Am Anfang des Arbeiterfussballs in Basel stand der Wille, sich gegen die sogenannt «bürgerlichen» Vereine abzugrenzen. Als sich die Grenzen zwischen den gesellschaftlichen Klassen zu verwischen begannen, verschwand auch das Bedürfnis, via Sportverein seine politische Gesinnung auszudrücken.
«Die Verkürzung der Arbeitszeit und die Hebung des Lohnniveaus haben für die Arbeiterschaft neue Lebensmöglichkeiten geschaffen. Die Arbeiter haben die Zeit und die Möglichkeit bekommen, sich auch mit anderen Dingen zu beschäftigen, als mit der blossen Sorge um das tägliche Brot. Neigungen und Wünsche, die bisher im Elend verkümmerten, haben sich Bahn gebrochen. Äusserlich tritt diese Wandlung zutage im Streben nach gesellschaftlicher Geltung (…) Vorerst suchten und fanden die Arbeiter Anschluss in den bestehenden ‹neutralen› Vereinen. Und mussten erkennen, wie diese Gebilde von der herrschenden Klasse als Stütze benützt werden für die Aufrechterhaltung der bestehenden Gesellschaftsordnung und ihrer Ideologie (…) So haben die gewerkschaftlichen und politischen Organisationen durch ihre Tätigkeit die Voraussetzungen geschaffen für das Werden und Wachsen der proletarischen Sport- und Kulturvereine.» «Arbeiter Zeitung», 1929.
Die Geschichte des Arbeiterfussballs in Basel ist erst eine der vehementen Abgrenzung gegen die «bürgerlichen» Vereine, eine Geschichte mit heftigen Grabenkämpfen – und schliesslich eine der schleichenden Auflösung.
Zum 75. Geburtstag des Fussballverbandes Nordwestschweiz kommt es zu einer Kooperation mit der TagesWoche. Das Ziel: Online soll eine interaktive Geschichte des Fussballs in der Region entstehen, auf der die wichtigsten Ereignisse des regionalen Fussballs, Anekdoten und Erinnerungen auf einer Zeitleiste dargestellt werden.
In der Basler «Arbeiter Zeitung», die zur Plattform des Arbeitersports der Region wird, ist der Ton 1929 unmissverständlich: Ein Mitglied des SC Horburg, das sich auch am FC Concordia beteiligt und gegen Arbeiter gelästert haben soll, wird im August 1929 mit sofortiger Wirkung verbannt. Die AZ hält ihre Leser auch dazu an, die Spielsonntage auf den Arbeitersportplätzen, über deren Verlauf grosszügige Berichterstattungen abgedruckt sind, den «bürgerlichen» Veranstaltungen vorzuziehen.
Schliesslich ist das Ziel der gesamten Arbeiter-Sportbewegung der Schweiz «eine aktive Freizeitgestaltung inmitten Gleichgesinnter, mit dem Ziel, die Massen des arbeitenden Volkes widerstands- und leistungsfähig zu machen und durch regelmässige Leibesübungen gesund zu erhalten», wie es in der Geschichte des Satus Sportvereins Wil heisst.
Der Start in der Mägd
Unter diesen Vorzeichen fusionieren 1922 der Schweizerische Arbeiter-Turn- und der Schweizerische Arbeiter-Sportverband zum Schweizerischen Arbeiter-Turn und Sportverband Satus. Der Kantonalverband hat sich am 25. Oktober 1919 in der St. Johanns-Vorstadt im Restaurant zur Mägd konstituiert. Nachdem schon 1910 mit dem AFC Fortuna ein Arbeiter-Fussballverein gegründet worden ist, entsteht zusammen mit dem Arbeitersportclub ASC (aus Augustina 1914) und dem AFC Grasshoppers Basel sowie zwei Zürcher Vereinen 1920 der Schweizerische Arbeiter-Fussballverband (seit dem 27. August 1922 als Satus-Unterverband Fussball).
Die Basler tragen die Meisterschaft in den Anfangsjahren zusammen mit den südbadischen Bezirken und Mannschaften aus dem Elsass aus. Gespielt wird in den Serien A, Promotion, B (und C). Der regionale Meister tritt gegen die Gewinner der anderen Regionen (Ost, West und Zentral) um den nationalen Titel an.
«Am Sonntag, dem 3. April fand ein Wettspiel zwischen Union Breite und Horburg II statt. Dabei erlitt einer unserer Spieler einen Beinbruch, so dass er nun für längere Zeit seiner Existenz beraubt ist. Da der Genosse noch für seine Mutter zu sorgen hat, von der Unfallversicherung aber nichts bekommt, weil es ein Wettspiel war, so gelangen wir an die Arbeiterschaft Basels mit der Bitte, uns zu helfen, damit wir unseren Genossen finanziell unterstützen können (…) Wir appellieren an die Solidarität der Basler Arbeiterschaft.» «Arbeiter Zeitung», 9. April 1927.
Ein erstes, mit dem SC Kleinhüningen geteiltes Spielfeld ergibt sich an der Neuhausstrasse, das 1929 dem Bau einer Gasfabrik zum Opfer fällt und durch neue Spielmöglichkeiten auf dem Clavel-Gut kompensiert wird. Inzwischen ist man auf der Friedmatt durch den 1927 «nach unermüdlicher Agitation» übergetretenen SC St. Johann auch auf der anderen Seite des Rheins heimisch geworden.
Errichtung und Betrieb der Arbeitersportplätze obliegen der im Frühjahr 1923 ins Leben gerufenen Sportplatz-Union, die wiederholt an die Beitragspflicht der Vereine appellieren muss.
1928 werden dem Satus in unmittelbarer Nähe zum Stadion Rankhof des in der Arbeiterschaft populären FC Nordstern Freiflächen an der Grenzacherstrasse (Satusgrund – Ausbau bis 1931) und der äusseren Grenzacherstrasse (hinter der Bierburg/Sportplatz Landauer) zugesprochen.
Auf der Landschaft entfaltet sich der Arbeiterfussball dagegen nicht, und es gelingt ausserhalb der Stadt nur in Riehen (Sportplatz Grendelmatte) und später Münchenstein eine dauerhafte Gründung.
Kampf zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten
Die Übersiedlung an die Grenzacherstrasse fällt in die Zeit, in der das Zerwürfnis der linken Positionen zur Spaltung des Arbeiterfussballs führt. So wird der SC Horburg, Meister der Jahre 1929 bis 1929, nach einem Freundschaftsspiel gegen eine «nicht gesinnte», sprich kommunistische Mannschaft aus dem Satus-Verband ausgeschlossen.
Eine Luftaufnahme des Sportplatzes Satusgrund aus dem Jahr 1933, aufgenommen während eines Flugs der Gesellschaft Balair. (Bild: Staatsarchiv Basel-Stadt)
In der Folge kommt es 1930 nicht nur in der Politik sondern auch auf dem Fussballplatz zum Bruch zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten, wobei sich fast alle Arbeitervereine mit dem SC Horburg solidarisieren und aus dem Satus austreten, während die Kommunisten eine eigene Organisation aus der Taufe heben [«Kicken unter Hammer und Sichel – die vergessene Geschichte des Schweizerischen Arbeiterfussball-Verbandes 1930-1936» – Christian Koller].
Neben dem im Satus verbliebenen ASV Basel-Ost und dem neu dazu stossende Riehen (ab 1937 FC Amicitia), muss die Sozialdemokratische Partei Neue Sektion 1932 deshalb eiligst aus den Aktiven des Hizrbrunnen-Quartiers eine Fussballsparte organisieren. Diese spielt 1936 unter dem Namen SC Basel Nord.
Feindseligkeiten auf der Brücke
Die Feindseligkeiten illustrieren sich anhand eines Vorfalles aus dem Jahr 1931: Die Vereinigten Sportfreunde werben anlässlich eines Propagandatreffens gegen Mannheim auf den Rheinbrücken mittels Flugblättern für die Rückgewinnung von Spielern, die zum bürgerlichen Verband übergelaufen sind. Sofort sehen sich die kommunistischen Fussballer von den Satus-Mitgliedern als «billige Schinder ehemals Ausgestossener und Bespuckter» an den Pranger gestellt.
1934 können die Strassenbahner überzeugt werden, sich vom Schweizerischen Fussballverband loszusagen und zum Satus zu wechseln. In der Blütezeit der Internationalen Schlafwagengesellschaft formiert sich das Team FC Wagon-lits, welches bei schwachem Trainingsrhythmus nach der Schicht deutliche Niederlagen einstecken muss.
Die Pöstler und die Eisenbahner entschliessen sich gegen einen Eintritt in den Arbeitersport. Sie spielen lieber beim «bürgerlichen» kantonalen Fussballverband mit, aus dem 1939 der Fussballverband Nordwestschweiz hervorgeht.
Die faschistische Gefahr eint die Arbeiterfussballer
Trotzdem gewinnt der Satus mit Mannschaften aus dem Taxi- und Kinogewerbe sowie zwei vormals wilden Vereinen wieder an Fahrt. 1936 kann unter dem Eindruck der Ausbreitung des Faschismus in Europa durch den Wiedereintritt der kommunistischen «Rotsport-Vereine» die Einheit im Arbeiterfussball wiederhergestellt werden.
Bei Ausbruch des Krieges zählen die drei Spielklassen 30 Equipen, worunter viele zweite oder gar dritte Reserven fallen und ständige Rückzüge und Nachmeldungen die Tabellenübersicht erschweren. Mit dem ASV Bourgfelden ist noch ein elsässisches Team dabei.
Nachdem die frühen Jahre unter der Abnützung durch Richtungskämpfe sowie der ideologischen Abarbeitung am Klassenfeind kranken, dessen durch «Rekordstreberei und Geschäftsmacherei» verdorbener Sportsgeist mit der Integrität und Fairness des Arbeiterfussballs kontrastieren soll, hat der SATUS nach 1945 seine beste Zeit.
«Auf Einladung des SC St. Johann und des SC Baudepartement befanden sich über das Wochenende zwei belgische Arbeiter-Fussballmannschaften auf dem Sportplatz Friedmatt zu Gast. Als erste spielten am Samstagnachmittag SC Baudepartement – AEZ Bruxelles 1:1 (…) Die Hitze hatte inzwischen erheblich nachgelassen und das zweite Spiel SC St. Johann – Eglantine Bruxelles 3:2 erfreute sich deshalb auch grösserer Lebendigkeit (…) Mit diesen beiden Spielen hätte es eigentlich sein Bewenden haben können (…) Dessen ungeachtet trat Eglantine am Sonntag aber ein zweites Mal an und verlor gegen ASC Basel 2:4. Auch St. Johann stellte sich nochmals und musste Nordstern Zürich mit 4:6 das bessere Ende überlassen. Daneben spielten noch Baudepartement II gegen St. Johann II 1:0 und ACV gegen St. Johann II 1:4, womit die Liste der Spiele auf sechs stieg und die Veranstaltung eine verzweifelte Ähnlichkeit mit einem landläufigen Turnier bekam. Ob die Veranstalter mit dieser dem Arbeiterfussball einen Dienst erwiesen haben, mögen sie mit sich selbst abmachen. Wie wenig ernst die Sache übrigens gemeint war, wurde einem durch den Umstand klar, dass der Lautsprecher während aller Spiele laut und deutlich seine Melodien über das Spielfeld krähte und sogar die Schiedsrichter-Pfeifen manchmal Mühe hatten, sich durchzusetzen.» «Arbeiter Zeitung», 18. August 1947.
1947 wollen als auf dem Landhof 1200 Besucher den Final zwischen den Vereinigten Sportfreunden und Bern-West sehen. Diese positive Resonanz motiviert den Verband zwischen 1948 und 1957 zur Austragung einer landesweiten Liga. Der SC Baudepartement und die später vom Alt-Internationalen René Bader dirigierten Sportfreunde stellen 3-mal den Schweizer Meister.
Beim AFC Fortuna spielen zwischen 1945 und 1948 auch Josef «Goldfiessli» Hügi und sein Bruder Hans, die gleichzeitig das Trikot des FC Basel tragen. Die Berichterstattung hält in den «Basler Nachrichten» ebenso Einzug wie in der «National-Zeitung», deren Angestelltenmannschaft als Einheit mit dem Allgemeinen Consumverein ACV in den Satus überwechselt.
In der ersten Hälfte der 60er Jahre sorgen die italienischen Fremdarbeiter mit vier Neugründungen (Juventina, Olympia, Palermo und Timau) für Blutauffrischung. Die Italienervereine auf dem Land dagegen stellen sich unter die Einrichtungen der Kirche.
Juventina überrollt 1961 die Serie B gleich mit Kantersiegen und im Cup gelingt die Sensation gegen Sparta. Doch der Club handelt sich in der zweiten Runde nach einem Platzverweis gegen seinen Goalie Unnanehmlichkeiten ein, als es seine auf das Feld stürmenden Tifosi eine Keilerei anzetteln.
Der Nachwuchs wird nicht gefördert – er kommt aus der Fabrik
Die Wirtschaft dreht auf Hochtouren. Nachschub für den Arbeiterfussball rekrutiert sich bei einer wenig entwickelten Jugendförderung ohne Umwege aus den Fabriken. Doch je mehr die Konjunktur, neue Arbeitsabläufe und kontingentierte Zuwanderung mit Saisonnierstatut zu einem individualisierten Fortschritt führen, um so mehr zerfällt auch der Gemeinsinn unter der Arbeiterschaft.
Durch den aufkommenden Relativismus und die Nivellierung der Klassengrenzen im Zuge des sozialen Ausgleichs treten die weltanschaulichen Gegensätze in den Hintergrund. Für den Arbeitersport führt der Weg aus der «selbstgewählten Isolation» und die Anrede «Genosse» oder «Sportsgenosse» (Jubiläumsschrift «75 Jahre FC Amicitia Riehen» – Peter Pitel) verstummt.
Der Satus-Fussball gliedert sich nach langen internen Verhandlungen schrittweise über die Schüler- und Juniorenmannschaften, Senioren und Cup-Wettbewerbe bis 1967 schrittweise in die Meisterschaft der 4. und 5. Liga des Schweizerischen Verbandes ein.
Der SC Baudepartement beweist gleich zweimal, dass die Arbeiterfussballer durchaus ernst zu nehmen sind. Erst gewinnt er gleich bei seiner ersten Teilnahme 1965 den Basler Cup. Und nach dem Eintritt in den Fussballverband 1967 steigt er gleich in der ersten Saison mit einem Torverhältnis von 171:12 von der 4. in die 3. Liga auf.
Der Anfang vom Ende – es wird fusioniert
1974 kündigt die Vereinigung von Fortuna und Ballboys den Niedergang der Satus-Vereine an. Basel Nord fusioniert mit Young Kickers, die Vereinigten Sportfreunde mit Horburg und Sparta mit ASC und Helvetik. Das Zugehörigkeitsgefühl erlahmt. Und das Gefühl der Gemeinschaft, das in den Quartieren einst von Spielern aus wenigen Strassenzügen gespiesen worden war, geht verloren.
Die Kleinteiligkeit unterliegt der ökonomischen Logik der Konzentration. Während den Ressourcen scheinbar keine Grenzen mehr gesetzt sind, werden die Verbindungen durch die gewonnenen Optionen gekappt, um sich in Partikularinteressen zu verlieren. Die Gruppierungen um die veralteten und finanziell untragbar gewordenen Sportplätze Friedmatt (Bau Nordtangente) und Satusgrund (Zusammenlegung Sportzentrum Rankhof) siedeln auf staatliche Zweckanlagen über. Der 1986 noch in die 1. Liga aufgestiegene SC Baudepartement gibt 2012 seine Auflösung bekannt.
Noch 11 Vereine sind dabei
1993 übernimmt der FC Amicitia sämtliche Jugendkategorien des an zu hoch gesteckten Ansprüchen gescheiterten Nachbarn FC Riehen. Auch die verbliebenen Italo-Basler AS Timau und US Olympia verfügen mittlerweile über einen starken Nachwuchs. Der SC Münchenstein ist durch türkische (Cemspor) Fussballbegeisterte erhalten worden und aus dem FC Grasshoppers wurde der FK Vardar.
Mit Sloboda und Alkar wurden weitere neue Mannschaften aus dem ehemaligen Jugoslawien Mitglieder des Satus. 2004 war der (heute sanierte) Landauer Austragungsort des Finales des Basler Cup. 11 Vereine bekunden über die im K.o-Verfahren ausgetragene Meisterschaft dem Satus als seit 1994 politisch, wirtschaftlich und konfessionell unabhängigem Sportverband ihre Treue.