Der FC Basel vermarktet Emotionen. Und er tut dies derzeit auch darum so erfolgreich, weil sich die Spieler dafür entschieden haben, weiterhin Spass zu haben.
Zwei Wochen Vorfreude. Zwei Wochen Kribbeln. Zwei Wochen Stadtgespräch. Zwei Wochen Zeit, um sich auszumalen, wie es wohl wird am 7. Dezember, wenn der FC Basel das grosse Manchester United im St.-Jakob-Park zum Endspiel um den Einzug in die Achtelfinals der Champions League empfängt. Zwei Wochen, um sich noch einmal in Erinnerung zu rufen, wie das damals war, 2002, als der FCB denFC Liverpool mit einem 3:3 aus der Gruppenphase warf.
Das ist es, was Bernhard Heusler meint, wenn er sagt: «Wir leben von Träumen und Vorstellungen, nicht von Resultaten.» Ein professioneller Fussballclub, davon ist der designierte FCB-Präsident überzeugt, kann nur bestehen, wenn er die Menschen emotional berührt. Wenn er ihnen Erlebnisse bietet, die sie in ihrem sonstigen Leben vielleicht nicht haben. In diesem Sinn bewegt sich der FCB auf einem exklusiven Markt. Er produziert nichts, was in irgendwelche Büchsen, Schachteln oder Flaschen abzufüllen wäre. Er ist Traumverkäufer.
Und Heusler geht voran, wenn es darum geht, die Vorfreude zu schüren: «Sich vorzustellen, wie es sein wird, wenn der erste FCB-Angriff auf das Tor von Manchester zurollt – das ist einfach wunderbar.» Aber natürlich helfen im Geschäftsbereich des FCB Resultate, die zum Träumen einladen, trotzdem ungemein. Das weiss auch Heusler. Es ist kein Zufall, dass die entscheidende Partie gegen Manchester die erste sein wird, in der die Rotblauen das ausgebaute Joggeli tatsächlich bis zum letzten Platz füllen.
Bislang waren in jedem Spiel, das als ausverkauft gemeldet worden war, noch ein paar Tickets aus der eisernen Reserve unverkauft geblieben. Jetzt werden bereits zwei Wochen vor dem Spiel auf den Online-Märkten «Ricardo» und «Ebay» von Schwarzhändlern zwei Tickets auf der Gegentribüne für 1399.95 Franken angeboten, für zwei Plätze auf der Haupttribüne werden sogar 2000 Franken verlangt.
Der schonende Übergang
Das mag als ein Beleg dafür gelten, als wie wertvoll das Produkt FCB derzeit wahrgenommen wird. Doch das ist keineswegs selbstverständlich. Der Markt der Emotionen ist äusserst volatil, heftige Ausschläge gegen oben und unten sind immer möglich. Und die Basler haben vor nur etwas mehr als einem Monat immerhin einen der wichtigsten Club-Angestellten unfreiwillig ausgewechselt. Die Gefahr, in Turbulenzen zu geraten, war real.
Denn dass Heiko Vogel ohne jede Anlaufprobleme von der Rolle des Assistenten in jene des Cheftrainers schlüpft, dass bereits heute kaum jemand mehr von seinem Vorgänger Thorsten Fink spricht, das hatten sich die Club-Verantwortlichen wohl so erhofft. Weil sie von Vogels Qualitäten überzeugt waren und sind. Sicher sein konnten sie sich nicht, dass der schonende Übergang gelingt. Im Fussball-Business werden keine Garantiescheine ausgestellt.
Doch in gewisser Weise erntet der FCB noch heute die Saat, die er vor zweieinhalb Jahren ausgebracht hat. Damals entschied sich der Club, als Nachfolger für Christian Gross einen kommunikativen Trainer zu suchen, keinen autoritären Alleinherrscher. Einen wie Fink. Oder jetzt Vogel, über den Mittelfeldspieler Fabian Frei sagt: «Er war als Assistent sehr umgänglich. Und das ist er jetzt noch immer. Das rechne ich ihm hoch an.» Es ist ein Führungsstil, der auf Eigenverantwortung setzt. Auf Antrieb von innen statt von aussen. Und genau das hat in dieser Saison funktioniert, als der FCB kurz vor einer echten Krise stand. Es war am 20. August nach dem 1:3 beim FC Luzern, als sich die Profis in der Kabine zusammensetzten, um untereinander ein paar Dinge zu besprechen.
Ein paar Bier und ein Appell
Es gab ein paar Bier, die Führungsspieler ergriffen das Wort. Nichts, was in Richtung Wutrede gegangen wäre. Eher ein Appell mit dem Tenor: Ihr wisst doch, wie gut wir es hier haben, mit diesem Trainerteam, das uns nach so einer Leistung nicht um des Laufens Willen zwei Stunden lang Runden rennen lässt. Wenn wir es weiter so schön haben wollen, dann muss jetzt auf dem Feld aber wieder etwas passieren.
Die Spieler traten also so etwas wie den Gegenbeweis dazu an, dass eine Fussballmannschaft eine harte Hand braucht, die sie zu Höchstleistungen treibt. Sie entschieden sich schlicht dafür, weiterhin Spass haben zu wollen. Für jene Unbeschwertheit und Freude am Job, die Fink nach der Ära des verbissenen Gross in diesem Verein frisch implantiert hat. Und also begannen die Basler wieder damit, ihre Spiele zu gewinnen. 17 Partien hat der FCB seither gespielt. Verloren hat er davon nur eine – beim 0:2 gegen Benfica Lissabon.
Die Wörter Freude und Spass benutzt auch Alex Frei immer wieder, wenn er auf das Endspiel gegen Manchester vorausblickt. «Der Spass muss in diesem Spiel im Vordergrund stehen, so wie er das schon in den ersten fünf Gruppenspielen getan hat», sagt der Stürmer, dem in der Nationalmannschaft stets Verbissenheit vorgeworfen worden war. Und: «Wir wollen das Spiel geniessen.»
Wobei der Basler Genuss in dieser Champions-League-Kampagne gewiss nicht zuletzt durch die guten Resultate beeinflusst wurde. Und die wiederum sind Beweis dafür, wie diese Mannschaft im Vergleich zum Vorjahr noch einmal gewachsen ist. Damals bezahlten die Basler gegen die AS Roma und Bayern München in den Heimspielen noch für ihre Ineffizienz und wohl auch Naivität auf internationalem Parkett. In dieser Saison tritt der FCB dagegen mit der Reife einer abgezockten Truppe an, die weiss, worauf es in der Königsklasse ankommt.
Und wer in der Champions League Klasse beweist, macht auch Kasse. Bereits jetzt haben die Basler 2,4 Millionen Euro an Prämien eingenommen, 800 000 mehr als letztes Jahr. Das garantierte Startgeld von 7,2 Millionen Euro und weitere zu erwartende 2 Millionen aus dem TV-Rechte-Topf eingerechnet, erhält der FCB bereits über elf Millionen von der Uefa. Dazu kommen die Einnahmen aus den Heimspielen.
Und es könnte noch besser werden. Drei Millionen Euro erhält, wer sich für die Achtelfinals qualifiziert. Zusammen mit den Zuschauereinnahmen erachtet Heusler für den Fall des Weiterkommens rund 4,5 Millionen Franken Reingewinn als realistisch.
Wirklich eingeplant haben die Basler den zusätzlichen Geldregen aber kaum. Schliesslich ist es immer noch Manchester United, das ins Joggeli reist. Oder wie Alex Frei sagt: «Was wir brauchen, ist ein kleines Wunder.»
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 25/11/11