Sinnkrise und Charakterfrage – beim FC Bayern läuten nach dem 0:0 in Freiburg und vor dem Champions-League-Achtelfinal in Basel die Alarmglocken.
Was ein einziges Nullzunull auslöst, kann mal wieder am FC Bayern München eingehend studiert werden. Die gute Laune nach zwei 2:0-Siegen in der Bundesliga und im DFB-Pokal – wie weggeblasen. Die Zuversicht, sich auf dem rechten Weg zum 23. Meistertiel und 16. Cupsieg zu befinden – erschüttert. Die Wortwahl der Beteiligten – panikartig. Und die Tonlage in den Medien – höhnisch. Man könnte auch sagen: normal.
Zumindest für einen Fussballcub vom Zuschnitt des des FC Bayern. Ein Nullzunull bei einem Tabellenletzten wie dem SC Freiburg lässt wenig Interpretationsspielraum. Jedenfalls nicht unmittelbar vor einem Champions-League-Spiel wie dem Achtelfinal beim FC Basel an diesem Mittwoch.
«Keine Ideen und keine Ahnung», stellt die Onlineausgabe des «Stern» fest und arbeitet sich an den «Biedermännern» des FC Bayern ab: «Mangelnde Bewegung, statisches Spiel, Querpässe statt Zuspiele in die Spitze, viele Ballverluste im zentralen Mittelfeld. All das, was Dortmund und Gladbach auszeichnet, lässt Bayern vermissen. Daran sind die Spieler Schuld. Die wirken derzeit wie Stars aus der Steinzeit.» Statt «Mir san mir» müssen sich die Bayern, mit vier Punkten hinter Dortmund auf Rang 3 abgerutscht, nun «Mir san Dritter» (»Financial Times Deutschland») vorhalten lassen oder «Mir san uns im Weg!» («goal.com»).
Den Bayern fehlt derzeit – einfach alles
Wer 0:0 spielt in Freiburg, gegen einen Gegner, den man in der Vorrunde noch mit 0:7 nach Hause geschickt hatte, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Selbst die Newsseite «t-online» der deutschen Telekom, die für 25 Millionen Euro pro Saison die Trikotbrust der Münchner gekauft hat, ätzt: «Der FC Bayern ist in eine tiefe Sinnkrise gestürzt und ist sich selbst ein Rätsel.» Und das Portal stellt nach lediglich zwei Siegen aus den letzten acht Auswärtsspielen schlicht fest: «Gegen Basel sind die Bayern kein Favorit mehr.»
Das mag reichlich übertrieben sein, Munition liefern die Bayern-Protagonisten jedoch selbst genug. Christian Nerlinger, der Nachfolger von Bayern-Manager Uli Hoeness mit dem Titel Sportdirektor, sagt: «Die Alarmglocken schrillen. Alle grundlegenden Elemente haben gefehlt. Leidenschaft, Einstellung, Laufbereitschaft, Aggressivität, aber auch die notwendige Spielanlage, um dominant und überzeugend zu spielen.»
Diese Generalkritik wird umgehend als Botschaft an Trainer Jupp Heynckes gewertet, bei «focus.de» etwa bereits die Systemfrage gestellt. Die «Süddeutsche Zeitung» (Onlineausgabe) drückt ihre Zweifel unverhohlen aus: «Zunehmend drängt sich der Eindruck auf, dass den Bayern eine Idee und Strategie für ihr Spiel fehlt.» Und wenn Captain Philipp Lahm, nach den Gründen des matten Auftritts in Freiburg gefragt, «keine Ahnung» zur Antwort gibt, dann ist das auch kein gutes Zeichen.
Symptome einer schleichenden Krise
Am Montag wurde an der Säbener Strasse ohne Angabe von Gründen eine Medienkonferenz abgeblasen, die eigentlich vor der Abreise der Mannschaft nach Basel angesetzt war. Das wird natürlich umgehend als Symptom einer schleichenden Krise, um sich greifender Verunsicherung und entblösster Nerven gewertet. Die dominante Rolle der Münchner in der Vorrunde ist verspielt, und der Umschwung muss rasch erfolgen, «sonst», sagt Nerlinger, «wird das ein Zweikampf zwischen Dortmund und Gladbach».
Die dritte Geige zu spielen, das akzeptiert Karl-Heinz Rummenigge noch im internationalen Vergleich mit dem FC Barcelona und Real Madrid. Aber national? «Wir brauchen, gerade an nicht so guten Tagen die Charaktereigenschaft, dass die Mannschaft bereit ist, sich zu quälen», hat der Vorstandsvortsitzende des FC Bayern dem «Kicker-Sportmagazin» (online nicht verfügbar) in den Block diktiert. «Wenn wir es wie Manchester United machen, bekommen auch wir in Basel Probleme», so Rummenigge, der verlangt «ohne Arroganz» im mit 36’000 Zuschauern restlos ausverkauften St.-Jakob-Park aufzutreten: «Solche Spiele wie in Freiburg verzeiht das K.-o-System nicht. Da bist du weg.»
Vogel: «Das Schlechteste, was passieren konnte»
Aufgeregte Debatten wie in München hat sich der FC Basel erspart. Dank des späten Ausgleichtores von Valentin Stocker am vergangenen Donnerstag in Bern. Das 2:2 bei den Young Boys wird wie ein Sieg eingeordnet – im Gegensatz zum Münchner 0:0 in Freiburg. Und dennoch kann Heiko Vogel dem Rückschlag für die Bayern wenig Gutes abgewinnen. «Das ist das denkbar Schlechteste, was passieren konnte», sagte der FCB-Trainer am Montag der TagesWoche, «die Bayern werden sich in Basel in einer ganz anderen Verfassung präsentieren.»
Der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung» (online nicht verfügbar) erläuterte Vogel schon vor dem Anpfiff in Freiburg, wie er und seine Mannschaft an den historischen Abend, das erste Achtelfinalspiel eines Schweizer Clubs, herangehen werden: «Wir werden nicht den Fehler machen, vermeintlich schleppende Partien zum Massstab zu nehmen für die Leistungsfähigkeit der Bayern. Sie haben die einzigartige Möglichkeit, in dieser Saison das Champions-League-Finale im eigenen Stadion zu erreichen. Das wirkt sehr motivierend. Ich glaube, dass die Champions League bei den Bayern und auch bei den Bayern-Spielern einen hohen Stellenwert geniesst.»
«Angst um den Champions-League-Traum» verbreitete die «Bild-Zeitung» deshalb am Montag schon mal bundesweit. Vielleicht, sagt Vogel, der das Innenleben aus den zehn Jahren als Jugendtrainer beim FC Bayern einschätzen kann, «vielleicht aber sorgt dieses Ziel, der Final im eigenen Stadion, auch für extremen Druck. Kann ja sein.»