Tahiti verlor beim Confederations Cup 1:6 gegen Nigeria. Trotzdem feierte das Team wie nie zuvor: Sonst spielt es vor leeren Reihen, bei dem wichtigen Spiel stand die ganze Nation hinter ihren Jungs.
Der große Moment kam in der 54. Minute, als Jonathan Tehau zum neuen Sporthelden Tahitis wurde. Der nur 1,82 Meter lange Mittelfeldspieler übersprang die Abwehrriesen des Afrikameisters Nigeria und erzielte nach einem Eckball das Tor zum 1:3 (59. Minute) für den Champion Ozeaniens.
Ein Treffer, der auch auf der südpazifischen Insel, die zu Franzöisch-Polynesien gehört, von einem Großteil der 190’000 Einwohner bejubelt wurde. Das Fernsehen übertrug am Montag das erste Spiel der Tahitianer beim Confederations Cup in Brasilien live wie auch die folgenden zwei Begegnungen gegen Welt- und Europameister Spanien und den Südamerikameister Uruguay.
«Unterstützung war bisher ein Märchen für uns»
In der Hauptstadt Papeete, wo sonst nur Bootsrennen in Pirogen die Menschen bewegen, schauten sie diesmal auch beim Fußball genauer hin. «Als wir unser Land verließen», sagte Trainer Eddy Etaeta nach der wie ein Sieg empfundenen 1:6-Niederlage in Belo Horizonte, «kannten wir so etwas wie öffentliche Unterstützung gar nicht. Das hier ist wie ein Märchen für uns.»
Wenn Tahiti daheim spielt, schauen bestenfalls zweihundert Menschen den Freizeitkickern zu, die sonst als Strandverkäufer, Höhenkletterer oder Kraftfahrer wie Torschütze Tehau arbeiten. Sie mussten erst nach Brasilien zu ihrer Traumreise aufbrechen, um so etwas wie Heimspielatmosphäre kennen zu lernen. 21 000 Zuschauer feuerten die Insulaner im WM-Stadion von 2014 voller Inbrunst an.
Jubel nicht aus Sympathie, sondern für mutiges Spiel
Sie taten dies nicht nur aus Sympathie für einen ganz Kleinen des Weltfußballs, der in der Weltrangliste Platz 138 belegt. Sie taten es auch, weil Etaetas Männer sich gegen die ausgebufften Profis aus Westafrika nicht vor Angst verkrochen, sondern mutig, wenn auch oft reichlich naiv, dagegenhielten. «Wir wollten hier nicht mauern, wir wollten Fußball spielen, und das ist uns, glaube ich ganz gut gelungen», lobte der stolze Fußballehrer seine wiss- und lernbegierigen Schüler.
Etaeta war, als er in diesem nicht ganz unbedeutenden Wettbewerb ein Jahr vor dem Beginn der Weltmeisterschaft die Nationalhymne Französisch-Polynesiens hörte, vor Rührung fast in Tränen ausgebrochen. Seine Spieler, darunter mit Marama Vahirua ein einziger Profi, der zuletzt in Griechenland bei Panthrakikos unter Vertrag war und nun nach neuer Arbeit sucht, genossen einen Tag, da die Gesetzmäßigkeiten des Fußballs außer Kraft gesetzt schienen. Sie feierten sich wie die Bootsrennfahrer mit imitierten Paddelschlägen und badeten im Applaus wie sonst nur im warmen Meer.
Selbst das Eigentor tat nicht weh
Da konnte der Torschütze leicht verschmerzen, dass er noch einmal traf: per Eigentor für die Nigerianer (69.). Kann passieren, wenn das Ziel der Turnierteilnahme schon im ersten Spiel erreicht wird. «Ich habe schon bei der Auslosung gesagt», merkte Etaeta an, „dass es für uns ein Erfolg ist, wenn wir in diesem Turnier ein Tor erzielen.» Da sprach der olympische Geist aus dem Übungsleiter, und tatsächlich ist Teilnahme in diesem Fall schon fast alles für die Tahitianer, die erstmals als Nummer Eins Ozeaniens zum Confed-Cup fahren durften, sich aber nicht für die WM qualifizieren konnten.
Von Spanien ist alles zu erwarten. Auch Respekt vor Tahiti
Gleichwohl ist Tahiti im kommenden Jahr bei einer Fußball-WM in Brasilien dabei: der im Beach Soccer. Da sind Jonathan, Bruder Alvin, der auch in der Startaufstellung stand, der auf der Bank sitzende dritte Bruder Lorenzo und Cosin Teaonui Tehau nicht mit von der Partie. Sie leben ihren Brasilien-Traum schon heute, wenn auch vielleicht nur bis Donnerstag: Dann lernen sie außer Weltmeister Spanien einen Mythos des Fußballs kennen: das MaracanaStadion in Rio de Janeiro.
Es wird ausverkauft sein, doch Bangemachen gilt nicht für die Amateure von der Insel der Seligen. Eddy Etaeta traut den Spaniern alles zu, auch den Respekt vor seiner Mannschaft. «Mein Kollege Vicente del Bosque teilt mit mir viele Werte», sagte er am Montag, «Spanien wird kein Interesse daran haben, uns mit zehn Toren oder mehr abzuschießen. Sie sind weltweit so anerkannt und werden deshalb auch uns Amateuren Respekt zollen.» Was dabei heraus kommt, wird die Welt sehen. Zumindest ganz Tahiti schaut gebannt zu.