Die FCB-Fans reisen nicht an irgendeinen Ort, sondern ins Herz einer Sehnsucht

Wie tickt der FC Sevilla? Wo stehen seine Fans? Was unterscheidet ihn von Betis? Und wie heiss ist das Derby? Unser Spanien-Korrespondent mit einem Einblick in die Geschichte eines Vereins mit zwei Gründungsdaten.

(Bild: Wikipedia/ CC / http://flickr.com/people/inkiboo/)

Wie tickt der FC Sevilla? Wo stehen seine Fans? Was unterscheidet ihn von Betis? Und wie heiss ist das Derby? Unser Spanien-Korrespondent mit einem Einblick in die Geschichte eines Vereins mit zwei Gründungsdaten.

In der Saison 2005/2006 erlebte der Sevilla FC ein Epochenjahr. Nicht nur erspielte er den ersten von vier Europapokal-Titeln und stieg damit zur internationalen Grösse auf. Er feierte auch seinen 100. Geburtstag. Dazu hatte er unter anderem eine Hymne in Auftrag gegeben, die Gefühl und Leidenschaft der Sevillistas so gekonnt transportierte, dass sie es in Spanien sogar auf Platz eins der Single-Charts schaffte.

«Alte Zungen erzählen, dass an einem 14. Oktober eine Sehnsucht geboren wurde» – so beginnt die herrliche Schnulze des Künstlers und Sevilla-Fans El Arrebato, die im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán vor jedem Spiel aus Tausenden Kehlen geschmettert wird. Lustig daran ist nur: Der 14. Oktober ist mittlerweile gar nicht mehr Sevillas Geburtstag. Und 2005 wurde der Klub auch nicht 100 Jahre alt.

Ziemlich beeindruckend, wenn die Fans ihre Hymne anstimmen:
 

In der Zwischenzeit fanden Vereinsforscher nämlich heraus, dass sich bereits im Jahr 1890 ein Sevilla Football Club formiert hatte (heute: Sevilla Fútbol Club). Ob diese Entdeckung für eine Umschreibung der Klubgeschichte ausreichte, wurde zum Gegenstand eines regelrechten Historikerstreits, denn der Eintrag ins spanische Vereinsregister hatte sich eben erst 1905 zugetragen.

Für Klarheit sorgten schliesslich Quellen der British Newspaper Library in London. Der Dundee Courier hatte im März 1890 über die Konstituierung eines Sevilla Football Club am 25. Januar selben Jahres berichtet; wie im frühen Fussballsport üblich unter britischer Führung und nach britischen Rechtsstandards. Eine Aktionärsversammlung vor drei Monaten änderte das Gründungsdatum des Vereins daraufhin offiziell und einstimmig.

Weltläufig zeigte sich Sevilla auch schon vor seinen internationalen Erfolgen mit Stars wie Diego Armando Maradona – oder bereits in den 1970er-Jahren mit dem Gambier Alhaji Momodo Nije alias: Biri Biri. In seinem Heimatland trägt der ehemalige Flügelspieler den offiziellen Ehrentitel «Bester Fussballer des letzten Millenniums und aller Zeiten».

In Sevilla brachte er es mit seiner fantasiereichen Spielweise zur Kultfigur, nach der sich bald eine eigene Fangruppierung benannte: Die «Biris Norte», Spaniens erste Ultras, geben bis heute den Ton an im Sánchez Pizjuán. Politisch stehen sie links, derweil die «Supporters Sur» von Betis als rechtsextrem eingestuft werden.

Derby in Spanien? Vergesst Barcelona und Madrid

Diese Konnotationen hätte es nicht mal gebraucht, um das sevillanische Derby zur heissesten Angelegenheit des spanischen Fussballs zu machen – intensiver als jenes in Madrid oder erst recht in Barcelona, weil beide Klubs unter ähnlichen Rahmenbedingungen starten und ihre Geschichte oft parallel verlief.

2000 stiegen beide aus der Primera División ab, wieder zurück starteten beide durch, wobei Betis mit einem Pokalsieg und einer Champions-League-Teilnahme anfangs sogar auf der schnelleren Spur schien, aber dann bald und immer stärker abreissen lassen musste.

Betis kann sich demgegenüber über den Erfolg bei der Ruderregatta freuen. 

Es waren die absurdesten Jahre einer Fehde, die von den Eitelkeiten der damaligen Präsidenten José María del Nido («Nach dem Papst bin ich der zweitwichtigste Mann der Welt») und Manuel Ruiz de Lopera (Betis-Präsident) befeuert wurde und sogar mehrfach Spielabbrüche provozierte. Buchstäblich über dem Grab des 2007 an plötzlichem Herztod verstorbenen Sevilla-Profis Antonio Puerta versöhnte man sich, seither haben sich die Wogen etwas geglättet, zumal die Vereinsführungen gewechselt haben.

Del Nido musste sein Amt vor zwei Jahren abgeben, um eine Haftstrafe wegen Korruption während einer Anwaltstätigkeit in Marbella anzutreten. Von seinem Mandat in Sevilla hingegen profitierte auch der Klub; er ist auch wirtschaftlich stabil wie nie.

Betis kann sich demgegenüber allenfalls mit seinen Erfolgen auf dem Río Guadalquivir trösten, wo er die letzten fünf Auflagen der Ruderregatta zwischen beiden Vereinen gewann. Auch die gibt es in einer Stadt, deren grösste Arena, die zur Leichtathletik-WM 1999 erbaute La Cartuja, nur für Konzerte genutzt wird. Es gab mal den Plan, dass sie Sevilla und Betis gemeinsam bespielen würden.

Was für eine verrückte Idee.

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Was das Team sonst noch auszeichnet?

Der Trainer zum Beispiel: Die schrulligen Manöver der «kolossalen Nervensäge» von Sevilla / Porträt

Oder auch der Sportchef, der mehr Fan ist als Funktionär: «In Sevilla heisst es: Das Wappen schlägt stärker als das Herz»

Und natürlich gibt es auch Fussballer, manche sind mindestens so schräg wie gut: Auf diese Widersacher aus Sevilla trifft der FC Basel am Donnerstag

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