Die Hubba-Bubba-Affäre

Der Fall Dragovic ist noch nicht richtig bei den Akten, da droht dem FC Basel neues Ungemach.

Beim FC Basel bahnt sich schon die nächste Flegelei an: Trainer Heiko Vogel will künftig Hubba Bubba kauen.

Der Fall Dragovic ist noch nicht richtig bei den Akten, da droht dem FC Basel vor dem Saison-Kehraus am Mittwoch (20.15 Uhr im St.-Jakob-Park gegen die Young Boys) neues Ungemach.

Der FCB-Spieler Aleksandar Dragovic geht in Sack und Asche. «Nennen wir es jugendlichen Übermut», sagte der 21-Jährige zerknirscht, als er gestern zum letzten Training der Saison im St.-Jakob-Park vorfuhr. Für den zweifelhaften Spass, den er sich bei der Pokalübergabe vergangenen Mittwoch nach dem Cupfinal mit mehreren Klapsen auf den Hinterkopf (in Österreich: Glatzenwatschen) von Bundesrat Ueli Maurer gemacht hat, bezahlt er teuer.

Nebst einer öffentlichen Entschuldigung auf der Homepage des FC Basel wird der Österreicher clubintern gebüsst. Es sei ein namhafter Betrag, so FCB-Sprecher Josef Zindel, den der Verein für gemeinnützige Zwecke stiften wird, ein Betrag, «der wehtut», wie Trainer Heiko Vogel präzisierte, ohne den Betrag nennen zu wollen.

Der Bundesrat selbst hatte die Angelegenheit entspannt weggesteckt und bereits zuvor die persönliche Entschuldigung von Dragovic angenommen. «Von Clubseite haben wir das Verhalten des Spielers als Unfug beurteilt, den wir nicht akzeptieren können», sagt Zindel, «er hat einen Seich gemacht.»

Keine Sanktion vom SFV

Gleichwohl ist man beim FC Basel irritiert über die Dimension, die die Affäre erhalten hat, «auch auf Druck von aussen, von den Medien. Es wurde eine Flut von Mails ausgelöst, die meisten von ausserhalb des Raums Basel», so Zindel. Vom Schweizerischen Fussballverband werde keine Untersuchung eingeleitet, mithin werde es auch keine Sanktionen gegen den Spieler geben. Von SFV-Generalsekretär Alex Miescher sei dem Club gesagt worden, er handhabe die Angelegenheit gut. Zindel: «Damit ist das Thema vom Tisch. Punkt. Ende. Auch für den Verband.»

Über Ueli Maurer und dem Cupfinal steht kein guter Stern. 2009, nachdem die Young Boys im Final im eigenen Stadion dem FC Sion unterlegen waren, soll der Bundesrat sich schon nicht wohlgefühlt haben bei der Siegerehrung. Die tief enttäuschten Berner Spieler zogen sich ihre Medaille für Platz 2 gleich wieder über den Kopf, etliche Sittener Spieler liessen Maurer beim Handschlag links liegen und schliesslich wurde der qua Amtes oberste Sportler des Landes bei der Cupübergabe überrascht (siehe Video dazu).

«Könnte würdevoller sein»

Die «Sonntagszeitung» enthüllte seinerzeit schonungslos: «Bundesrat Maurer war eingekesselt von johlenden Sion-Spielern, die gegenüber dem höchsten Sportpolitiker des Landes keinerlei Respekt zeigten.» Johlend, eingekesselt – es wird einem ganz mulmig. Maurers erster Auftritt als Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) auf der glitzernden Bühne eines Cupfinals mündete 2009 in seiner Klage: «Die Zeremonie könnte schon etwas würdevoller sein.»

Schwer zu sagen, warum auch Mittwoch vergangener Woche dieser Zeremonie – im Gegensatz zu 2009 nicht auf dem Spielfeld, sondern auf der Haupttribüne – etwas abging. Liegt es daran, dass der SFV die Vermarktung des Cupfinals komplett an eine Agentur (IMG) vertickt hat? Eine Agentur, die dann kraft Vertrag sogar darüber bestimmen kann, mit welchem Ball gespielt wird. Mit einem Modell, in diesem Fall «Badboyzsoccer», von dem niemand sonst je etwas gehört, geschweige denn mit dieser Kugel je ein Wettbewerbsspiel gespielt hätte.

«Der Ball war eine Katastrophe», sagte Xherdan Shaqiri, und der hat ja nachgewiesenermassen genügend Ballgefühl, um sich ein profundes Urteil erlauben zu können. Eine Affäre war das jedoch nicht wert.

Vogel: «Wer im Glashaus sitzt»

Aber Dragovic. «Was Dragovic gemacht hat, dürfen, wollen und können wir nicht akzeptieren», sagt Heiko Vogel, «es gibt gewisse Anstandsformen, die man bewahren muss, und das verlange ich, wenn man Teil der FCB-Mannschaft ist, auf der ein noch engerer Fokus liegt.»

Das hat zu einem medialen – im Jargon von Maurers Haus würde man wahrscheinlich dazu sagen: Sperrfeuer geführt, in dem sich etwa die Zeitung «Der Sonntag» über den «FC Primitiv» ereiferte. Dragovics Flegelhaftigkeit ist das eine, «aber dass eine Polemik daraus gemacht wurde, auch daraus, dass Yann Sommer die Zunge herausgestreckt hat, dazu kann ich nur sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.» Sagt Heiko Vogel.

Der Cheftrainer hob am Dienstag zu einem grundsätzlichen Plädoyer an: «Ich bin doch auch nicht böse, wenn David Zibung beim Elfmeterschiessen vor seiner Fankurve steht und versucht die Fans anzupeitschen. Das gehört doch dazu, das ist völlig normal. Wenn er sich vor seinen Fans noch einmal pushen will, dann ist das doch etwas Wunderschönes. Warum sollte ich das verurteilen? Gefühle müssen irgendwo hin, auch bei uns Fussballern. Deshalb habe ich die Diskussion nicht ganz verstanden.»

Die Hubba-Bubba-Affäre zeichnet sich ab

Gleichzeitig ergriff er Partei für den Schiedsrichter, der die Basler bevorteilt haben soll: «Ob ein Schiedsrichter für oder gegen uns pfeift: Ich glaube, es sind alles Menschen, keiner kann sich von Fehlern freisprechen und keiner macht es mit Absicht.» Worte, an denen sich der FCB-Trainer natürlich eines Tages wird messen lassen müssen.

Und überhaupt: Die nächste Affäre um den FCB bahnt sich bereits an. In einem Mail an den Club wurde auf Schärfste bemängelt, dass Heiko Vogel – wie in der Fernsehübertragung mehrfach zu sehen war – Kaugummi kaute. Ein unglaublicher Vorfall, und der FCB hat noch nicht kommuniziert, wie er seinen Cheftrainer dafür zur Rechenschaft ziehen will. Für den sich echauffierenden Schreiber hat Vogel ausserdem keine gute Nachricht: «Ich muss ihn enttäuschen. Das nächste mal kaue ich einen Hubba Bubba und mache Blasen.»

Der verzweifelte Schweinsteiger und der Präsident der Republik

Es muss gar kein Schlag auf den Hinterkopf sein, schon ein Handschlag, der gedankenverloren vergessen geht, kann Aufregung erzeugen. So geschehen nach dem Champions-League-Endspiel in München, dem «Drama dahoam» (Spiegel online), als sich Bastian Schweinsteiger, der Torpfostenschütze im Elfmeterschiessen, mit gesenktem Kopf an Joachim Gauck vorbei schleppte und die ausgestreckte Hand des deutschen Bundespräsidenten ignorierte oder zumindest nicht wahrnahm.

Dieser Joachim Gauck hat nun darauf reagiert, wie man es von Joachim Gauck als oberstem Repräsentanten der Bundesrepublik erwarten durfte: souverän. «Das war total okay», sagte er dem Hörfunksender «Antenne Bayern», «er muss sich nicht entschuldigen. Es ist alles von mir verstanden».

Von Sportsmann zu Präsident hatte Schweinsteiger nach dem tieftraurigen Moment am Samstag um Verständnis gebeten: «Ich habe in diesen Momenten, nach dieser großen Enttäuschung nichts mehr um mich herum wahrgenommen. Ich war verzweifelt, enttäuscht, wie paralysiert.»

Wer ein bisschen den grossen, manchmal überhöhten (Profi-)Fussball mitfühlt, versteht. (cok)

 

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