Die Königlichen krönen einen Helden zu ihrem neuen Trainer

Die Absetzung von Raphael Benítez und die Beförderung von Zinedine Zidane zum neuen Trainer von Real Madrid ist auch ein Lehrstück über die Macht der Spieler und einen Präsidenten, der seinen eigenen Kopf retten will.

Real Madrid's new coach Zinedine Zidane appears before the media at Santiago Bernabeu stadium in Madrid, Spain, January 4, 2016. Real Madrid have sacked coach Rafa Benitez after less than half a season in charge and promoted former France and Real great Zidane from the B team to replace him, president Florentino Perez said on Monday. REUTERS/Juan Medina TPX IMAGES OF THE DAY

(Bild: Reuters/JUAN MEDINA)

Die Absetzung von Raphael Benítez und die Beförderung von Zinedine Zidane zum neuen Trainer von Real Madrid ist auch ein Lehrstück über die Macht der Spieler und einen Präsidenten, der seinen eigenen Kopf retten will.

Am Sonntagabend wurde Rafael Benítez gefeiert. «Du hast uns die besten Jahre unseres Lebens geschenkt», proklamierte ein Transparent. Zur Melodie von «I love you, baby» wurde sein Name gesungen. Benítez registrierte es am Spielfeldrand, er dankte mit einer freundlichen Handbewegung: den Fans in Valencia.

Am Montagabend wurde Rafael Benítez entlassen: bei Real Madrid. Just die Hommage in dem Stadion, dem er einst so grosse Erfolge bescherte (zwei Meisterschaften, ein Uefa-Cup), war sein letzter Auftritt als Trainer des Clubs, den er immer im Herzen trug. Der Madrilene Benítez kam als Knirps zu Real und begann dort im Nachwuchsbereich auch seine Trainerlaufbahn.



Football Soccer - Valencia v Real Madrid - Spanish Liga - Mestalla Stadium, Valencia, Spain - 3/1/16. Real Madrid's coach Rafael Benitez (L) gestures. REUTERS/Heino Kalis

Sein letzter Auftritt als Real-Trainer: Rafael Benitez in Valencia, wo seine Mannschaft am Samstag 2:2 unentschieden spielte. (Bild: Reuters/HEINO KALIS)

Die Anstellung als Cheftrainer sollte die Krönung seiner Karriere einleiten. Sie entpuppte sich als grosses Missverständnis. Nach einem halben Jahr ist der 55-Jährige seinen Traumjob schon wieder los.

Zidanes Rückkehr nach dem Rücktritt 2006

Nach einer Präsidiumssitzung verkündete Präsident Florentino Pérez die Nachricht. «Es war eine schwere Entscheidung», sagte er im selben Bereich des Estadio Santiago Bernabéu, in dem er dem Coach in den vergangenen Wochen noch mehrfach das Vertrauen ausgesprochen hatte. Man kennt das aus dem Fussball.

Ungewöhnlicher ist da schon, dass der Nachfolger gleich neben ihm sass. Im blauen Jackett und mit Glatze: der elfte Trainer in Pérez‘ Amtszeiten (2000 bis 2006 und seit 2009) heisst Zinédine Zidane. Als Königstransfer des Bauunternehmers und einer der ersten «Galácticos» kam die Fussball-Ikone 2001 nach Madrid.

Bei Real beendete Zidane 2006 seine Karriere und startete später die Trainerlaufbahn. In der Saison 2013/2014 war er Assistent bei der ersten Mannschaft, danach übernahm er das zweite Team.

Pokal-Aus gegen Drittligisten

«Ich bin noch aufgeregter als damals, als ich als Spieler zu diesem Verein kam», erklärte Zidane beim kurzen gemeinsamen Auftritt um kurz nach 20 Uhr, bei dem keine Fragen zugelassen waren. Anstatt sich mühsam für seine Kehrtwende in der Causa Benítez erklären zu müssen, überliess Pérez die Bühne lieber schnellstmöglich der alten, neuen Lichtgestalt und ihrem Versprechen: «Ich werde alles dafür tun, damit der Club dieses Jahr noch etwas gewinnt.»



Real Madrid's new coach Zinedine Zidane (L) and Real Madrid's President Florentino Perez pose for the media at Santiago Bernabeu stadium in Madrid, Spain, January 4, 2016. Real Madrid have sacked coach Rafa Benitez after less than half a season in charge and promoted former France and Real great Zidane from the B team to replace him, president Florentino Perez said on Monday. REUTERS/Juan Medina

Reals neuer Trainer Zinedine Zidane mit Präsident Florentino Perez (rechts). (Bild: Reuters/JUAN MEDINA)

Der Franzose soll eine Bilanz verbessern, die sich folgendermassen liest: Platz drei mit elf Siegen, vier Remis und drei Niederlagen in der Primera División, Gruppenerster in der Champions League, Aus im Pokal gegen den Drittligisten Cádiz wegen eines Aufstellungsfehlers, den Benítez allenfalls zu einem kleinen Teil zu verantworten hatte – und viel Schaden für beide Seiten.

Benítez übergibt die Mannschaft in schlechterem Zustand, als er sie von seinem Vorgänger Carlo Ancelotti übernahm. Aus Vergleichen mit Europapokal-Teilnehmern gewann Real diese Saison nur 27,7 Prozent der Punkte.

Die Pfiffe der Fans, die Distanz der Spieler

Spätestens seit dem 0:4-Heimdebakel vor sechs Wochen im Clásico gegen den FC Barcelona wurde nur noch die Chronik einer angekündigten Entlassung aufgeführt. Im Estadio Santiago Bernabéu wurde Benítez regelmässig ausgepfiffen, in getarnten Umfragen unter den Mitgliedern erntete der Verein vernichtende Zustimmungswerte für den Coach. Gegen Rayo Vallecano (10:2) und Real Sociedad (3:1) retteten ihn zuletzt nur skandalöse Schiedsrichterfehler.

Dass er jetzt nach dem 2:2 in Valencia den Laufpass erhielt, mag insofern überraschen, als es diese Saison schon schlechtere Darbietungen seiner Elf gegeben hatte. Zumindest fightete Real, nachdem es nach einer Roten Karte für Mateo Kovacic in Unterzahl agieren musste.

Doch nach Abpfiff gingen Schlüsselspieler in ihren Interviews noch deutlicher auf Distanz zu ihrem Trainer als in den letzten Wochen. Gefragt, ob ein Tausch auf der Bank etwas bringen würde, antwortete etwa Vize-Kapitän Marcelo: «Mal läuft es besser mit einem Trainerwechsel, mal besser ohne, schwer zu sagen.»

Der Kopfmensch Benitez war die denkbar schlechteste Besetzung

Das gestörte Verhältnis zur fast gesamten Mannschaft steht im Zentrum der gescheiterten Liaison. Sicher, auch jeder andere Kollege hätte es schwer gehabt angesichts der Depression im Team über die Entlassung des hochgeschätzten Ancelotti.

Doch der Kopfmensch Benítez war vor diesem Hintergrund die denkbar schlechteste Besetzung. Empathie und Kompromissbereitschaft gehörten noch nie zu seinen Stärken. Statt Streicheleinheiten für verwundete Spielerseelen gab es penetrante Taktikarbeit; die Stars klagten schon nach wenigen Wochen über Langeweile.

Cristiano Ronaldo spielte beharrlich unter seinem Niveau, Toni Kroos fand nie seine Rolle, Publikumsliebling Isco durfte zuletzt gar nicht mehr auf den Platz, der ebenfalls degradierte James Rodríguez war offenbar so frustriert, dass er seine Aggressionen am Gaspedal auslebte – manche Spieler gingen ihrem Trainer bloss aus dem Weg, andere machten sich offen über ihn lustig.

Der Präsident musste sich selbst retten

Letztlich musste Pérez das Scheitern seines Versuchs eingestehen, eine Spielermacht zu brechen, die sich seiner Auffassung nach unter Ancelotti eingeschlichen hatte. Dass er selbst die Autorität seiner Trainer untergräbt, indem er ihnen schlecht ausbalancierte Kader an die Hand gibt und Stammplatzgarantie für Toptransfers anempfiehlt, ist so ironisch wie offensichtlich.

Nun musste der Präsident nicht zuletzt sich selbst retten: auch wegen des Trainertausches im Sommer richten sich die Unmutsbekundungen der Fans verstärkt gegen ihn selbst.

Mit der Bestellung von Zidane macht er zumindest auf der Popularitätsebene alles richtig. Der Schütze des Volleytors zum Champions-League-Finalsieg 2002 gegen Bayer Leverkusen erfreut sich ungeteilter Verehrung unter den Madridistas.

Allerdings gab der Franzose als Coach der zweiten Mannschaft – derzeit auf Platz zwei in der viergleisigen dritten Liga – in den letzten anderthalb Jahren nicht mehr als eine ordentliche Figur ab. Zidane selbst betonte lange, er brauche als Trainer noch mehr Zeit für seine Entwicklung. Jetzt konnte er Pérez‘ Werben nicht mehr widerstehen.

Das Ende einer unwürdigen Hängepartie

Für Benítez endet derweil eine unwürdige Hängepartie, in der sein Renommee beträchtlichen Schaden nahm. Immer verzweifelter hatte er sich in den vergangenen Wochen unter Hinweis auf vergangene Meriten zu rechtfertigen versucht und zuletzt sogar die Verschwörungstheorien seines Präsidenten übernommen: «Es gibt eine Kampagne gegen mich, gegen Florentino und gegen die Mannschaft», behauptete er noch letzte Woche. Opfer ist fürs erste allerdings nur er selbst.

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