 98 Norbert Meier Ramon Berndroth (interim)
14.12. FC Augsburg Dirk Schuster Manuel Baum

Wie jede seriöse Clubführung forschen natürlich auch Völler, Manager Jonas Boldt und Geschäftsführer Michael Schade nach Ursachen für all den Ärger. Aber die Leverkusener verfolgen schon länger ziemlich konsequent eine Philosophie der Trainertreue.

Nur vier derzeitige Trainer haben Bundesliga-Erfahrung

Das hat sich schon einmal ausgezahlt, als Schmidt in der vorigen Saison wankte, zumal die Verantwortlichen sich im Gegensatz zu den «Roger-Raus»-Rufern von der Tribüne mit Alternativen befassen müssen. Und hier ist derzeit eine ganz neue Sportdirektorenkompetenz gefragt. Wo Trainer entlassen werden, greift man nicht mehr auf die üblichen Berühmtheiten der Kategorie Mirko Slomka, André Breitenreiter, Armin Veh oder Bruno Labbadia zurück, sondern es werden junge, unbekannte Experten auf die Bundesligabänke befördert.

Julian Nagelsmann (Hoffenheim), Pal Dardai (Hertha BSC), Maik Walpurgis (Ingolstadt) und Alexander Nouri (Bremen) waren vor zwei Jahren als Trainer noch gänzlich unbekannt. In Augsburg hofft Manuel Baum auf eine langfristige Beschäftigung, und oben in der zweiten Liga gibt es mit Daniel Stendel (Hannover) und Hannes Wolf (Stuttgart) zwei weitere Fussball-Lehrer, die in diese Reihe passen.



Football Soccer - Borussia Moenchengladbach training session - UEFA Champions League - Camp Nou stadium, Barcelona, Spain - 5/12/2016 - Borussia Moenchengladbach's coach Andre Schubert attends training session before the match against Barcelona. REUTERS/ Albert Gea

Hat in Mönchengladbach schwer zu tragen an einer Vorrunde, aus der bisher nur vier Siege herausgesprungen sind: Trainer André Schubert. (Bild: Reuters/Albert Gea)

Überhaupt arbeiten mit Thomas Tuchel (Dortmund), Ralf Hasenhüttl (Leipzig), Markus Weinzierl (Schalke) und Markus Gisdol (HSV) nur noch vier Cheftrainer in der Bundesliga, die in dieser Funktion auch schon bei einem anderen deutschen Erstligisten beschäftigt waren.

Der Markt der vielversprechenden Jungtrainer ist leergefegt

Dieser Trend spielt natürlich eine Rolle, wenn Sportdirektoren wie Völler oder der ebenfalls mit einer Trainerdebatte konfrontierte Mönchengladbacher Kollege Max Eberl sich mit Kandidaten wie Dieter Hecking befassen. So ein Name löst keine Begeisterung aus, und doch gibt es Gerüchte, dass der vor einigen Wochen in Wolfsburg entlassene Fussball-Lehrer in Gladbach sehr bald das Erbe des glücklosen André Schubert antreten wird.

Beim VfL Wolfsburg steht ausserdem Valérien Ismaël auf der Kippe, für den der aus Frankfurt stammende und in England beim Zweitligisten Huddersfield Town arbeitende David Wagner als aussichtsreichster Kandidat gilt. Allerdings werden die Entscheidungen über Trainerwechsel nicht vom Ergebnis des direkten Duells zwischen Schuberts Gladbachern und Ismaëls Wolfsburgern am Dienstagabend abhängen, auch das ist neu.

» Wie Bundesliga-Clubs Trainer-Entlassungen kommunizieren (Spiegel online)

Die Clubführungen lassen sich nicht mehr von einzelnen Partien, Stimmungen und aggressiven Berichten in der Zeitung treiben. Sie schauen auf die inhaltliche Arbeit und das Zwischenmenschliche, was den Job für die Sportdirektoren aber nicht einfacher macht. Denn Eberl und Völler müssen in ihrem Vorgehen die bessere Alternative ausfindig machen, und das ist ziemlich schwierig in Zeiten, in denen der Markt vielversprechender Jungtrainer leergefegt scheint wie noch selten.

Die 16. Bundesliga-Runde am Dienstag/Mittwoch:

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