Die begrenzte Haltbarkeit von Trainern und ihrem Zauber

Der Trend geht gerade zum Trainer-Rücktritt aus freien Stücken – das könnte mit den Führungsstilen und einigen Besonderheiten des modernen Fussballs zusammenhängen. Etwa dem Motivations-Zauber, der so schnell verfliegen kann, wie er zunächst gewirkt hat.

M�nchengladbach, 11.09.2015, Borussia Park Trainer Lucien Favre (BMG) ratlos?- Co-Trainer Frank Geideck (BMG) VfL Borussia M�nchengladbach - Hamburger SV mm Moenchengladbach 11 09 2015 Borussia Park team manager Lucien Favre BMG loss Co team manager Frank Geideck BMG VfL Borussia Moenchengladbach Hamburg SV mm

(Bild: Imago)

Der Trend geht gerade zum Trainer-Rücktritt aus freien Stücken – das könnte mit den Führungsstilen und einigen Besonderheiten des modernen Fussballs zusammenhängen. Etwa dem Motivations-Zauber, der so schnell verfliegen kann, wie er zunächst gewirkt hat.

Inzwischen hat Max Eberl den Rücktritt von Lucien Favre ganz gut verkraftet, aber ein paar unbeantwortete Frage sind geblieben aus den bewegten Tagen, als der langjährige Erfolgstrainer von Borussia Mönchengladbach urplötzlich die Flucht ergriff. «Das Thema Haltbarkeit muss in den nächsten Monaten noch sehr hinreichend diskutiert werden, weil es den Anschein hat, dass Trainer in diesem Mühlenrad Bundesliga eher verschleissen, als es in der Vergangenheit der Fall war», sagt der Gladbacher Sportdirektor. Eberl wirkt immer noch etwas ratlos angesichts der Ereignisse.

Schliesslich musste er nicht nur akzeptieren, dass Favre den Glauben an das gemeinsame Projekt verloren hatte, sondern auch, dass der als Zweifler bekannte Schweizer offenbar richtig lag mit seiner Entscheidung. Er habe «nicht mehr das Gefühl, der perfekte Trainer für Borussia Mönchengladbach zu sein», hatte Favre erklärt, daher sei es die «beste Entscheidung für den Verein und die Mannschaft, eine Veränderung herbeizuführen». Und tatsächlich hat der Führungswechsel den Erfolg zurückgebracht. Seit Interimstrainer Andre Schubert  für die Mannschaft verantwortlich ist, spielt sie nicht nur gut, sie gewinnt auch wieder.

Einen ganz ähnlichen Effekt hat der Trainerwechsel bei Borussia Dortmund ausgelöst, wo Jürgen Klopp im Frühjahr ebenfalls die Notwendigkeit von «Veränderungen» als Hauptgrund für seinen Rücktritt nannte. Kaum war der Meistertrainer der Jahre 2011 und 2012 weg, hat eine fast identische Mannschaft unter Thomas Tuchel die ersten elf Pflichtspiele der Saison sehr überzeugend gewonnen.

Vom Wundermittel des Trainerwechsels

Dass neue Führungskräfte im Profifussball manchmal Wunder bewirken können, ist nicht ganz unbekannt, jede klassische Trainerentlassung wird von der Hoffnung auf solch einen Effekt begleitet. Neu ist allerdings das Phänomen, dass Trainer selbst erkennen, wann ihre Mannschaften frische Impulse benötigen und gegen den Willen ihrer Vorgesetzten zurücktreten.

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Der Gedanke, dass ein Neuanfang allen Beteiligten helfen kann, setze sich auch «unter den Trainern mehr und mehr durch», sagt Werner Mickler. An der Hennes-Weisweiler-Akademie, wo alle deutschen Profitrainer ausgebildet werden, lehrt er das Fach Psychologie. Der Mut zu einem freiwilligen Rücktritt hängt allerdings, so Mickler, «stark davon ab, wie unabhängig ich wirtschaftlich bin.»



M�nchengladbach, Fussball M�nner, 1.Bundesliga ,Saison 2013/2104, Spieltag 33, Borussia M�nchengladbach vs 1.FSV Mainz 05, 03.05.2014, Borussia Park, M�nchengladbach, Thomas Tuchel, Trainer, FSV Mainz 05 Moenchengladbach Football Men 1 Bundesliga Season 2013 Matchday 33 Borussia Moenchengladbach vs 1 FSV Mainz 05 03 05 2014 Borussia Park Moenchengladbach Thomas Tuchel team manager FSV Mainz 05

Kommt sich vor wie ein Lehrer vor seinen Schülern: Thomas Tuchel, nach freiwilliger Auszeit nun Trainer in Dortmund. (Bild: Imago)

Spitzenkräfte wie Tuchel, Klopp, Favre oder auch Pep Guardiola vom FC Bayern können sich das leisten, und bringen das über Jahre gepflegte Idealbild von einer möglichst dauerhaften Zusammenarbeit mit einem Fussball-Trainer mächtig ins Wanken. Es geht um Veränderungen, die notwendig sind, um den Prozess der Weiterentwicklung am Laufen zu halten.

Was Abnutzung mit Führungsstil zu tun hat

Auch jenseits des Sports verlieren Führungspersönlichkeiten oft nach einer gewissen Zeitspanne ihren konstruktiven Einfluss, sagt Detlef Fetchenhauer, der am Kölner Institut für Wirtschafts- und Sozialpsychologie zur Arbeitsweise von Führungskräften forscht. Wobei die Qualität der Abnutzung «sehr vom Führungsstil abhängt, den man pflegt».

Der Wissenschaftler glaubt, dass sich «ein Stil, den man in der Literatur als charismatische Führung bezeichnen würde: mitreissend, nach vorne tragend, begeisternd und sehr emotional auf Dauer sehr schwer durchhalten lässt». Und im Fussball, wo Intensität und Emotionen immer eine wichtige Rolle spielen, greifen fast alle Trainer zumindest in bestimmten Situationen auf mitreissende Methoden zurück.

Der Zauber einer engen Bindung zu einem Klub

Tuchel erklärte seinen freiwilligen Abschied aus Mainz im Frühjahr 2014 mit genau diesem Gefühl der Abnutzung. Er habe sich gefragt, «ob das noch lange so weitergehen kann und vor allem, wie wir das noch mal toppen sollen», erzählte der heutige Dortmunder Trainer in einem Interview mit der «Zeit» und illustrierte seine Zweifel mit einem Vergleich: «Das hat sich so angefühlt wie bei einem Lehrer, der nach fünf Jahren denkt, dass doch jetzt besser mal ein anderer den Stoff erklärt, bevor unsere enge Bindung unserer Weiterentwicklung im Weg steht.»

Solch eine «enge Bindung», die im intensiven Arbeitsalltag in einem Profiklub entsteht, kann sehr konstruktiv sein, nach einer gewissen Zeit kann sie aber ihren Zauber verlieren. Das sei wie «in einer Ehe», sagt der Sportpsychologe Mickler. Tuchel hat das erkannt, bevor der Misserfolg kam, wie übrigens auch Guardiola, als er nach vier unfassbar erfolgreichen Jahren beim FC Barcelona aufhörte und sich ein Jahr Pause gönnte.

Nun zögert der Spanier, das Angebot zur Vertragsverlängerung bei Bayern München anzunehmen. Einen Einblick in seine Überlegungen dazu hat er der Öffentlichkeit noch nicht gegeben, aber es wäre nicht verwunderlich, wenn die zentrale Frage in seinem Entscheidungsprozess lauten würde: Wie bedingungslos lässt sich die Mannschaft auch im vierten Jahr von Ideen überzeugen, die schon bekannt sind? Wie tragfähig ist das zwischenmenschliche Verhältnis zu den Spielern und den engsten Mitarbeitern nach so einer langen Zeit noch?



Bayern Munich's coach Pep Guardiola pauses during a training session at the club's training ground in Munich April 20, 2015. Bayern Munich will play their Champions League quarter-final second leg soccer match against Porto on Tuesday. REUTERS/Lukas Barth

Wie bedingungslos lässt sich eine Mannschaft auch im vierten Jahr von Ideen überzeugen? Vielleicht denkt Pep Guardiola bei der im Raum stehenden Vertragsverlängerung in München auch über solche Fragen nach. (Bild: Reuters/LUKAS BARTH)

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