Italienische Fussballvereine waren und sind in der Region Nordwestschweiz breit vertreten. Nicht selten trugen sie die klangvollen Namen ihrer Vorbilder aus der Heimat. Heute sind ihre Mannschaften längst bunt gemischt – 1965 aber gab es die Idee, alle «Ausländer»-Clubs in eine eigene Liga zu stecken.
Die Unione Sportiva Italiana Bottecchia jubelt. Auf dem Platz des Gegners, der Grendelmatte, wird der FC Riehen im Final des Basler Cups 1935 mit 2:1 bezwungen.
Es ist der erste Titel des ersten italienischen Vereins in der Region Nordwestschweiz, damals noch unter dem Dach des Baselstädtischen Fussballverbandes. Die Italiener standen in jener Zeit dreimal in Folge im Cupfinal. Gegen den SC Kleinhüningen gab es vor und nach dem erfolgreichen Endspiel in Riehen zwei Niederlagen.
Zum 75. Geburtstag des Fussballverbandes Nordwestschweiz kommt es zu einer Kooperation mit der TagesWoche. Das Ziel: Online entsteht eine interaktive Geschichte des Fussballs in der Region, auf der die wichtigsten Ereignisse des regionalen Fussballs, Anekdoten und Erinnerungen auf einer Zeitleiste dargestellt werden.
1950 fiel – nach der kriegsbedingten Dispensierung und der Neulancierung des Clubs – das «Italiana» in der Clubbezeichnung (U.S.I.) weg. Fortan nannte sich der Club nurmehr US Bottecchia und konzentrierte sich auf den Fussball.
Unter diesem Namen zählt er noch heute zur regionalen Fussballlandschaft. Obwohl die US Bottecchia nie über die 3. Liga hinaus kam, standen die Italiener noch zweimal in einem regionalen Cupfinal. 1959 war es, als sie sich dem FC Rheinfelden in Pratteln mit 1:3 geschlagen geben mussten. Doch zwei Jahre später gelang gegen den SV Muttenz mit einem 1:0-Erfolg der bisher letzte Titelgewinn. Es war die Zeit, als im Basler Cup nur 3.- und 4.-Ligisten mitwirken konnten.
Virtus und Rossoneri
Und es war auch eine Zeit, in der immer mehr italienische Gastarbeiter in der Region eintrafen – unter anderem wegen des Baus der damaligen Autobahn N2 von Basel durch den Belchentunnel ins Mittelland.
In jenen Jahren folgte nach den Vorreitern der US Bottecchia (1999 fusionierte der Club mit der US Italsatus) eine wahre Gründungswelle italienischer Fussballvereine in der Region. Den Anfang machte am 1. Juli 1961 die AC Virtus in der Kantonshauptstadt Liestal.
Sie bauten am Belchentunnel und spielten Fussball. Das Team der AC Virtus Liestal im Gründungsjahr 1961.
Die Geschichte des Clubs beginnt schon einige Jahre zuvor, treibende Kraft ist Giuseppe «Beppe» di Stefano. Nach ersten Versuchen am Rande der Sportanlage Gitterli in Liestal steigt ein erstes Freundschaftsspiel in Pratteln. Danach, ab 1959, schliesst man sich zunächst für zwei Jahre als Untersektion dem FC Liestal an. Schliesslich wird man von der «Colonia Libera Italiana» (C.L.I.), die sich um die Bedürfnisse der italienischen Einwanderer kümmert, aufgenommen – zwei Jahre später erfolgt die Umbenennung in AC Virtus – und die bis heute existierende Clubfarbe Granatrot in Anlehnung an die damals grosse AC Torino wird bestimmt.
In Lausen waren die Italiener schneller als die Schweizer
Eine spezielle Situation ergab sich im Oberbaselbieter Ort Lausen. Dort wurde der italienische Verein AC Rossoneri nach dem rot-schwarzen Vorbild AC Milan nämlich sogar zehn Jahre vor dem FC Lausen 1972 gegründet. Am 20. April 1962 wurden die «Rossoneri» als erster Fussballclub der Ortschaft geboren, sie nahmen von Anfang an auch Schweizer Spieler auf.
Doch an der Einstellung zur Nachwuchsförderung schieden sich später die Geister. Und auch über die Kassenführung wurden unterschiedliche Ansichten vertreten – und so kam es im Januar 1972 zur Trennung und zur Gründung des FC Lausen. Die AC Rossoneri gibt es heute noch, und sie bewegt sich sportlich nach der Rückkehr in die 3. Liga im letzten Sommer wieder auf der Höhe des lokalen «Konkurrenten» FC Lausen.
Die angedachte Ausgrenzung der Ausländer-Clubs
Das Aufkommen der italienischen Clubs wurde nicht überall mit Wohlwollen begleitet. Dazu verschärfte sich, nicht nur in der subjektiven Betrachtung, der Eindruck, dass italienische Clubs und Spieler vermehrt für Unruhe auf den Fussballplätzen sorgten.
Eine Erhebung des Fussballverbandes Nordwestschweiz ergab dann jedoch, dass sich das Verhältnis von schweizerischen und italienischen Fussballern in der Region (6:1) ziemlich exakt auch bei den Verweisen und Bussen wiederfand. Einzig bei den schwereren Vorkommnissen waren die italienischen Fussballer gehäuft involviert – es kam in den 1960er-Jahren da und dort zu Spielabbrüchen.
Auch deshalb stellte der FC Black Stars im Hinblick auf die Delegiertenversammlung 1965 den Antrag, alle ausländischen Teams in einer separaten Meisterschaftsgruppe zu vereinen. Der Antrag löste schon im Vorfeld intensive Diskussionen in der Presse aus. Es kam vorgängig auch zu einer Aussprache von Verbandsvertretern mit dem Kanzler des italienischen Generalkonsulats in Basel, Cav. Luigi Vietri.
Schliesslich wurde der Antrag an der Delegiertenversammlung zurückgezogen – und ein Statement von Pietro Vignutelli von der US Bottecchia für mehr gegenseitiges Verständnis und verbesserte Integration der Italiener wurde mit grossem Applaus bedacht.
Juventus in der 2. Liga
In der Saison 1968/69 gelang erstmals einem italienischen Team der Aufstieg in die 2. Liga. Der 1962 gegründete FC Juventus Basel, lange Jahre der Italienerverein der Region, setzte sich in den Promotionsspielen gegen den FC Laufenburg und die zweite Mannschaft des FC Breitenbach durch.
Nach zwei Saisons war aber bereits wieder Schluss – und der FC Juventus ging schwierigeren Zeiten entgegen. 1988 erfolgte die Fusion mit der UP Reggina, einer Untersektion beim FC Breite, doch heute gibt es auch diesen FC Juventus-Reggina nicht mehr.
Der sportlich wohl erfolgreichste Verein mit italienischem Bezug war bislang der FC Internazionale. 1965 wurde der Verein als FC Inter Club gegründet, es gab da schon den Satus-Club SC Inter, der jedoch ausser dem Namen nichts mit Italien zu tun hatte. Ab 1976 firmiert der FC Inter Club neu als FC Internazionale. 1977/78 gelang der erstmalige Aufstieg der Blau-Schwarzen in die 2. Liga, wo man es allerdings nur eine Saison lang aushielt.
Später, so wurde nicht nur hinter vorgehaltener Hand getuschelt, wurden nette Saläre bezahlt – und so stellten sich immer wieder gute regionale Fussballer zur Verfügung, etwa auch der treffsichere Stürmer Gerhard Portmann oder Beat Feigenwinter.
1987/88 scheiterte ein erster Anlauf zum Wiederaufstieg in die 2. Liga. Am Ende der Saison 1990/91 stand der erst- und einmalige Gewinn des Basler Cups mit einem 3:1-Finalsieg in Oberdorf gegen den FC Allschwil. Undd 1991/92 gelang die Rückkehr ins regionale Oberhaus. Doch am Ende der Saison 1994/95 war die glorreiche Zeit mit dem Abstieg wieder vorbei.
Den Verein gab es danach nicht mehr lange. Im Jahr 2000 wurde noch einmal ein Neustart als FC Internazionale-Milena versucht. Doch auch dieser Club ist mittlerweile verschwunden.
Viele Untersektionen
Oft wurden die Teams mit italienischen Gastarbeitern als Untersektionen oder separate Mannschaften in bestehende Vereine integriert. Beim FC Aesch etwa bildete sich 1959 eine italienisch-sprachige Mannschaft mit dem klangvollen Namen «Arcobaleno», die 1963 zwischenzeitlich sogar den Aufstieg in die 3. Liga realisieren konnte.
Auch im Fricktal, beim FC Rheinfelden oder beim FC Möhlin/Riburg, gab es italienische Untersektionen. In Möhlin haben sich die unter dem Titel «US Associazione Cristiana dei Lavoratori Italiani» (ACLI) firmierenden Italiener 1999 vom FC Möhlin-Riburg gelöst. 2007 erfolgte die Wiedervereinigung zum FC Möhlin-Riburg/ACLI, dessen Fanionteam in der 3. Liga spielt.
Im September 1960 nahm der SV Sissach an einer eigens einberufenen Vereinsversammlung 22 italienische Gastarbeiter auf, die sich im «Circolo Ricreativo Italiano Sissach» (CRIS) versammelten und die in den folgenden Jahren nicht nur viel Temperament bewiesen (schon in einem der ersten Spiele am 11. Dezember 1960 kam es zu einem vorzeitigen Spielabbruch…), sondern auch wertvolle Beiträge zum Vereinsleben leisteten.
Ein Rückzug nach «unliebsamen Vorfällen»
Auch beim benachbarten FC Gelterkinden musste sich ein Italienerteam, das sich in der Saison 1961/62 erstmals an der 4.-Liga-Meisterschaft beteiligte, zunächst an die disziplinarischen Massstäbe gewöhnen. Schon nach zwei Saisons wurde das Team «nach einigen unliebsamen Vorfällen» wieder zurückgezogen.
Eine spezielle Situation ergab sich mit der Gründung des FC Rümlingen im Jahr 1971. Dort stand über die Jahre die Fussballfamilie Melone im Zentrum der Bemühungen. Der Club war italienisch geprägt, hatte wie üblich seine «Cantina» (in der man sich auch umzog), war aber der einzige Fussballverein im Homburgertal. Entsprechend fand er auch viel Zulauf von Schweizer Spielern.
Heute jedoch ist sein ehemaliger Platz in der Nähe des berühmten Bahnviadukts an der Hauensteinlinie überbaut, der FC Rümlingen ist längst Vergangenheit. Verschwunden ist auch die US Molisana, die sich einst vom FC Internazionale abspaltete und in Pratteln heimisch wurde. Oder die US Napoli, die nach einer bewegten Geschichte mit einigen Abspaltungen und Fusionen mittlerweile in der US Olympia aufgegangen ist.
Zwei Clubs in der 2. Liga
Die Olympianer schafften in der Saison 2013/2014 den Aufstieg in die 2. Liga. Dorthin also, wo sich die AS Timau schon seit längerer Zeit etabliert hat. Beide Clubs haben eine Vergangenheit im Arbeiter-Sportverband Satus, wie viele ihrer italienischen Mitstreiter. Den Anfang dort machte die Unione Sportive Italiana 1922, es gab aber auch die US Juventina, die US Palermo oder die AS Rapid-Randazzo. Die einen gingen, andere kamen.
Die US Olympia spielt seit 2014 in der 2. Liga.
In Oberwil bildete sich 1984 der FC Italia Club, der es bis in die 3. Liga schaffte, zuletzt aber ohne Teams war. Seit 1993 gibt es den AC Milan Club – als letzte Neugründung eines italienischen Fussballclubs in der Region. Sie schliesst somit den Kreis. Der Name ist wieder ein grosser – die Bedeutung in der Region nicht mehr ganz so.
Heute bunt gemischt
Längst ist es so, dass die Italienerteams früherer Jahre heute bunt gemischte Vereine und Mannschaften mit Spielern verschiedenster Nationalitäten sind. Bei vielen «italienischen» Spielern handelt es sich inzwischen um die dritte oder gar vierte Generation, und viele besitzen sowohl die italienische wie auch die schweizerische Staatsbürgerschaft.
Dafür haben in der Zwischenzeit Einwanderer aus dem ehemaligen Jugoslawien – Kroaten, Serben, Bosnier und vor allem auch Kosovaren – ihre eigenständigen Vereine gegründet. Die Kosovaren des FC Dardania schafften im Sommer 2014 erstmals den Aufstieg in die 2. Liga interregional. Der kroatisch geprägte Club NK Pajde aus Möhlin spielt auch dank der Unterstützung von Ivan Rakitic, dem Star des FC Barcelona, und dessen im Fricktal wohnhafter Familie in der regionalen 2. Liga.