Die Indoors und Roger Federer: «Es gibt auch eine Kehrseite»

Immer noch verkaufen die Swiss Indoors ihre Tickets auch wegen Roger Federer. Eine Situation, die nicht nur förderlich ist für das Basler Tennisturnier. Marc Zimmermann, stellvertretender Direktor, erläutert im Interview die schwierigen Seiten des Federer-Effekts.

epa04440030 Tennis fans of Roger Federer of Switzerland hold montage images of Roger Federer of Switzerland as various superheroes during a quarterfinal match between Roger Federer and Julien Benneteau of France at the Shanghai Tennis Masters in Shanghai, (Bild: Keystone/DIEGO AZUBEL)

Immer noch verkaufen die Swiss Indoors ihre Tickets auch wegen Roger Federer. Eine Situation, die nicht nur förderlich ist für das Basler Tennisturnier. Marc Zimmermann, stellvertretender Direktor, erläutert im Interview die schwierigen Seiten des Federer-Effekts.

Mit Roger Brennwald, Direktor der Swiss Indoors, war ein Interview kurz vor dem Turnierstart nicht möglich. Sein Stellvertreter Marc Zimmermann, Mitglied der Geschäftsleitung und Eventmanager, beantwortet die Fragen der TagesWoche. Er gibt einen Einblick in das Basler Tennisturnier, das sich mehr und mehr von seiner Überfigur Roger Federer emanzipieren muss.

Marc Zimmermann, stellvertretender Direktor der Swiss Indoors

Marc Zimmermann und die Swiss Indoors möchten in Zukunft den Fokus wieder auf alle Spielerpersönlichkeiten zu legen

Marc Zimmermann, die Swiss Indoors in Basel sind eng verbunden mit dem Spieler Roger Federer. Können Sie sich erinnern an die vergangenen Zeiten, als das noch nicht so war?

Es kamen schon immer die besten Spieler nach Basel. Ausser John Newcombe haben alle Weltranglistenersten in Basel gespielt. Ich selbst habe 1987 als Balljunge an diesem Turnier begonnen. Eine ähnliche Karriere wie Roger Federer also, nur dass es danach nicht ganz gleich weitergegangen ist. (lacht)

Haben Sie sich als Balljungen die Filzkugeln zugeworfen?

Nein, ich war Balljunge bis 1991. Federer hat das glaube ich 1994 zum ersten Mal gemacht. Da haben wir uns also verpasst.

Nicht verpasst haben Sie in all den Jahren die Entwicklung der Swiss Indoors. Was sind Ihre Eindrücke von dieser Zeit?

Seit meiner Zeit als Balljunge hat das Turnier eine enorme Entwicklung gemacht. Wie die ganze Professionalisierung im Sport. Als ich damals Balljunge war, hatten wir noch einen sehr engen Kontakt mit den Spielern. Unser Aufenthaltsraum war beispielsweise gleich neben den Garderoben. Es war fast familiär, trotz all der grossen Namen.

Multiple exposure of Switzerland's Roger Federer serving a ball to Uzbekistan's Denis Istomin during their second round match at the Swiss Indoors tennis tournament at the St. Jakobshalle in Basel, Switzerland, on Wednesday, October 23, 2013. (KEYSTONE/Ge

Was Sie in gewisser Weise bereits tun: Rafael Nadal ist, wenn man die Bildsprache Ihrer Werbekampagne betrachtet, der Kopf des Turniers. Nicht erst in diesem Jahr. Hat das mit der Figur Nadal oder mit der Emanzipierung von der Figur Federer zu tun?

Die Wahrheit liegt in der Mitte. Nadal war beispielsweise letztes Jahr die Figur schlechthin im Tennis, mit diesem unglaublichen Comeback nach der langen Verletzungspause. Andererseits haben wir uns auch gesagt, dass wir den Leuten wieder klarmachen wollten: Wir sind ein Turnier, an dem die weltbesten Spieler auftreten – und nicht nur Roger Federer. Das Schweizer Fernsehen hat diesbezüglich auch einen Wandel durchgemacht. Früher wurden einfach alle Spiele Federers gezeigt, heute setzt man auch auf die Übertragung der Spiele seiner grössten Konkurrenten.

Rafael Nadal tritt trotz Blinddarmentzündung in Basel an.

Rafael Nadal tritt trotz Blinddarmentzündung in Basel an. (Bild: Keystone/VINCENT THIAN)

Inzwischen gibt es mit Stanislas Wawrinka auch noch einen zweiten Schweizer.

Genau. Und das möchten wir mit der Kampagne eben auch kommunizieren. Zudem sind mit Milos Raonic und Grigor Dimitrov insgesamt fünf der zehn besten Spieler der Welt in Basel am Start, das heisst fünf Kandidaten für die ATP World Tour Finals in London.

Sie sagten, dass die Zuschauer früher ans Turnier gekommen seien, um die besten Tennisspieler zu sehen. Heute kommen sie teilweise, um die Figur Federer zu sehen. War das Publikum früher tennisaffiner als heute?

(überlegt lange) Es könnte sein, dass das Publikum früher weniger verwöhnt war. Als beispielsweise Pete Sampras oder Andre Agassi das erste Mal antraten, war dies ein Ereignis. Das war ja zu einer Zeit, in der man nicht im Internet alle Spiele verfolgen konnte. Dann kam irgendwann die Periode, in der alle Federer sehen wollten. Inzwischen aber habe ich das Gefühl, dass es auch bei ihm wieder um Tennis und nicht nur um den Auftritt des Künstlers geht. Er gewinnt das Turnier nicht einfach jedes Jahr in einer Selbstverständlichkeit, wie das einmal der Fall war. Die Spiele sind enger geworden. Und ich habe fast das Gefühl, dass damit die Stimmung in der Halle auch besser wurde. Man spürt die Spannung wieder.

Welche Möglichkeiten haben Sie denn, um das Turnier in die Ära nach Federer und auch Wawrinka zu bringen?

Wir müssten jetzt eigentlich ein Damenturnier organisieren. (lacht)

Und sich dabei mit der Schweizerin Belinda Bencic wieder nur auf eine Figur konzentrieren. Aber im Ernst, bei den Männern kommt unmittelbar nach Federer und Wawrinka keine grosse Figur nach.

Das ist die entscheidende Frage für uns. Es ist uns bewusst, dass wir eine Epoche hatten, die es vermutlich nie mehr geben wird. Dass wir in der Schweiz vielleicht wieder mal einen Spieler in den Top-10 haben werden, ist nicht unmöglich. Aber zwei unter den ersten Vier? Wir sind uns bewusst, dass es diese Jahrhundert-Konstellation nicht mehr geben wird. Aber die Faszination des Sports wird durch neue Figuren national und global erhalten bleiben.

Ihnen bleibt also die Möglichkeit…

…uns auf die Wurzeln zurückzubesinnen. Der Sport muss wieder im Vordergrund stehen. Wir werden in den nächsten Jahren wohl einen Teil unseres Publikums verlieren. All diejenigen, die jetzt einmal Federer sehen wollten, die werden vielleicht nicht mehr kommen. Aber das Tennis ist auch losgelöst von seiner Figur sehr populär. Denken wir nochmals an Agassi oder Sampras zurück: Alle sagten damals, dass nach dem Karriereende dieser Ikonen nichts mehr nachkommen werde. Ein Jahrzehnt später sah bereits alles ganz anders aus. Und das wird wohl auch in Zukunft wieder so sein.

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