Die Basler Expedition zum Mittelpunkt der Fussballwelt

Wenn der FC Basel bei Real Madrid antritt, wird der Schweizer Riese ganz schnell zum Zwerg. Die Basler reisen mit realistischen Vorstellungen ins Bernabeu – und wollen doch an die ganz grossen Ziele glauben.

Fabian Frei, Marco Streller and Behrang Safari, from left, of Switzerland's soccer team FC Basel on their arrival at the airport in Madrid, Spain, on Monday, September 15, 2014. Switzerland's FC Basel 1893 is scheduled to play against Spain's Real Madrid (Bild: Keystone/Georgios Kefalas)

Wenn der FC Basel am Dienstag bei Real Madrid antritt, wird der Schweizer Riese ganz schnell zum Zwerg. Die Basler reisen mit realistischen Vorstellungen ins Bernabeu – und wollen doch an die ganz grossen Ziele glauben.

Das ist das Schöne an einem Anfang: Noch ist alles möglich, noch kann die Zukunft die wunderbarsten Geschichten bereit halten.

Beim FC Basel zum Beispiel: Am Dienstag beginnt sein Abenteuer Champions League – und das gleich auf der grössten aller möglichen Bühnen. Er spielt im Estadio Santiago Bernabeu als Gegner von Real Madrid, den Königlichen, den Galaktischen, den überlebensgross wirkenden Titelverteidigern, die 100 Millionen Franken für einen Spieler ausgeben können, weil sie wissen, dass ihre weltweiten Trikot-Verkäufe das Geld in einer Woche schon fast wieder herein gespielt haben.

Der Schweizer Riese wird zum Zwerg

Serey Die fehlt verletzt

Mit zwanzig Spielern ist der FCB nach Madrid geflogen. Zu den Verletzten Ivanov und Degen hat sich Serey Die gesellt, der eine Sprunggelenkgsverletzung aus dem Nationalteam mit nach Basel gebracht hat. Diese drei bleiben ebenso in Basel wie der gesperrte Diaz und die nicht aufgebotenen Arlind Ajeti und Hamoudi.

Mit umgerechnet 730 Millionen Franken erzielte Real vergangene Saison einen Rekordumsatz, steigerte den Gewinn auf 46,5 Millionen Franken und senkte die Schulden auf 86 Millionen. Das sind Dimensionen, in denen der Schweizer Riese FCB mit seinem Budget von 80 Millionen Franken zum Zwerg schrumpft. Georg Heitz hat diese Zahlen vor Augen, wenn er sagt: «Es gibt im Fussball so etwas wie die Logik des Budgets.»

Natürlich hat der Sportchef des FCB nicht alle Hoffnung fahren lassen, ehe die Partie angepfiffen worden ist. Aber er versucht auch, die Realitäten ins richtige Licht zu rücken. Etwa dann, wenn er die Basler Siege gegen Chelsea in der vergangenen Saison der Königsklasse relativiert: «Wir haben danach zweimal gegen Schalke verloren – und zweimal gegen Bukarest nicht gewonnen. Das muss man auch sehen.»

Trotzdem – bloss als Tourist tritt der FC Basel die Expedition zum Mittelpunkt der Fussballwelt in Madrid nicht an. «Unsere Spieler sind Profisportler», meint Heitz, «die wollen hier etwas reissen.»

Geblendet vom Scheinwerferlicht?

Dabei wäre den Baslern nicht einmal ein grosser Vorwurf zu machen, wären sie geblendet ob des grellen Scheinwerferlichts, unter dem sie im Bernabeu anzutreten haben. All die grossen Stars, «die du sonst nur im TV siehst, wie sie wieder irgend einen Pokal in die Höhe stemmen», wie es Fabian Frei sagt. Der Basler Mittelfeldspieler findet sogar, die Rotblauen dürften für einmal «ein klein wenig Fan» sein.

Aber höchstens bis zum Anpfiff. Denn Frei sagt auch: «Wir haben einen Plan. Und wenn Real gegen uns nicht an die Leistungsgrenze gehen muss, dann ärgere ich mich gewaltig.»

Einfach so, um das Ganze zu geniessen, reist der FC Basel schon lange nicht mehr durch Europa. Dazu haben die vergangenen Erfolge gegen europäische Grossclubs wie Manchester United, Chelsea oder Tottenham zu viel Selbstvertrauen in den Club gepumpt.

Strellers Masterplan für die Gruppenphase

Selbstvertrauen – aber auch eine Anspruchshaltung an sich selbst. Für sie steht Marco Streller, wenn er bereits vor dem Abflug nach Madrid einen Überblick über die gesamte Gruppenphase wagt. Real steht für den Captain als Gruppensieger praktisch fest: «Die marschieren durch.»

Doch dahinter sieht Streller ohne jede falsche Bescheidenheit einen Zweikampf zwischen dem FCB und dem FC Liverpool. Es steht ausser Frage: Dieser FC Basel will ein ernsthaftes Wort um den Einzug in die Achtelfinals mitreden.

So, wie er das auch im letzten Jahr getan hat, als er schliesslich aber doch als Gruppendritter in die Europa League verwiesen wurde. Eigentlich, findet Streller, sei die Ausgangslage sehr ähnlich wie jene vor einem Jahr, als der FCB im ersten Gruppenspiel zum grossen Chelsea FC reiste – und mit einem 2:1-Sieg alle Wettquoten ad absurdum führte.

«Der Alte vorne drin ist immer noch da»

Klar sei Real Madrid im Vergleich mit Chelsea «noch eine Nummer grösser». Aber der FCB-Captain sieht auch in seinem Team mehr Qualität als in der Basler Mannschaft der letzten Saison.

Der Club habe die Abgänge im Sommer praktisch gleichwertig ersetzt: «Gonzalez ist schnell, also so einer wie Salah, Gashi ist ein ähnlicher Typ wie Stocker. Und mit einem Lächeln fügt er an: «Und der Alte vorne drin ist ja immer noch da.»

Den Unterschied zur letzten Saison sieht Streller in der Tiefe des Kaders: «Wir haben eine breitere Bank. Wenn der Trainer während des Spiels etwas verändern will, hat er mehr Möglichkeiten als wir es letzte Saison hatten.»

Ancelotti erwartet eine Reaktion

Natürlich, beim Auftritt bei den Grasshoppers am Samstag deutete wenig darauf hin, dass sich der FCB einer Form erfreute, in der er Real ein Bein stellen kann. Da sah es eher so aus, als ob die Basler in Madrid in eine Watsche laufen könnten.

Ob der «Prozess», den Trainer Paulo Sousa gebetsmühlenartig propagiert, bereits so weit ist, um gegen Real zu bestehen? Ein Real, das sich ausserdem nach der 1:2-Niederlage gegen den Stadtrivalen von Atletico erst noch unter Zugzwang sieht. Trainer Carlo Ancelotti jedenfalls kündigt am Tag vor dem Spiel gegen den FCB an, die Partie komme für ihn und seine Mannschaft «zum genau richtigen Zeitpunkt. Ich erhoffe mir eine Reaktion.»

Die muss auch der FCB zeigen nach seinem 1:3 in Zürich. Am Sonntag hat sich das Team noch einmal kurz mit der Niederlage auseinander gesetzt, ehe es im St.-Jakob-Park an eine lockere Laufeinheit ging. Sie wüssten alle, was falsch gelaufen sei in Zürich, meint Fabian Frei. Und er versichert: «Wir haben schon einen Plan, wie wir gegen Real antreten wollen.»

Die Süsse der Zuversicht

«Wenn es normal läuft, dann verlierst du gegen Real in zwei Spielen zweimal», sagt Marco Streller. Und versüsst den bitteren Realismus sofort mit einer grossen Portion Zuversicht: «Aber wie oft haben wir das in der Vergangenheit schon vor Duellen mit grossen Teams gesagt – und dann haben doch einen oder drei Punkte gewonnen?»

Das ist das schöne an einem Anfang. Noch ist alles möglich.

 

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